Die Postauto-Sparte der Schweizerischen Post hat den Steuerzahler um mehr als 78 Millionen Franken betrogen. Mit einem buchhalterischen Trick verlangte das Unternehmen mit den gelben Bussen von Bund und Kantonen viel zu hohe Subventionen.
Am Dienstag spielte Post-Chefin Susanne Ruoff (60) den Skandal herunter. «In einer Ecke der Postauto AG ist etwas Unrechtes geschehen», sagte sie wörtlich und behauptete, sie habe erst im November 2017 von den Mauscheleien erfahren. Doch nun belegen interne Dokumente, die BLICK vorliegen, dass Ruoff bereits seit August 2013 von Problemen Bescheid wusste.
Susanne Ruoff war seit Jahren im Bild
Eine Aktennotiz der Post vom 21. August 2013 zeigt klar: Die damalige Führungsspitze – Peter Hasler (71) als Verwaltungsratspräsident und Susanne Ruoff als Post-Chefin – wurde von der internen Revision darauf aufmerksam gemacht, dass «der Wertezufluss punktuell nicht eingehalten wird, was in bestimmten Fällen zu Quersubventionierung zu Lasten des öffentlich finanzierten Geschäfts führt».
Mit anderen Worten: Ruoff, die seit 1. September 2012 Konzernleiterin ist, und der damalige Post-Präsident wussten seit 2013 davon, dass «Kostenumbuchungen zu Lasten öffentlich finanzierter Verkehr» vorgenommen wurden, also getrickst wurde, um Subventionen zu erhalten. Die Umbuchungen seien von der Geschäftsleitung Postauto verabschiedet worden. Sie betrugen im Jahr 2011 rund 11 Millionen Franken und im darauffolgenden Jahr 19 Millionen Franken.
Die Revisoren warnten: Der vom Bund genehmigte Wertefluss werde mit den Umbuchungen «übersteuert». Und weiter: «Die Geschäftsleitung von Postauto ist sich des Risikos bewusst, sieht aber in Anbetracht der für Postauto definierten Gewinnziele zur Zeit keine andere Möglichkeit.»
Man suche mit dem Managementbereich Finanzen und der Konzernleitung nach einer Lösung. Gemäss dem Papier bestand für den Verwaltungsrat damals «kein Handlungsbedarf».
Der vor die Tür gesetzte Postauto-Chef hatte jahrelang gewarnt
In einem zweiten Papier vom 28. Dezember 2017, das BLICK ebenfalls vorliegt und das an den heutigen Verwaltungsratspräsidenten Urs Schwaller (65) ging, ist ebenfalls festgehalten, dass bei der Konzernleitungsklausur vom 1. bis 3. Mai 2013 die nun beanstandete «Gewinnsicherung» thematisiert wurde.
In diesem Papier schildert der von Ruoff in die Wüste geschickte Postauto-Chef Daniel Landolf (58) die von BLICK publik gemachte Problematik, dass die Post Gewinnziele für ihre Geschäftsbereiche vorschreibt. Auch für die Postauto AG, welche fast nur im regionalen Personenverkehr Gewinne erzielen kann. Diese sind aber gemäss Bundesamt für Verkehr (BAV) gesetzeswidrig. Auf diesen «Zielkonflikt» habe er seit Jahren hingewiesen, so Landolf im Papier. Die Praxis sei im Konzern «bekannt» und «akzeptiert» gewesen.
Post sagt: «Zielkonflikte und illegales Handeln sind Zweierlei»
Mit den Recherchen konfrontiert, lässt die Post-Chefin gestern Abend schriftlich ausrichten: «Wir müssen klar differenzieren. Zielkonflikte und illegales Handeln sind zweierlei», so Sprecherin Léa Wertheimer. Dass es Probleme gebe, habe man gewusst. Aber dass es im Regionalverkehr «zu illegalen fiktiven Umbuchungen kam, wussten weder die Konzernleitung noch die jeweiligen Verwaltungsratsprädidenten».
Was auffällt: Am Dienstag hielt Ruoff den Ball flach und sprach von «nicht gesetzeskonformen Verrechnungen». In der schriftlichen Stellungnahme sind es jetzt «illegale, fiktive Umbuchungen». Was zur Frage führt: Will die Post die Handlungen der geschassten Postauto-Spitze plötzlich möglichst schwerwiegend darstellen, um die eigenen Verfehlungen weniger schlimm aussehen zu lassen?
200'000 Einzelbuchungen
Denn ungefragt nennt die Post-Sprecherin auch gleich ein besonders verwerfliches Beispiel, wie beschissen wurde: «Postauto hat auf einzelnen Linien Kosten für Pneus verbucht, die fiktiv waren und hat im Gegenzug einen Erlös in der Sparte 'Übriges' gebucht.» Ebenfalls neu: Insgesamt habe es rund 200'000 solcher Einzelbuchungen gegeben.
Die BLICK-Recherchen haben die Post aufgeschreckt: Teil der laufenden Untersuchung seien «selbstverständlich auch die Ihnen vorliegenden Dokumente.»