Wer als Ausländer zum ersten Mal Weihnachten in Japan verbringt, wundert sich vor allem über einen Brauch: Das traditionelle Weihnachtsessen ist Hähnchenfleisch von Kentucky Fried Chicken (KFC). Gefühlt die halbe Bevölkerung versucht in diesen Tagen einen Tisch beim US-Fast-Food-Giganten zu ergattern – und wer keinen kriegt, kauft sich zumindest das Weihnachtsmenü für zu Hause.
Das «Original»-Paket für 4000 Yen (rund 35 Franken) besteht 2020 aus frittierten Hähnchenfleisch, einem Krevetten-Gratin und einem Beeren-Tiramisu-Kuchen. Dieses Fest-Set wird nicht unbedingt mit der Familie genossen, denn Weihnachten ist hier vielmehr ein Tag für Pärchen oder Partys im Freundeskreis.
1970 ging KFC in die Offensive
Doch was ist der Hintergrund der Tradition? Im von Shinto und Buddhismus geprägten Japan ist die Geburt von Jesus kein grosses Ereignis. So oblag es den Firmen, den Feiertag mit Bedeutung zu füllen, um zumindest den Konsum-Teil von Weihnachten nach Japan zu bringen. Hier kommt KFC ins Spiel. Schon 1970 promotete eine Filiale ein spezielles Menü als Ersatz für den gebratenen Truthahn in den USA. Ab 1974 startete die «Weihnachten ist Kentucky»-Kampagne (クリスマスはケンタッキー Kurisumasu wa Kentakkii).
Diese hinterliess einen derart prägenden Einfluss, dass heute viele Japaner die Ursprünge des Brauchs nicht mehr kennen. Für sie ist es schlicht normal, an Weihnachten bei KFC vorbeizugehen. Die Kette macht in Japan rund 5 Prozent ihres Jahresumsatzes in den Tagen vom 23., 24. und 25. Dezember. Und dies, obwohl KFC auch unter dem Jahr enorm populär ist.
Der «Fluch des Colonel Sanders»
Japan ist nach China und den USA der drittgrösste Markt für KFC. Colonel Sanders, das Maskottchen der Kette, ist sogar Teil der japanischen Baseball-Mythologie. Weil die Fans der Hanshin Tigers eine der Statuen des KFC-Gründers bei der letzten Meisterfeier im Jahr 1985 in den Dotonbori-Kanal in Osaka warfen, habe die Mannschaft seit damals nie mehr die Japan Series gewinnen können, so der Glaube.
Nach dem Gewinn des Titels waren die Fans ausser sich vor Freude und sprangen in den Kanal. Weil sie den Sieg auch massgeblich einem weissen Spieler zu verdanken hatten, landete als dessen Platzhalter auch der Colonel im Wasser. Erst 2009 wurde die Statue geborgen. Doch weil die Brille und die linke Hand noch immer verschollen sind, ist der «Fluch des Colonel Sanders» bis heute nicht gebrochen.
Dieser Artikel wurde in der «Handelszeitung» veröffentlicht. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.handelszeitung.ch.
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