Warum Schweizer CEOs als Erstes Jobs abbauen
Neuer Chef? Fürchten Sie sich!

Fast alle neuen CEOs von Schweizer Konzernen bauen als Erstes Stellen ab. Es geht um Geld, Macht und Psychologie, sagen Ökonomen.
Publiziert: 30.09.2018 um 01:52 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:57 Uhr
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Novartis-Chef Vas Narasimhan ist seit Februar im Amt. Nun streicht er 2150 Stellen.
Foto: Keystone
Moritz Kaufmann

Gross ist Vas Narasimhan (42) in der Schweiz noch nicht in Erscheinung getreten. Seit dem 1. Februar ist der Amerikaner CEO beim Basler Pharma-Schwergewicht Novartis. Dann kam der vergangene Dienstag: Novartis kündigt einen Mega-Jobabbau an. 2150 Stellen werden gestrichen oder verlagert. Betroffen sind Standorte in der ganzen Schweiz. Allein am Hauptsitz Basel werden 1000 Angestellte rasiert.

Noch schneller schritt Fabrice Zumbrunnen (48) zur Tat. Seit Januar ist er Chef der Migros. Im Juni lancierte er ein erstes Sparprogramm: In der Migros-Zentrale in Zürich werden 290 Jobs gestrichen – jede neunte! Seither ist der Schweizer Vorzeige-Detailhändler auf Radikaldiät.

Neue Chefs, die als Erstes den Tarif durchgeben, indem sie Stellen streichen. Das hat bei Schweizer Grossunternehmen System. Ob Mario Greco (59) bei der Zurich-Versicherung (wollte 8000 Jobs ausradieren, ruderte dann aber zurück), Mark Schneider (53) beim Nahrungsmulti Nestlé (verlagerte unter anderem die ganze Nestlé-IT von Vevey VD nach Barcelona) oder Tidjane Thiam (56) bei der Grossbank Crédit Suisse (strich nach nur vier Monaten 1600 Arbeitsplätze).

Bonusanreize und Machtbedürfnisse killen Jobs

«Es gibt viele Studien, die nachweisen: Wenn ein neues Geschäftsleitungsmitglied kommt, ist der Downsizing-Druck gross», sagt Andreas Hack (48), Professor für Personalmanagement an der Uni Bern. Zum einen liege das an den Arbeitsverträgen. Der Verwaltungsrat gibt den neuen Chefs Leistungsziele vor. «Daran ist der Lohn geknüpft. Die CEOs haben also klare Anreize zu sparen.»

Wichtiger als der Bonus sind laut dem Wirtschaftswissenschaftler aber emotional-psychologische Dynamiken. «Topmanager haben ein sehr starkes Machtbedürfnis. Es ist erst einmal eine Machtaussage, wenn einer kommt und sagt: «Ich strukturiere jetzt um!»

Kommt hinzu, dass es einem neuen Chef leichter fällt, das Messer anzusetzen. «Auch wenn Manager nach aussen tough erscheinen: Entlassungen gehen ihnen nahe. Sie sind emotional betroffen, fühlen sich schlecht.» Neulinge seien unbelasteter. «Ein neuer Chef ist emotional viel weniger betroffen, wenn er Jobs abbauen muss», so Andreas Hack.

Neue Chefs suchen das Images von schnellen Entscheidern

Novartis-Chef Narasimhan ist eine interne Lösung. «Die Verlagerung von Service-Jobs wurde unter seinem Vorgänger Joe Jimenez vorbereitet», sagt Florian Keller (43), Dozent für Strategisches Management an der Zürcher Fachhochschule ZHAW. Offenbar suchte sich der Verwaltungsrat einen Vollstrecker, der den Laden kennt. «Der Verwaltungsrat holt sich die Person als CEO, die mit seinen strategischen Überlegungen am besten übereinstimmt.» Als neuer Chef werde man geradezu gedrängt, aufs Tempo zu drücken. «Globale Beratungsunternehmen geben den neuen CEOs mit, dass schnell einschreitende CEOs erfolgreicher sind als solche, die lange zuwarten», sagt Florian Keller.

Und was, wenn im eigenen Unternehmen ein Chefwechsel ansteht? Dann sollte man auf der Hut sein. «Wenn der Chef wechselt, muss man sich als Angestellter auf eine Restrukturierung gefasst machen.» Dies bedeute zwar nicht zwingend, dass Jobs abgebaut werden. Aber: «Die Wahrscheinlichkeit, dass sich etwas ändert, ist sehr hoch.»

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