Der Übernahmehunger chinesischer Investoren in Europa ist ungestillt. Derzeit buhlt Anta Sports um den finnischen Rivalen Amer Sports. Der Hersteller von Wilson-Rackets, Salomon-Wanderschuhen und Atomic-Skiern könnte für 5,3 Milliarden Franken in chinesische Hände gehen.
Auch im Schienenfahrzeugmarkt greifen die Chinesen an: Stadler-Rail-Präsident Peter Spuhler (59) begründete im Oktober die Absage seines Comebacks in der Politik zu einem Teil mit der Firma CRRC, die die Konsolidierung in der Branche der Schienenfahrzeughersteller vorantreibe. Er sei als Stadler-Präsident «stark gefordert». Hinter den vier Buchstaben verbirgt sich ein chinesischer Staatsgigant. Der Bahnriese aus dem Reich der Mitte rollt gerade mit Dumping-Preisen den Markt auf.
Schweizer Firmen sind ebenfalls begehrte Übernahmeziele. Einverleiben möchten sich die chinesischen Investoren Industrieperlen aus dem Hightech-Bereich, Energie, Pharma und der Infrastruktur.
Meist dreistellige Millionen-Beträge
Eine Studie des Unternehmensberaters und Wirtschaftsprüfers EY hält fest: Acht grössere Schweizer Firmen wurden seit Anfang 2017 von Chinesen aufgekauft. Im Frühjahr traf es den Schuhhersteller Bally, der nun der Textil-Gruppe Shandong-Ruyi gehört. Der Kaufpreis soll über 670 Millionen Franken betragen haben. Zuletzt war die Swiss Education Group an der Reihe, ein Schweizer Netzwerk von privaten Hotelfach- und Gastgewerbeschulen. Neuer Besitzer ist die chinesische Beteiligungsfirma Summer Capital. Kaufpreis: unbekannt.
Hangzhou Great Star Industrial schlug im Thurgau zu. Der chinesische Werkzeughersteller schluckte im Juni für rund 192 Millionen Franken Lista Holding, einen Hersteller von Arbeitsplatzsystemen.
Fette Beute machte der intransparente chinesische Mischkonzern HNA im letzten Jahr mit Glencore Storage & Logistics. Transaktionsvolumen hier: 744 Millionen Franken. HNA übernahm zudem eine grössere Beteiligung am Reise-Detailhändler Dufry.
HNA spuckt grosse Töne im Reisegeschäft
Apropos HNA: Ihm gehören bereits der Airline-Caterer Gategroup (1,4 Milliarden Franken) und die Ex-Swissair-Töchter Swissport und SR Technics. Auch den Flughafen Zürich haben die Chinesen im Visier. Chef Stephan Widrig erzählt bei Treffen immer wieder gern, dass HNA schon mehrmals seinen Flughafen übernehmen wollte. Eine Klausel in den Statuten verhindert aber eine solche Übernahme.
Für die Milliarden-Einkäufe im Westen hat sich HNA mit Milliarden verschuldet. Nun leidet der Konzern unter Liquiditätsengpässen und versucht, so manche Beteiligungen wieder loszuwerden.
Am bekanntesten ist wohl ein Chem-China-Deal: Der Staatskonzern aus dem Reich der Mitte blätterte für den Basler Agrochemiemulti Syngenta über 41 Milliarden Franken auf den Tisch! Immer wieder ist von Stellenabbau und Personalwechseln die Rede, doch jeweils soll die Chem-China-Übernahme nicht der Grund dafür sein.
Chem China ist auch Eigentümer der traditionsreichen Maschinenbaufirma Netstal aus Näfels GL. Zusammen mit dem deutschen Mutterhaus liessen die Chinesen dafür etwas über eine Milliarde Franken springen.
Bei einer beliebten Schweizer Firma spricht man schon seit 2016 chinesisch. Der Frauenfelder Hersteller von Alu-Trinkflaschen, Sigg, ging für 16,1 Millionen Franken an die Firma Haers Vacuum Containers.
Chinesen lieben Luxus und Hotellerie
Auf Luzerner Luxusklasse hat es Yunfeng Gao abgesehen. Der chinesische Investor liess Ende 2015 für das Traditionshaus Palace 100 Millionen springen. Ihm gehören auch das Hotel Frutt Lodge & Spa in Melchsee-Frutt und der Europäische Hof in Engelberg.
Gemäss dem angelsächsischen «China Global Investment Tracker» pumpten chinesische Unternehmer von 2005 bis 2017 gegen 60 Milliarden Franken in Schweizer Firmen. Laut der «Handelszeitung» ist diese Transaktionssumme mit Vorsicht zu geniessen. Denn «getrackt» werden nur Übernahmen, bei denen lediglich an der Börse kotierte Firmen im Spiel sind. Zählt man die Transaktionen privater Unternehmen dazu, dürfte diese Zahl um einige Milliarden höher sein.