Vor einem Monat empfahl Pascal Strupler (61), Chef des Bundesamts für Gesundheit (BAG), ein Kontaktdaten-Obligatorium für Gastronomiebetriebe. 14 Kantone führten es ein; in sieben müssen auch Kinobetreiber, Konzertveranstalter und Sportorganisatoren Name, Adresse, E-Mail und Telefonnummer ihrer Besucher registrieren.
Wie sie das tun, bleibt ihnen überlassen. Einige unternehmen gar nichts, andere legen Blöcke und Bleistifte auf. Manche Gäste notieren ihre Personalien, andere nicht. Viele machen unleserliche oder gar falsche Angaben.
Die Folge: Im Fall einer Corona-Infektion können unzählige Kontaktpersonen nicht ausfindig gemacht werden.
Deshalb ersetzen immer mehr Betriebe die chaotische Zettelwirtschaft durch ein digitales Check-in. Angebote gibt es zuhauf. Doch längst nicht alle gewährleisten den Datenschutz. Und in vielen Fällen müssen sich Gäste bei jedem einzelnen Besuch neu registrieren.
Riesen Wirrwarr
Das Ergebnis: Restaurantbesucher, Kinogänger und Sportfans ärgern sich über unprofessionelle Papierformulare und die Zahl diverser Gastro-Apps auf ihren Handys. Das Wirrwarr erschwert auch die Arbeit der kantonalen Contact Tracer, die angesichts steigender Fallzahlen ohnehin am Anschlag sind.
Klar ist: Digitale Lösungen sind Papierformularen überlegen. Sie reduzieren für alle Beteiligten den administrativen Aufwand und können die schnelle und sichere Erfassung der Personalien garantieren. Denn neben vielen ungenügenden gibt es auch überzeugende Angebote, unter anderen die Apps von Get-entry, SocialPass und Mindful. Sie sind für Gäste kostenlos, die Mindful-App ist es sogar für Betreiber.
Vorausgesetzt, sie werden schweizweit durchgesetzt und zentral verwaltet, könnten technische Lösungen wie diese dem Kontaktdaten-Chaos ein Ende bereiten. «Es wäre eine dringend nötige Erleichterung», sagt René Gerber (62), Generalsekretär bei Pro Cinema, dem Schweizerischen Verband für Kino und Filmverleih. «Das gilt nicht nur für die Veranstalter, sondern auch für die Gäste und die Contact Tracer.»
Das BAG hält sich raus
Doch BAG-Chef Strupler, der das Kontaktdaten-Obligatorium initiiert hat, will nichts davon wissen, sich an der Lösung der daraus resultierenden Probleme zu beteiligen. Dazu sei ein neues Gesetz notwendig, lässt das BAG ausrichten. Es will einzelne Applikationen weder betreiben noch empfehlen.
Der Markt soll und muss es also wieder einmal selbst richten. Eine zentrale Rolle spielen grosse Player wie McDonald’s. Der Fast-Food-Riese empfängt in der Schweiz täglich rund 300'000 Gäste. In seinen Filialen in Zürich und zwei Restaurants in Genf nutzt McDonald's Schweiz die Mindful-App und sammelt Erfahrungen mit weiteren Anbietern. «Wir sehen bei unseren Gästen, dass die digitale Registrierung einfacher ist als mit Papier und beobachten die weitere Entwicklung», so McDonald's Schweiz.
Auch viele Sportvereine, in denen jetzt die Meisterschaften starten, regeln den Einlass in ihre Stadien digital. Marco Di Palma (55) ist Finanzchef des Lancy FC. Mit 45 Mannschaften und 1200 Spielern ist der Genfer Verein der grösste Fussballklub der Schweiz. Er setzt ebenfalls auf die Mindful-App. «Wir nutzen sie in Trainings und Spielen. So können wir den Einlass der Besucher nachhaltig vereinfachen und beschleunigen.»
Die Zeit wird knapp
Di Palma hofft auf eine einheitliche Lösung: «Es besteht die Gefahr einer Vielzahl von Apps an diversen Veranstaltungen, was zu einem unüberschaubaren Durcheinander führt.»
Die Zeit drängt. In einem Monat sind wieder Grossveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen erlaubt. Ob das Kontaktdaten-Chaos bis dann beseitigt ist, steht in den Sternen. Klar ist nur: Der Bund will damit nichts zu tun haben.