Die SBB rollen im Krisenmodus: Die neuen Wackeldoppelstöcker von Bombardier erbringen nicht die versprochene Leistung. Es fehlt an Zügen. Und es fehlt an Lokführern für das bestehende Rollmaterial. Das Personal muss massiv Überstunden schieben. Erste Burnout-Fälle werden bekannt. Über all das hat BLICK in den letzten Wochen immer wieder berichtet.
Trotz in die Wege geleiteter Reorganisationen spitzt sich die Lage bei der Bundesbahn weiter zu. Frustrierte und besorgte Bähnler haben das Vertrauen ins Management um CEO Andreas Meyer (58) verloren.
Besonders nach dem tragischen Tod des Zugbegleiters Bruno R.* (†54) Anfang August. Er wurde von einer defekten Zugtür eingeklemmt und mehrere Kilometer mitgeschleift. Die SBB starteten daraufhin eine gross angelegte Untersuchung.
Jetzt schaltet sich Monika Ribar (60) ein. Das zeigt ein Einblick in interne Dokumente der SBB, die BLICK vorliegen. Darunter sind Einsatzpläne, Stundenabrechnungen und E-Mail-Konversationen. Ein E-Mail-Wechsel belegt, dass SBB-Präsidentin Ribar in die Aufarbeitung der Geschehnisse involviert ist. Demnach haben sich in der letzten Woche diverse Mitarbeiter bei ihr gemeldet. Sie berichten von ihrem alltäglichen Frust. Von Monaten, in denen sie bis zu zwei Wochen Überzeit akkumuliert haben. Noch gravierender aber: Lokführer schreiben Ribar von defekten Zügen und Fast-Kollisionen. Ein Unfall sei nur eine Frage der Zeit, heisst es.
Sicherheitsrisiko Zug
Die Liste der Mängel ist lang. Brandmeldeanlagen sollen ausgeschaltet sein. Fahrzeuge mit Bremsproblemen fahren offenbar «tageweise» herum. Dokumentiert sind Probleme in Basel und ein defektes Bremsventil in Zürich. In einem Fall, der offenbar schon einige Jahre zurückliegt, sollen monatelang Züge unterwegs gewesen sein, von denen man wusste, dass ihre Bremsen bei gewissen Wetterverhältnissen schlecht funktionierten. Mehrere Lokführer hatten sich damals beklagt. Sie fanden lange kein Gehör.
Das sind schwere Vorwürfe, mit denen sich Ribar konfrontiert sieht. Die SBB wehren sich: «Sicherheit hat oberste Priorität», sagt Sprecher Olivier Dischoe. «Sind sicherheitsrelevante Komponenten nicht betriebsfähig, fährt der Zug nicht», heisst es ganz allgemein. «Die Brandmeldeanlagen funktionieren einwandfrei und haben keine Störungen, sonst würden diese Züge nicht verkehren», sagt Dischoe mit Bezug auf die Cisalpino-Flotte. Eine einzige Störung sei «vor wenigen Wochen» bei einem Testfahrzeug festgestellt worden – auf einer nicht kommerziellen Fahrt.
«Die Sicherheit ist stets gewahrt», versichert der Sprecher. Die Fahrzeuge würden, wenn sie im Betrieb seien, von einem Kontrollraum aus in Echtzeit überwacht.
Damit widerspricht die Presseabteilung Informationen von Lokführern aus den eigenen Reihen.
Ribar schaut Meyer auf die Finger
Bestätigt wird allerdings das Engagement von Ribar. Die Präsidentin hat den Leiter der internen Revision, beauftragt, bei der Aufarbeitung aller gemeldeten Probleme mitzuarbeiten. Ribars rechte Hand arbeitet auch bei anderen Themen eng mit ihr zusammen. In seiner Funktion nimmt er teil am Prüfungsausschuss des Verwaltungsrats.
Diese Kommission behandelt alle Geschäfte in den Bereichen Rechnungslegung, Steuern und Versicherungen. Der Leiter der Revision sitzt auch am Tisch, wenn es um die Top-Risiken des Konzerns geht. Folglich auch jene, wo das Wohl des Personals oder der Fahrgäste in Gefahr ist.
Die interne Revision arbeitet unabhängig von der operativen Leitung des Konzerns, also unabhängig von CEO Meyer und seiner Entourage. Der Leiter rapportiert direkt an Ribar. Er wirkt bei der neuen Taskforce, intern Sicuro genannt, mit. Diese wurde vor zwei Monaten nach dem Tod des Zugbegleiters gegründet und kümmerte sich anfänglich lediglich um die Tür-Probleme.
Mittlerweile hat sie den Fokus massiv ausgeweitet. «Innerhalb von Sicuro werden auch sämtliche Hinweise von Mitarbeitenden zu Sicherheitsthemen bearbeitet, die seit dem Unfall gemeldet wurden», bestätigt der SBB-Sprecher. «Meldungen, die direkt an Monika Ribar gehen, fliessen in diesen Prozess mit ein.»
Ein Teilaspekt der Sicuro-Arbeitsgruppe sei es, das interne Meldewesen zu überprüfen. «Der Auftrag von Monika Ribar an die interne Revision ist, diesen Teilaspekt prozessual zu begleiten», so Dischoe.
Was sagt das Bundesamt für Verkehr zu den neuen Informationen von BLICK? Nicht viel. Zu einzelnen Vorfällen nimmt die Behörde keine Stellung. Ein Sprecher hält fest: «Die Sicherheit im öffentlichen Verkehr ist auf einem sehr hohen Niveau.»
*Name der Redaktion bekannt