Vontobel ordnet ein
Wie Ueli Maurer das grosse Ganze sieht

Reicht das Geld in der Bundeskasse für die Corona-Schäden? Gute Frage, aber wir stellen eine bessere, schreibt Wirtschaftsexperte Werner Vontobel.
Publiziert: 24.01.2021 um 16:21 Uhr
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Aktualisiert: 27.02.2021 um 10:49 Uhr
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Wirtschaftsexperte Werner Vontobel.
Foto: Paul Seewer
Werner Vontobel

Bundesrat Ueli Maurer ist sauer auf die Journalisten: «Mich frustriert es, dass Sie sich um die kleinen Dinge kümmern, die den Leuten auch weh tun, aber da grosse Ganze verlieren Sie aus den Augen.» Damit meint er die Bundesfinanzen. Die 30 bis 40 Milliarden Franken Defizit, die am Schluss wohl in seiner Kasse hängen bleiben.

Doch Maurer regt ich zu unrecht auf: Was die Auswirkungen der Pandemie auf die Staatskassen betrifft, gibt es kein Detail, dass von den Medien nicht hundertfach ausgeleuchtet worden ist. Wir wissen, dass die Staatsschulden vor der Pandemie knapp 26 Prozent des BIP ausgemacht hat und wohl leicht über 30 Prozent steigen werden. Klar ist auch, dass die eh sehr geringen Zinsausgaben dadurch nicht steigen werden.

Das tut den kleinen Leuten weh

Soweit zu dem, was Ueli Maurer als das grosse Ganze sieht. Doch was ist mit den Dingen, die den kleinen Leuten weh tun? Etwa den Gastronomen? Dazu gibt es keine aktuellen Zahlen, aber die von 2018 lassen nichts Gutes erahnen: Der Verschuldungsrad lag bei 72 Prozent der Wertschöpfung, dem BIP der Branche. Der Reingewinn betrug schwache 1,6 Prozent des Umsatzes und das Eigenkapital lag bei 30 Prozent der Bilanzsumme. Damit hat die Branche in etwa die Kreditwürdigkeit eines Entwicklungslandes.

Das war vor den Lockdowns und vor den Kosten für das Corona-Konzept. Zusammen dürfte das die Branche etwa 40 Prozent eines Jahresumsatzes kosten. Von diesem entfallen je etwa ein Drittel auf die Personalkosten (die der Staat zu etwa 75 Prozent übernimmt), die variablen Waren-Kosten (die man zu 90 Prozent auf die Lieferanten abwälzen kann) und auf die Fixkosten. Für letztere hat Ueli Maurer 17,5 Milliarden an Krediten und 2,5 Milliarden à-Fonds-perdu-Beiträge bereit gestellt. Aus diesem Topf werden auch die Fixkosten der Gastronomen gedeckt, wovon rein rechnerisch 87,5 Prozent durch Kredite.

Beizer verliert 13 Prozent des Umsatzes

Rechnet man das alles zusammen, verliert der durchschnittliche Beizer etwa 13 Prozent des Jahresumsatzes, wovon gut 10 Prozent durch einen Gratiskredit finanziert werden. Damit schrumpft das eh kümmerliche Eigenkapital auf etwa einen Drittel und die Verschuldung steigt auf weit über 100 Prozent der Wertschöpfung. Zugegeben, das sind nur grobe Schätzungen, aber sie machen klar, dass die Sorgen des grossen Ganzen bei weitem nicht so sehr drücken, wie die der kleinen Leute. Da jammert jemand auf Vorrat.

Doch werfen wir noch einen Blick auf das ganz grosse Ganze, nämlich die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung, die Buchhaltung aller Schweizer. Auch da haben wir nicht die neuesten Zahlen, aber es zeichnet sich ab, dass der private Konsum im vergangenen Jahr coronabedingt um 8 Prozent oder um gut 30 Milliarden geschrumpft ist. Wir alle haben – notgedrungen – weniger ausgegeben. Die meisten von uns – die Rentner, die Angestellten der nicht betroffenen Branchen – aber haben gleich viel verdient, und entsprechend mehr gespart. Insgesamt dürften die Ersparnisse dieser glücklichen Mehrheit von den «normalen» 75 auf gegen 100 Milliarden Franken gestiegen sein.

Corona-Suppe auslöffeln

Im starken Kontrast dazu sollen sich die, die unsere Corona-Suppe auslöffeln müssen, nach den Plänen des Bundesrats um mindestens 17 Milliarden Franken beim Staat (d.h. bei der glücklichen Mehrheit) verschulden und zudem noch ihre letzten Ersparnisse anknabbern.

So sieht es aus, wenn man sich mal nicht nur die eigenen Bundesfinanzen kümmert, sondern das ganz grosse Ganze betrachtet und zu beziffern versucht.


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