Was Kinder über ihre E-Schooling-Erlebnisse schreiben
«Tagebuch ist dümmer, noch dümmer, am dümmsten»

Eltern von Primarschülern bekommen den Corona-Unterricht hautnah mit. Wenn zum Beispiel das Mikrofon in der Onlinestunde nicht funktioniert oder die Lehrer-Mails auf sich warten lassen. Auch die Tagebücher der Kleinen offenbaren manch einen Missstand.
Publiziert: 01.05.2020 um 23:21 Uhr
Grosse Leere und Ablöscher im Schultagebuch
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Schulkinder über E-Schooling:Grosse Leere und Ablöscher im Schultagebuch
Claudia Gnehm

«Es gibt nichts zu schreiben, weil nichts passierte!», schreibt ein Zwölfjähriger am ersten Corona-Schultag (Montag, den 16. März) in sein Lerntagebuch. Entlarvend: Später gibt es keine weiteren Einträge mehr. Bei einem Zehnjährigen heisst es in seinem ebenfalls einzigen Tagebucheintrag: «Ich kann nicht schreiben, weil ich krank bin.»

Doch es gibt auch Kinder, deren Eltern beim Blick ins Corona-Tagebuch von einem regelrechten Wortschwall erschlagen werden. Sie glaubten bis dahin, es laufe mehr oder weniger gut mit dem E-Schooling. Die Zeilen, die später den Lehrern abgegeben werden sollen, zeigen etwas anderes.

Ein Beispiel: Heute habe er viele Themen-Einführungen und viel für die Schule zu tun gehabt, schreibt Tim (11) aus Zürich über den Unterricht im Google Classroom. O-Ton: «Es war einfach nur zum Kotzen, ja zum Kotzen, zum ....» Im Eintrag vom nächsten Tag erwähnt er Schulstress. Das Tagebuch fängt immer gleich an: «Heute hatte ich ... langweilig ... Tagebuch ist auch beschissen, kein Bock auf so was.»

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Muss ihre Schüler derzeit aus der Ferne unterrichten: Primarschullehrerin Deborah Critti (40).
Foto: Fabian Fuhrer

Offene Worte gelangweilter Schüler

Etwas Positives konnte Tim der Onlineturnstunde abgewinnen: «Der Yogaunterricht von Frau D. war anstrengend, aber auch cool, weil ich nicht wusste, was ich tun sollte.» Der letzte Eintrag endet mit einer Abrechnung: «Tagebuch ist dumm. Tagebuch ist dümmer, noch dümmer am dümmsten ... Heute war es wie immer langweilig und dumm und scheisse, das wars.»

Immerhin kriegt der Junge seine Aufgaben. Das ist gemäss diversen angefragten Eltern in Bern und Zürich nicht überall so. «Meine erhalten gar nichts», so der Tenor. Wenn die Kinder in der Mittelstufe Anfang Woche ein Mail mit ein paar Aufgaben bekämen, sei es schon das Höchste der Gefühle. Die Befürchtung vieler Erziehungsberechtigten: Bis zum 11. Mai lernen die Kinder nichts.

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Nicht alle Primarschüler mögen den Unterricht übers Internet. Tim (11) findet den Unterricht «zum Kotzen».
Foto: Zvg

Missglückte Back-Inspiration von «Mir ist langweilig»-Blatt

Dass es auch anders geht, zeigt der 6. Klässler Flurin aus Männedorf ZH. Er beschreibt: «Um 8.30 Uhr besammelt sich die ganze Klasse in Microsoft-Teams. Dann teilen wir uns auf in 4er-Teams und machen die Aufgaben in Deutsch, Englisch, Mathe, Geografie etc. Wir liefern die Aufgaben ab und um 11.45 Uhr kommt die Klasse wieder im Internet zusammen und verabschiedet sich in den Mittag.» Manchmal gebe es auch am Nachmittag Unterricht mit dem iPad.

Die Lehrer in Männedorf haben den Schülern der 5. und 6. Klassen die Software schon vor dem Lockdown auf dem schuleigenen iPad erklärt. Ein Tagebuch müssen die Kinder nicht schreiben, es läuft schliesslich alles wie immer – einfach virtuell.

Im Tagebuch von Chloé (9) wiederum steht: «Mir geht es super, abgesehen davon, dass mir mega-langweilig ist.» Darum habe sie sich gleich inspirieren lassen vom «Mir ist langweilig»-Blatt der Lehrerin – und einen Salzteig gemacht. Blöd: Das Werk ist dann leider zerbrochen.

