Videospiele
Tausende Pokémon-Jäger in der Schweiz sind Fluch und Segen zugleich

Die Jagd nach Pokémon ist auch in der Schweiz zum Breitensport geworden. Die einen halten die Suche nach den Taschenmonster von Nintendo für ein sinnvolles Freizeitvergnügen, die andern ärgern sich über negative Auswüchse von «Pokémon GO».
Publiziert: 28.07.2016 um 18:00 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2018 um 00:47 Uhr
Die papierene Anleitung zu einer virtuellen Schatzsuche: Am Berner Casinoplatz lassen sich die abgebildeten Pokémon finden.
Foto: Sebastian Gänger, sda

Es ist Donnerstag, kurz nach 14 Uhr, in Bern scheint die Sonne. Am Casinoplatz kreuzen sich wie immer Trams und Busse, der Poller zur Altstadt geht hoch und runter, doch etwas ist anders als sonst. Vor dem Kultur Casino tummeln sich nicht Fans von klassischer Musik oder Gourmets herum, sondern rund hundert junge Leute mit ihrem Smartphone plus zusätzlichem Akku.

Sie starren auf ihr Handy, streifen scheinbar ziellos über den Platz und wischen immer wieder hektisch über das Display. Zuoberst auf der Prioritätenliste steht das Suchen nach virtuellen Monstern, die auf Namen wie Bisasam, Glurak, Pikachu oder Parasek hören. Diese hinterlassen seit Tagen auch in der Schweiz ihre Spuren.

Weniger als zwei Wochen nach dem Start von «Pokémon GO» hat sich schon manch einer eine Meinung über den neusten Hype gemacht. «Achtung, Sie betreten eine Pokémon-freie Zone!», beschriften einige ihr Grundstück oder Lokal. Doch die Spieler haben auch Freunde: «Wir sind ein Pokéstop, wenn eure Füsse vom vielen Laufen wehtun, könnt ihr euch hier gerne entspannen und dabei eure Akkus laden, schnappt sie euch alle!»

Wer als Händler oder Gastronom ein Pokémon zufällig vor das Geschäft gesetzt bekommen hat, darf sich über potenzielle Kunden freuen. Sich als Unternehmen einen Pokéstop, der viele Spieler anzieht, zu kaufen, ist derzeit jedoch nur schwer möglich. McDonald's hat sich offenbar weltweit einige tausend Pokéstops gesichert. Für kleine Unternehmen gibt es diese Option derzeit noch nicht.

Doch die Spielwut hat auch seine Schattenseiten. Viele öffentliche und private Einrichtungen klagen über vermehrten Abfall. Verschiedene Kantonspolizeien warnen über «einen sonst kaum erreichbaren Ablenkungsgrad» im täglichen Verkehr, der das Spiel hervorruft. Hinzu komme, dass die Leute durch die verstärkte Unachtsamkeit ein leichtes Opfer für Kriminelle, beispielsweise für Taschendiebe, darstellten.

Die Suva warnte sogar vor «Pokémon GO». Zwar seien Gamer dank des Spiels an der frischen Luft und spulten Kilometer um Kilometer zu Fuss ab. Die Unfallversicherung warnte aber vor Stolperfallen auf der Monsterjagd.

Davon lassen sich viele nicht beeinflussen. Die Zahlen sind eindrücklich: Weltweit wurde das Smartphone-Spiel bisher mehr als 75 Millionen Mal heruntergeladen. «Pokémon GO» funktioniert mit der sogenannten «Augmented Reality»-Technik. Dabei nimmt die Handykamera die echte Umgebung auf und blendet dann die Pokémon-Monster am Bildschirm ein, die von den Spielern gefangen werden müssen.

Für US-Pädagogen ist das Spiel nicht nur Zeitvertreib, sondern auch lehrreich. Denn bei ihrer Monstersuche stolperten insbesondere junge Spieler über Gedenksteine, Plaketten und Denkmäler, von denen sie sonst keine Notiz genommen hätten.

Manche der Spieler halten sich an diesen sogenannten Pokéstops nicht länger auf als notwendig, also nur so lange sie brauchen, um dort Spielgegenstände wie Bälle für den Kampf gegen das nächste Pokémon einzusammeln.

Doch bei anderen schärft das GPS-gestützte Spiel mit seiner erweiterten Realität das Bewusstsein für die Geschichte und die Geografie ihrer Umgebung. Nicht zuletzt kommt es auch zu kuriosen Situationen, wie ein angefragter ETH-Absolvent zu berichten weiss: «Gerade eben tummelt sich ein Postdoc-Student im Labor und sucht ein Pokémon.»

http://www.pokemongo.com

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