Philipp Hildebrand (52), früherer Chef der Schweizerischen Nationalbank (SNB), lebt heute in London. Das hindert ihn nicht daran, die Schweiz zu kritisieren.
«Die Schweiz wird den Wunsch nach einer Begrenzung von Einwanderung aus der EU und das aktuell gültige Verhältnis zur EU nicht unter einen Hut kriegen», sagt der Banker im Gespräch mit der «Frankfurter Allgemeine Zeitung». Das Volk werde sich ein weiteres Mal die Kernfrage stellen müssen: Mehr oder weniger offenes wirtschaftliches Verhältnis zur EU oder einseitige Begrenzung der Zuwanderung.
Auch mit dem Verlauf der Brexit-Debatte in seiner Wahlheimat England ist Hildebrand unglücklich: «Von Befürwortern in Grossbritannien wird gelegentlich die Schweiz als Vorbild genannt.» Das sei ein absurder Vergleich. «Die Schweizer Konstellation zur EU wäre für Grossbritannien vollkommen ungeeignet», glaubt der Vizepräsident des Vermögensverwalters Black Rock.
Hildebrand steht hinter der EZB
Für Gegner der lockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat Hildebrand kein Verständnis. «Die Inflationsrate liegt in der Eurozone unter der Zielmarke, und die Arbeitslosigkeit ist sehr hoch», so der frühere SNB-Chef.
Doch dass es der Notenbank schwerfalle, ihre Ziele zu erreichen, sei kein Grund, die Arbeit einzustellen: «In einer solchen Situation kann eine Notenbank nicht einfach aufhören, eine expansive Geldpolitik zu betreiben, auch wenn die Wirksamkeit ihrer Instrumente nachlassen mag.»
Geldpolitik wird alleine gelassen
Auch unsere nördlichen Nachbarn stehen in der Kritik: «In Deutschland sollte man sich weniger mit der Frage befassen, warum die EZB ihre Geldpolitik so expansiv betreibt», so der Banker. «Man sollte sich eher fragen, warum die EZB alleingelassen wird. Denn je länger die Geldpolitik alleine gelassen wird, umso höher wird die Gefahr für Populismus».
Hildebrand war vor Thomas Jordan Präsident der Schweizerischen Nationalbank. Unter seiner Führung wurde die Franken-Euro-Untergrenze 2011 eingeführt. (bam)