Gesucht: Klasse der Zukunft

BLICK ist Partner von Educreators, einer Initiative, die jedes Jahr zehn herausragende Projekte im Bereich E-Schooling auszeichnet – im Jahr 2020 aktueller denn je. Mitmachen können Kindergarten-, Primarschul- und Sekundarstufen-Lehrerinnen und -Lehrer sowie Schulleiterinnen und Schulleiter von Volks- und Privatschulen. Zu gewinnen gibt es unter anderem 10'000 Franken Fördergeld. Mehr Informationen und Teilnahme unter educreators.ch.

BLICK ist Partner von Educreators, einer Initiative, die jedes Jahr zehn herausragende Projekte im Bereich E-Schooling auszeichnet – im Jahr 2020 aktueller denn je. Mitmachen können Kindergarten-, Primarschul- und Sekundarstufen-Lehrerinnen und -Lehrer sowie Schulleiterinnen und Schulleiter von Volks- und Privatschulen. Zu gewinnen gibt es unter anderem 10'000 Franken Fördergeld. Mehr Informationen und Teilnahme unter educreators.ch.

«Lässig ist, dass meine Eltern mehr zu Hause sind»

Raffaele (8), 2. Klasse, Horgen ZH

«Mir gefällt, dass ich zu Hause bleiben darf und dass ich nicht alles genau nach Stundenplan erledigen muss, sondern mir den Tag selber einteilen kann. Lässig ist auch, dass meine Eltern nun mehr zu Hause sind, ausser natürlich wenn sie gerade arbeiten müssen. Weniger gut gefällt mir, dass der Stoff nicht so gut erklärt wird und dass meine Eltern es nicht immer übernehmen können, weil sie ja beide arbeiten. Am meisten vermisse ich, dass wir kein Turnen und keinen Sport haben und ich meine Freunde nicht treffen kann.»
Sohn von BLICK-Fotochef Tobias Gysi

 

Daheim, aber nicht allein – Kinder von BLICK-Redaktoren machen das Beste aus dem neuen Schulalltag

Raffaele (8), 2. Klasse, Horgen ZH

«Mir gefällt, dass ich zu Hause bleiben darf und dass ich nicht alles genau nach Stundenplan erledigen muss, sondern mir den Tag selber einteilen kann. Lässig ist auch, dass meine Eltern nun mehr zu Hause sind, ausser natürlich wenn sie gerade arbeiten müssen. Weniger gut gefällt mir, dass der Stoff nicht so gut erklärt wird und dass meine Eltern es nicht immer übernehmen können, weil sie ja beide arbeiten. Am meisten vermisse ich, dass wir kein Turnen und keinen Sport haben und ich meine Freunde nicht treffen kann.»
Sohn von BLICK-Fotochef Tobias Gysi

 

Daheim, aber nicht allein – Kinder von BLICK-Redaktoren machen das Beste aus dem neuen Schulalltag

«Die Gschpänli fehlen mir»

Marah (10, l.), 4. Klasse, Zürich

«Die Gschpänli fehlen mir. Dass beim Arbeiten niemand mehr neben einem sitzt, mit dem man reden kann. Unsere Lehrerin geht sonst an die Pulte und schaut, was wir machen. Jetzt ist sie weg. Am Anfang brauchte ich auch viel Hilfe dabei, wie man mit dem Compi umgeht. Jetzt kann ich das allein. Ein grosser Fortschritt für mich. Bewegungspausen gabs auch nur als Video – als «Challenge of the day». Aber wir machten Zoom-Konferenzen mit der ganzen Klasse. Schön, sie alle wenigstens wieder mal zu sehen.»

Pauline (6), 2. Kindergarten-Klasse, Zürich

«Super, dass ich ein Frühlings-Tagebuch geschickt bekam. Und jetzt hatte ich auch Zeit, etwas reinzuzeichnen und zu schreiben. Schade, dass ich nicht mehr an meinem Themen-Drachen weiterbasteln konnten. Der blieb im Kindergarten. Und eine Zoom-Konferenz mit allen hätte ich auch gerne gehabt. Dafür konnte ich stundenlang draussen spielen mit den Nachbarskindern.»
Töchter von BLICK-Blattmacher Thomas Ley

 

Daheim, aber nicht allein – Kinder von BLICK-Redaktoren machen das Beste aus dem neuen Schulalltag

Marah (10, l.), 4. Klasse, Zürich

«Die Gschpänli fehlen mir. Dass beim Arbeiten niemand mehr neben einem sitzt, mit dem man reden kann. Unsere Lehrerin geht sonst an die Pulte und schaut, was wir machen. Jetzt ist sie weg. Am Anfang brauchte ich auch viel Hilfe dabei, wie man mit dem Compi umgeht. Jetzt kann ich das allein. Ein grosser Fortschritt für mich. Bewegungspausen gabs auch nur als Video – als «Challenge of the day». Aber wir machten Zoom-Konferenzen mit der ganzen Klasse. Schön, sie alle wenigstens wieder mal zu sehen.»

