Bewerbungsgespräche sind out. Wege zu einem neuen Job werden immer abenteuerlicher. Wer sich beim neusten Trend von Personalabteilungen bewähren muss, braucht gute Nerven. Denn heute sperren Firmen Job-Kandidaten in Escape-Rooms, Fluchträume, ein. Für ein solches Auswahlverfahren kommen ein halbes Dutzend ausgewählter Kandidaten in einen geschlossenen Raum. Sie müssen in Rollenspielen, zum Beispiel als Detektiv, Zugpassagiere oder Häftling, einen Fall lösen, eine Bombe entschärfen oder einen Schatz retten – das unter grossem Zeitdruck und aufgezeichnet von Kameras.
Spielfieber entblösst das wahre Gesicht
Normale Einstellungsgespräche kann man trainieren, sagt der Geschäftsführer der Schweizer Firma Mystery-Rooms, Mike Kleist (44). «Doch im Spielfieber und unter Druck zeigt sich schnell das wahre Gesicht der Kandidaten.»
Mystery-Rooms, die in Interlaken BE, München (D), Frankfurt a. Main (D) und Essen (D) Escape Rooms betreibt, bietet solche Fluchtspiele in erster Linie als Freizeitvergnügen an. Doch sie erhält immer öfter auch Aufträge von Firmen, vor allem aus der IT- und Finanzbranche. Für Recruiting- und Team-Spiele arbeitet das Unternehmen laut Kleist mit einer Organisationspsychologin zusammen, die die Situationen für die Firmen analysiert. Für sie und die Personalverantwortlichen, die auf einem Bildschirm alles beobachten, sei es sehr aufschlussreich, Kandidaten von ihrer spontanen Seite zu erleben. Im Spiel kristallisierten sich die einzelnen Typen schnell heraus, weil sich die Teilnehmer in Kürze intuitiv verhielten.
Zum Beispiel, wenn es darum gehe, mittels Hinweisen einen Zahlencode zu knacken, zeigten sich Unterschiede zwischen handlungsorientierten Machern, Kopfmenschen, die analysieren, spontanen Kreativen oder Kommunikationsorientierten, die Strukturen schaffen oder die Führung übernähmen.
Gute Programmierer, Datenwissenschaftler und Softwareingenieure findet man nicht mit einem Stelleninserat. Roche sucht solche jungen Talente seit letztem Jahr mit einem aufwendig entwickelten Online-Spiel, dem Code4Life-Challenge. Für die erste Stufe des Spiels, das der Pharmariese international in sozialen Netzwerken bekannt macht, haben Interessierte sieben Tage Zeit, um mit Hilfe von Codes eine Diagnose erstellen und die richtigen Medikamente zu entwickeln. Zuletzt werden die besten drei Kandidaten zu Roche nach Basel eingeladen, wo sie mit Mitarbeitenden an Coding-Aufgaben arbeiten können. «Zielgruppengerechte Rekrutierung», nennt das Roche. Sie komme bei den jungen Talenten sehr gut an. Einen zufriedenen Eindruck machen zumindest die drei Gewinner des letztjährigen Coding-Wettbewerbs (siehe Bild).
Gute Programmierer, Datenwissenschaftler und Softwareingenieure findet man nicht mit einem Stelleninserat. Roche sucht solche jungen Talente seit letztem Jahr mit einem aufwendig entwickelten Online-Spiel, dem Code4Life-Challenge. Für die erste Stufe des Spiels, das der Pharmariese international in sozialen Netzwerken bekannt macht, haben Interessierte sieben Tage Zeit, um mit Hilfe von Codes eine Diagnose erstellen und die richtigen Medikamente zu entwickeln. Zuletzt werden die besten drei Kandidaten zu Roche nach Basel eingeladen, wo sie mit Mitarbeitenden an Coding-Aufgaben arbeiten können. «Zielgruppengerechte Rekrutierung», nennt das Roche. Sie komme bei den jungen Talenten sehr gut an. Einen zufriedenen Eindruck machen zumindest die drei Gewinner des letztjährigen Coding-Wettbewerbs (siehe Bild).
Aufregende Spiel-Selektion hilft Branding
Diese neue Art von Rekrutierung, Rekrutainment genannt, nutzen in der Schweiz etwa die Beratungsfirmen PWC und Accenture sowie die Credit Suisse.
