Versicherungslobby versteckt dreiste Fallen in neuem Gesetz
Riesenkrach ums Kleingedruckte

Ein neues Gesetz enthält riskante Bestimmungen für Versicherte. Wer nicht aufpasst, erhält zum Beispiel bei einem Brand gar nichts mehr.
Publiziert: 04.05.2019 um 23:41 Uhr
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Aktualisiert: 09.05.2019 um 11:47 Uhr
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Ein neues Versicherungsgesetz enthält riskante Passagen für Versicherte.
Foto: Getty Images
Moritz Kaufmann
Moritz KaufmannWirtschaftsredaktor

Kaum jemand liest das Kleingedruckte. Man geht einfach davon aus, dass schon passt, was da drin steht.

Derzeit aber ist in Bundesbern ein Gesetz in der Mache, das die winzigen Buchstaben brandgefährlich macht, das sogenannte Versicherungsvertragsgesetz. Kommende Woche debattiert der Nationalrat in einer Sondersession darüber. Konsumenterschützer rüsten zum letzten Gefecht.

Eine Überarbeitung ist dringend nötig, die erste Version des Gesetzes stammt aus dem Jahr 1908. Doch Experten und Konsumentenschützer sind sich einig: In der aktuell vorgesehenen Form geht das nicht: «Wir können nicht alle Recht studieren, nur um Verträge abzuschliessen!», nervt sich Prisca Birrer-Heimo (60). Die SP-Natio­nalrätin ist auch Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz. In deren Namen wird morgen Montag ein Katalog von zwölf Artikeln des neuen Versicherungsvertragsgesetzes an alle Parlamentarier geschickt, die geändert werden müssen – oder verschwinden.

Nur Versicherungen dürfen Vertrag anpassen

Zum Beispiel Artikel 6, Absatz 3. Der hätte, wird der Entwurf Gesetz, bei einem Brand verheerende Folgen. Angenommen, ein Versicherter gibt fälschlicherweise an, dass Fundament seines Hauses bestehe aus Holz statt aus Stein. Brennt dann die Immobilie nieder, kann sich die Versicherung weigern, auch nur einen Rappen zu zahlen – gleichgültig, ob die falsche Angabe absichtlich oder irrtümlich gemacht wurde.

Die Stiftung für Konsumentenschutz verlangt, dass die Versicherung in diesem Fall zumindest so viel bezahlt, wie wenn das Fundament tatsächlich aus Stein gewesen wäre. Denn der Versicherte hat die Prämien ja bezahlt!

Noch riskanter ist Artikel 35. Er soll im Gesetz verankern, dass Versicherungen die Vertragsbedingungen jederzeit anpassen können – und zwar nur sie! Birrer-Heimo fordert ein komplettes Verbot einseitiger Vertragsanpassungen. Sie sagt aber auch: «Selbst wenn Artikel 35 – der schlimmste Artikel – es nicht schafft, ist das Gesetz immer noch ungerecht. Ein, zwei Zugeständnisse reichen nicht.»

«Offene Türen» für Versicherungslobby

Wie ist ein solcher Entwurf überhaupt ins Parlament gelangt? Bundesbern doktert schon lange an ­einer Neufassung herum. Die erste Version, so Birrer-Heimo, sei einigermassen ausgewogen gewesen: «Aber dann kams zum Departementswechsel und die Versicherungslobby hatte offene Türen.» Die Nationalrätin zielt auf Ueli Maurer (68), der das Finanzdepartement 2016 von Eveline Widmer-Schlumpf (63) übernahm.

Der Schweizerische Versicherungsverband freilich findet das neue Gesetz «angemessen». Versicherte genössen in der Schweiz einen hohen Schutz.
Prisca Birrer-Heimo wiederum kündigt an, den vorliegenden Entwurf zu bekämpfen bis zum Schluss: «So etwas können wir nicht schlucken. Wenn das Gesetz so durchgeht, bleibt nichts anderes als das Referendum.»

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