Vontobel ordnet ein
Darum subventioniert die Nationalbank die Sparer

Rechnet man die Spesen mit, müssen inzwischen auch Kleinanleger fürs Sparen bezahlen. Ist das normal? Ja klar! Denn es gibt viel zu wenige Schuldner für die Sparwütigen.
Publiziert: 12.11.2019 um 13:30 Uhr
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BLICK-Kolumnist Werner Vontobel hat eine etwas andere Sicht auf die Sparwut der Schweizer.
Foto: Paul Seewer
Werner Vontobel

Die Meldung, dass die Postbank für Einlagen ab 250'000 Franken einen Strafzins – und zwar gleich von 1 Prozent – verlangt, hat Schlagzeilen gemacht und für Empörung gesorgt. Verständlich. Wir empfinden es als ungerecht, dass man für Verzicht nicht belohnt, sondern bestraft wird.

Wer sein Geld heute auf die hohe Kante legt, soll sich später dafür mehr oder mindestens gleich viel leisten können. Vorräte anzulegen ist schliesslich eine Tugend und muss belohnt werden. Oder etwa nicht?

Sparen ist Konsumverzicht

Eigentlich schon, aber der wichtigste Lohn des Sparens besteht in der zeitlichen Verschiebung des Konsums. Statt noch mehr zu essen, wenn man eh schon satt ist, kann man den Tisch auch erst dann decken, wenn man sonst verhungert wäre.

Das lohnt sich selbst dann, wenn man erst Lagerhallen bauen und diese bewachen muss, und wenn die Vorräte allmählich schrumpfen. So gesehen, waren negative Sparzinsen schon immer die Regel.

Heute geht Sparen ein wenig anders. Wir sparen nicht mehr indem wir Vorräte aufbauen, sondern indem wir anderen einen Kredit gewähren. Jeder Sparer ist also darauf angewiesen, dass sich ein anderer an seiner Stelle verschuldet.

Wer heute spart, um erst morgen zu konsumieren, braucht einen, der heute fremdes Geld konsumiert oder in Fabriken oder Lagerhallen investiert. Ohne Schuldner keine Sparer.

Es wird zu viel gespart

Seit einigen Jahrzehnten ist es nun aber zunehmend so, dass immer mehr Wirtschaftsakteure sparen wollen. Die Firmen, weil ihre Gewinne die nötigen Investitionen übersteigen. Die reichen Haushalte, weil sie mit konsumieren und Geld ausgeben nicht nachkommen, die ärmeren Haushalte, weil sie Reserven für noch schlechtere Zeiten anlegen wollen.

Bei einem solchen Sparüberhang sind negative Zinsen normal. Die Sparer sind dringender auf einen Schuldner angewiesen als umgekehrt. Wer spart, sorgt nur dafür, dass die Gefahr der Arbeitslosigkeit steigt. Denn anstatt das Geld in neue Maschinen oder Fabriken zu stecken, wird es auf die hohe Kante gelegt. Deshalb wäre es volkswirtschaftlich schädlich, die Sparer auch noch zu belohnen.

SNB als Schuldner in der Not

Nationalbankpräsident Thomas Jordan weist denn auch immer wieder darauf hin, dass die Negativzinsen nicht von der Nationalbank gemacht werden. Diese sorgt – was er allerdings nicht offen sagt – im Gegenteil dafür, dass die Zinsen nicht noch weiter sinken.

Die SNB ist der Schuldner in der Not für alle, die keinen besseren Schuldner gefunden haben. Ein Negativzins enteignet die Sparer nicht, sondern er subventioniert sie. Sie müssten ihr Geld sonst zu einem noch negativeren Zins oder sehr viel riskanter anlegen.

Klar, die SNB kann ihren Zins frei verändern und tut dies auch immer wieder mal. Ein Viertel mehr oder weniger liegt allemal drin. «Zinsentscheide» sind für die Medien deshalb immer wieder ein Grossereignis.

Die Welt schwimmt schon länger im Geld

Das ist wohl auch der Grund, warum sich folgende Mär zur konventionellen Wahrheit verdichtet hat: Die Zentralbanken senken einseitig die Zinsen, enteignen damit die Sparer, überschwemmen die Märkte mit Liquidität und befeuern so einen Immobilienboom, der die Reichen (Investoren) noch reicher und die Armen (Mieter) noch ärmer macht.

Falsch! Die Liquiditätsschwemme war schon da, bevor die Zentralbanken die Zinsen gesenkt, beziehungsweise die allgemeine Zinssenkung nachvollzogen haben.

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