PWC braucht Escape Rooms nicht nur, um Talente zu finden, sondern berät Unternehmen, die diese neuen Bewerbungsmethoden einführen wollen. PWC-Partner Charles Donkor beobachtet bei seinen Kunden eine starke Entwicklung hin zu kreativeren und ausgefallenen Rekrutierungsmassnahmen.
«Dahinter steht zum einen der Mangel an qualifizierten Talenten», sagt Donkor. Zum anderen suchten Unternehmen neue Wege, um die Stärken und Schwächen von Kandidaten besser einschätzen zu können. Und innovative Ansätze seien auch gefragt, um die eigene Arbeitgebermarke zu stärken.«Noch sind viele Unternehmen erst daran, Innovationen wie Escape Rooms zu testen», sagt Donkor.
Das Beratungsunternehmen EY Deutschland hat für seine Firmenkunden ein eigenes «Live Escape Game» entwickelt. Eine Anfrage, ob EY Schweiz dieses auch nutze, blieb unbeantwortet.
Über Escape-Room-Erfahrungen verfügt die Credit Suisse. «Die Grossbank hat in Kooperation mit der Uni St. Gallen Studenten zu einem Besuch in einem Escape Room eingeladen, um sie auf innovative Art anzusprechen und um ein besseres Gesamtbild der Kandidaten zu erhalten», sagt Credit-Suisse-Sprecherin Nicole Irion. Die junge Generation sei sehr interessiert, sich zu messen.
Angst vor dem Zufall im ernsten Spiel
Den grossen Zuspruch von Unternehmen an Escape Room Recruiting bemerkt auch der Geschäftsleiter von The Escape, Mirco Portmann (31). Firmen können seine Spielräume in Zürich und Bern als Teil ihrer Selektion buchen. Durchgeführt werden die Assessments aber von externen Experten. Portmann weiss also nicht, welche Kandidaten das Rennen machen.
Schweizer Escape-Room-Pionier Gabriel Palacios (41), Leiter der marktführenden AdventureRooms aus Bern, bietet für Firmen Team- und Weiterbildungsspiele an. Für eine harte Rekrutierung wolle er die Spiele nicht verwenden, so Palacios. «Im Spiel wollen wir nur einen positiven Stress und nicht, dass es darüber entscheidet, ob man einen Job kriegt oder nicht.»
Die Spiele seien ein sehr guter Test für die Teamfähigkeit. Allerdings gebe es auch Elemente, wo der Zufall mitspiele oder die man trainieren könne. Palacios kann sich vorstellen ein Spiel speziell für die Rekrutierung zu entwickeln, ohne solche Elemente.
Die Schweiz belegt einen globalen Spitzenplatz, was die Rekrutierung, Förderung und Beschäftigung von talentierten Fachkräften anbelangt. Das geht aus der gestern veröffentlichten Studie «World Talent Ranking» der Lausanner Kaderschmiede IMD hervor. Zu den besten Ländern gehört die Schweiz unter anderem in den Kategorien Ausbildungsplätze, hochqualifizierte ausländische Arbeitskräfte, Vergütungen in Dienstleistungsberufen und Management sowie Bildungssystem. Laut IMD bestätigt die Schweiz damit einmal mehr ihre Rolle als wichtige globale Talent-Drehscheibe. Im Gesamtranking steht hinter der Schweiz wie schon im Vorjahr Dänemark.
Die Schweiz belegt einen globalen Spitzenplatz, was die Rekrutierung, Förderung und Beschäftigung von talentierten Fachkräften anbelangt. Das geht aus der gestern veröffentlichten Studie «World Talent Ranking» der Lausanner Kaderschmiede IMD hervor. Zu den besten Ländern gehört die Schweiz unter anderem in den Kategorien Ausbildungsplätze, hochqualifizierte ausländische Arbeitskräfte, Vergütungen in Dienstleistungsberufen und Management sowie Bildungssystem. Laut IMD bestätigt die Schweiz damit einmal mehr ihre Rolle als wichtige globale Talent-Drehscheibe. Im Gesamtranking steht hinter der Schweiz wie schon im Vorjahr Dänemark.