Schweizer Warenhäuser schwächeln schon länger. Doch jetzt schlägt die Krise voll durch. Am Freitag sah sich die Migros zu einem radikalen Schritt genötigt: Sie lässt ihre Marken Schild und Herren Globus verschwinden und im Premium-Label Globus aufgehen. Die Migros ist überzeugt: Das mittlere Preissegment ist den Kunden zu bieder und unsexy.
Stéphane Maquaire, der neue Chef
Diese Analyse müsste Manor – der Inbegriff solider Schweizer Mittelklasse – aufschrecken. SonntagsBlick weiss: Auch bei der grössten Schweizer Warenhauskette brennts lichterloh. Stéphane Maquaire (42) ist das neue Gesicht der Manor-Gruppe. Knall auf Fall verdrängte der Elsässer Mitte Januar den langjährigen Chef Bertrand Jungo (51) vom Thron. Kaum im Amt, zog er die Notbremse: Im Gegensatz zu seinem Vorgänger bleiben bei ihm die Umsatzzahlen unter Verschluss.
Keine Pressekonferenz zum Antritt, keine Interviews: Wie so üblich in der Wirtschaftswelt wolle Maquaire erst nach den ersten 100 Tagen im Amt mit Journalisten sprechen, hiess es anfangs. Doch inzwischen ist der Franzose vier Monate im Amt. Zuletzt wurde SonntagsBlick mehrmals ein Gesprächstermin versprochen.
Am 8. Mai sollte schliesslich ein persönlicher Lunch mit dem neuen Chef inklusive Hintergrundgespräch stattfinden. Doch Manor liess den Termin platzen. Wiederum ohne einen Grund zu nennen.
Marketingchef und Unternehmenssprecherin kündigen
Liegt es daran, dass Ende April erneut ein Mitglied der Konzernleitung den Hut nahm? Kurz nach Jungo verliess Marketingchef Alex Sabbag (49) die Gruppe. Kürzlich hat nun auch Geschäftsleitungsmitglied Elle Steinbrecher ihre Kündigung eingereicht und das Unternehmen verlassen. Die Direktorin der Unternehmenskommunikation arbeitete seit 2007 in der Basler Zentrale und steuerte die öffentlichen Auftritte und Interviews von Ex-Chef Jungo.
Offenbar plant Maquaire, die Kommunikation an eine externe Firma auszulagern – um Kosten zu sparen. Manor widerspricht: «Die Kommunikationshoheit liegt unverändert bei Manor.» Wie diese Frage hätte SonntagsBlick beim versprochenen Treffen mit dem neuen Chef gerne viele weitere gestellt. Maquaire sollte die Gelegenheit erhalten, über Spekulationen und zugespielte Interna aus der Leitung der Warenhäuser Stellung zu nehmen.
Geringer Betriebsgewinn?
Zum Beispiel heisst es in einem anonymen Schreiben eines Warenhaus-Leiters an SonntagsBlick: «Manor-Kader haben so viel Druck, um unsere Umsatz- und Kostenziele zu erreichen, das ist schon fast unmenschlich.» Laut diesem fiel der Betriebsgewinn von Manor im letzten Jahr auf unter ein Prozent. Das Ziel einer Rendite von fünf Prozent blieb unerreicht. «Der aktuell schlechte Zustand ist auch der Grund, weshalb keine Zahlen mehr veröffentlicht werden», begründet der Informant das Schweigen.
Manor spult derzeit ein rigoroses Sparprogramm ab. Ausführlich berichtet der anonyme Warenhaus-Kadermann, wie er Kosten senkt. Er schäme sich, sei aber richtig froh, wenn ein älterer Mitarbeiter aufgrund eines groben Fehlers gehen müsse. Dann zögere er die Neubesetzung der Stelle so lange wie möglich hinaus und nehme dann einen jüngeren Ersatz. «So kann ich Kosten senken, und das zählt schlussendlich», schreibt er.
Aggressives Punktesammelprogramm
Auch hier beschwichtigt Manor: «Der Schweizer Detailhandel befindet sich in einer angespannten Phase. Dies verlangt auch von den Mitarbeitenden von Manor ein grösseres Engagement.» Dass die Identifikation mit dem Unternehmen leidet, zeigt ein Vorfall vergangene Woche: Eine Kundin kaufte in der Manor-Filiale an der Bahnhofstrasse Kaltwachsstreifen für Fr. 21.90. Auf dem Produkt prangte ein Preiskleber vom Konkurrenten Otto’s, der dieselbe Packung für Fr. 17.50 verkauft. Bei Manor ist dies niemandem aufgefallen.
Mit einem aggressiven Punktesammelprogramm versuchte Manor Stammkunden bei der Stange zu halten. Marketing-Expertin Adrienne Suvada (31) von der Zürcher Fachhochschule ZHAW zweifelt aber, ob das reicht: «Das grösste Problem der Warenhäuser ist ihre Mode-Sektion. Die jungen Kunden sind sehr markenaffin – und die Eigenmarken der Warenhäuser sind ihnen nicht cool genug.»