Versicherte müssen Anlagerisiken künftig selber tragen
Axa lässt KMU im Regen stehen

Vollversicherungen bietet der Versicherer Axa ab nächstem Jahr nicht mehr an. Dieser radikale Schritt trifft vor allem kleine und mittlere Unternehmen, kurz KMU. Auf sie kommen grosse Veränderungen zu.
Publiziert: 11.04.2018 um 14:33 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 04:45 Uhr
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Fabrizio Petrillo, CEO der AXA Versicherungen.
Foto: zvg
Julia Fritsche

Radikale Umstellung bei der Axa: Der grösste Schweizer KMU-Versicherer setzt bei der beruflichen Vorsorge (BVG) in Zukunft ganz auf teilautonome Lösungen. So verabschiedet sich der französische Konzern per Anfang 2019 von der Vollversicherung, wo neben Risiken wie Alter, Tod und Invalidität auch das Anlagerisiko gedeckt ist.

Das teilautonome Modell sei für die Kunden «flexibler, fairer und attraktiver», preist Fabrizio Petrillo (49), CEO der AXA Schweiz, die Umstellung. Zudem sollen die Kunden rund 30 Prozent weniger Risikoprämien zahlen.

Kosten sind schwer einzuschätzen

Für die KMU, die den Hauptteil der Axa-Kunden ausmachen, steigen mit der Umstellung aber der Aufwand und das Risiko. «Für das Kleinunternehmen mit drei Angestellten war die Vollversicherung zwar teurer, aber dafür war der administrative Aufwand minimal», sagt Pensionskassenexperte Werner Hug (73) zu BLICK. Auch die Kosten konnten fix einkalkuliert werden. «Nun können Ende Jahr böse Überraschungen auf die Firmen zukommen, denn sie müssen allenfalls für Unterdeckungen aufkommen.»

Nachteile für KMU sieht auch der Schweizerische Arbeitgeberverband. Besonders Firmen in Branchen mit geringen Margen hätten sich häufig für die Rundum-Lösung entschieden. Die Finanzkrise habe die Vorteile des Modells gezeigt: «Die Leistungen der Versicherten blieben unangetastet, derweil die Versicherungsgesellschaften die hohen Anlageverluste mit ihren Reserven decken mussten.» Bei einer nächsten Krise lauert hier nun Gefahr.

«In erster Linie tragen nicht die KMU das Anlagerisiko, sondern die teilautonomen Stiftungen. Damit diese Marktschwankungen über die Zeit ausgleichen können, haben wir sie mit einem soliden Sicherheitspolster von 3,5 Milliarden Franken ausgestattet», entgegnet Axa-Sprecher Lorenz Heinzer. Langfristig könnten teilautonome Lösungen wesentlich mehr Rendite erwirtschaften, was den KMU-Inhabern und ihren Mitarbeitern die Aussicht auf deutlich höhere PK-Renten im Alter eröffne.

Erst mitmachen, dann umschauen

Vom Entscheid sind mehr als 260'000 Versicherte betroffen. Nur wer Ende dieses Jahres bereits Altersrentner ist, für den ändert sich nichts. Was bleibt den anderen? «Die Axa lässt die KMU im Regen stehen. Vernünftigerweise machen sie den Schritt ins teilautonome Modell mit, sonst verlieren sie sogar noch einen Teil ihrer über Jahre mitgeäufneten Reserven», erklärt Hug. Im Verlaufe des nächsten Jahres dann sollten sich die KMU nach neuen Lösungen umschauen, rät er den Betroffenen.

«Von der Umstellung profitiert vor allem die Axa selbst. Sie sammelt und verwaltet in Zukunft nur noch die KMU-Spar-Gelder, das Risiko tragen aber der Bäcker, der Gipser und der Maler – für die Axa ein lukratives Geschäft.»

Hoher Abschreiber

Dies, obwohl die Medienmitteilung des Konzerns einen anderen Eindruck hinterlässt. Die Axa kündigt einen Gewinnrückgang von 30 Millionen Franken und einen Abschreiber von 400 Millionen Franken an. Das werde das Ergebnis im ersten Halbjahr 2018 belasten.

Die Konkurrenten Swiss Life, Baloise und Helvetia wollen weiter BVG-Vollversicherungen anbieten. Die Axa ist also allein vorgeprescht. Experte Hug überrascht das: «Früher haben sich die Schweizer Versicherer bei solchen Entscheiden immer abgesprochen, besonders auch im Hinblick auf die heikle Altersreform.»

Zum Alleingang hat Hug eine Erklärung: «Die Axa ist ein französisches Unternehmen und fühlt sich dem 3-Säulen-Prinzip der Schweizer Vorsorge nicht verpflichtet. Der Konzern ist nur seinen Aktionären verpflichtet.»

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