Pauline (6), 2. Kindergarten-Klasse, Zürich

«Super, dass ich ein Frühlings-Tagebuch geschickt bekam. Und jetzt hatte ich auch Zeit, etwas reinzuzeichnen und zu schreiben. Schade, dass ich nicht mehr an meinem Themen-Drachen weiterbasteln konnten. Der blieb im Kindergarten. Und eine Zoom-Konferenz mit allen hätte ich auch gerne gehabt. Dafür konnte ich stundenlang draussen spielen mit den Nachbarskindern.»
Töchter von BLICK-Blattmacher Thomas Ley

 

Daheim, aber nicht allein – Kinder von BLICK-Redaktoren machen das Beste aus dem neuen Schulalltag

«Für uns war es einfach, auf E-Schooling zu wechseln»

An der Privatschule Lycée Français Marie Curie de Zurich in Dübendorf ZH, wo 1080 Schüler von 82 Lehrern – vom Kindergarten bis zur Matura – unterrichtet werden, musste aufgrund der Corona-Krise auf E-Schooling umstellt werden. Laut Vizerektor François Latouche (46), der an der Schule auch für die digitale Pädagogik verantwortlich ist, hat das problemlos geklappt. Tablets sind am Lycée Français ab der ersten Primarschulklasse schon seit dreieinhalb Jahren in Gebrauch. «Für uns war es darum einfach, auf E-Schooling zu wechseln», sagt Latouche zu BLICK.

An der Schule werde stark auf selbstständiges Arbeiten und Digitalisierung gesetzt. Darum habe sich mit der Corona-Krise auch kaum etwas geändert: «Der Unterricht ist der Gleiche. Nur die Schüler sind jetzt eben nicht mehr in der Schule, sondern zu Hause.» Ihre Pädagogik hätten die Lehrer dennoch angepasst.

Um möglichst effizient zu sein, teilen die Sekundarschullehrer ihre Klassen derzeit in zwei Gruppen pro Unterrichtsstunde auf. Heisst: Während die eine Gruppe während 30 Minuten im virtuellen Klassenzimmer via Microsoft Teams unterrichtet wird, löst die andere Aufgaben alleine. Dann wird gewechselt. Dominique Rais

François Latouche (46) ist Vize-Rektor der Privatschule Lycée Français Marie Curie de Zurich in Dübendorf ZH.

An der Privatschule Lycée Français Marie Curie de Zurich in Dübendorf ZH, wo 1080 Schüler von 82 Lehrern – vom Kindergarten bis zur Matura – unterrichtet werden, musste aufgrund der Corona-Krise auf E-Schooling umstellt werden. Laut Vizerektor François Latouche (46), der an der Schule auch für die digitale Pädagogik verantwortlich ist, hat das problemlos geklappt. Tablets sind am Lycée Français ab der ersten Primarschulklasse schon seit dreieinhalb Jahren in Gebrauch. «Für uns war es darum einfach, auf E-Schooling zu wechseln», sagt Latouche zu BLICK.

An der Schule werde stark auf selbstständiges Arbeiten und Digitalisierung gesetzt. Darum habe sich mit der Corona-Krise auch kaum etwas geändert: «Der Unterricht ist der Gleiche. Nur die Schüler sind jetzt eben nicht mehr in der Schule, sondern zu Hause.» Ihre Pädagogik hätten die Lehrer dennoch angepasst.

Um möglichst effizient zu sein, teilen die Sekundarschullehrer ihre Klassen derzeit in zwei Gruppen pro Unterrichtsstunde auf. Heisst: Während die eine Gruppe während 30 Minuten im virtuellen Klassenzimmer via Microsoft Teams unterrichtet wird, löst die andere Aufgaben alleine. Dann wird gewechselt. Dominique Rais

Coronavirus

Das Coronavirus beschäftigt aktuell die ganze Welt und täglich gibt es neue Entwicklungen. Alle aktuellen Informationen rund ums Thema gibt es im Coronavirus-Ticker.

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