Verbandspräsident Hans-Ruedi Schürch: «Man hat das Problem verschlafen»
SBB fehlen 1000 Lokführer

Der Personalmangel bei den SBB-Lokführern wird sich noch verschärfen, denn die Bundesbahnen haben ein gravierendes Problem: Ihnen fehlt der Nachwuchs, und eine Pensionierungswelle rollt an.
Publiziert: 04.06.2019 um 23:59 Uhr
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Aktualisiert: 24.01.2024 um 00:05 Uhr
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Für Hans-Ruedi Schürch (52), Zentralpräsident des Lokomotivpersonalverbands LPV und seit 31 Jahren SBB-Lokführer, ist der Personalmangel hausgemacht.
Foto: Peter Mosimann
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Sven ZauggRedaktor SonntagsBlick

Der Mangel an Lokführern bei den SBB ist derart akut, dass nun sogar der Schienenverkehr stillsteht. Wie BLICK berichtete, fielen vor einer Woche in der Region Zürich/Aargau morgens und abends Züge der S-Bahn-Linien S19 und S42 komplett aus. Insgesamt waren 25 Verbindungen betroffen.

Laut den SBB verursachten zahlreiche Baustellen und Zusatzzüge die ärgerliche Situation. Der Mehrbedarf an Lokführern sei bei der Planung unterschätzt worden. Man habe alles wieder im Griff, beteuerten die SBB. Doch neue Zahlen zeigen: Das Problem ist nicht vom Tisch! 

Pensionierungswelle rollt an

Tatsächlich wird sich der Personalmangel in Zukunft noch verschärfen, denn die Bundesbahnen haben ein gravierendes Problem: Ihnen fehlt der Nachwuchs, und eine Pensionierungswelle rollt an. Heute stehen rund 3500 Lokführerinnen und Lokführer im Sold der SBB. Doch es braucht mehr von ihnen, denn die Bundesbahnen wollen ihr Angebot stetig ausbauen.

Zudem rollt eine gewaltige Pensionierungswelle an. Aktuell gehen jährlich rund 90 Lokführer in Pension, 35 scheiden aufgrund der normalen Fluktuation aus. Bis 2024 rechnet die SBB sogar mit jährlich etwa 175 Angestellten, die das Unternehmen aufgrund ihres Alters verlassen. Gemäss dieser Rechnung muss die Staatsbahn binnen den nächsten fünf Jahren fast 1000 Stellen neu besetzen. 

Gewerkschaften kritisieren Unterbestand

Für Hans-Ruedi Schürch (52), Zentralpräsident des Lokomotivpersonalverbands LPV und seit 31 Jahren SBB-Lokführer, ist der Personalmangel hausgemacht. Sein Vorwurf: Die SBB hätten das Problem verschlafen. «Dass eine grosse Anzahl Lokführer jetzt in die Pension geht, wissen die SBB nicht erst seit heute, sondern mindestens schon seit 2005.»

Schürch gibt SBB-Chef Andreas Meyer (58) direkt die Schuld am Personalmangel: «Herr Meyer hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass die SBB lieber mit einem leichten Unterbestand arbeiten als mit einem Lokführer zu viel.» Das Resultat: Lokführer würden seit Jahren etliche Überstunden leisten und auf Feiertage verzichten.

SBB-Sprecher Reto Schärli kontert: «Ein Unterbestand war und ist nie das Ziel. Über das ganze Jahr gesehen besteht beim Lokpersonal ein ausgeglichener Personalbestand.» Weil die Pensionierung vieler erfahrener Lokführer tatsächlich absehbar war, bilden die SBB laut Schärli seit Jahren deutlich mehr Lokführer aus.

SBB locken deutsche Lokführer

Trotz einer schweizweiten Mega-Marketingkampagne im vergangenen Jahr konnten die SBB nicht genügend Kandidaten für die Lokführerausbildung finden. Deshalb weitete das Transportunternehmen das Rekrutierungsfeld bis nach Deutschland aus.

Die Cargo-Tochter in Deutschland versprach den Lokführern sogar eine Sonderzulage von 500 Euro pro Monat. Mit der Aktion sollte die Lücke von 50 Lokführern gefüllt werden, die auf der Nord-Süd-Achse fehlen. Ob die Stellen unterdessen besetzt wurden, konnten die SBB bis Redaktionsschluss nicht beantworten. Die Krux: Auch in Deutschland herrscht massiver Lokführermangel.

Leiharbeiter müssen aushelfen

Gleichzeitig werden laut SBB schon heute täglich 15 Lokführer im Personen- und Güterverkehr von einer Drittfirma «zugemietet». Grund: «Externe Lokführer können helfen, gewisse saisonale Spitzen abzudecken», sagt Sprecher Schärli. Ob die Bundesbahnen künftig noch mehr Leiharbeiter anstellen, um den Personalmangel zu kompensieren, konnten die SBB auf Anfrage nicht beantworten.

Ein weiteres Problem: Der Job als Lokführer ist nicht mehr attraktiv. Während der Ausbildung beträgt der Jahreslohn knapp 45'000 Franken. Nach der Ausbildung starten die Festangestellten mit einem Jahreslohn von 70'355 Franken. Lokführer Schürch fordert: «Ausbildungslöhne und der Lohnaufstieg danach müssen spürbar verbessert werden. Der Maximallohn soll ebenfalls angehoben werden.»

Zudem geht die Angst um, dass die Züge durch die Automatisierung dereinst ohne Lokführer unterwegs sein werden. SBB-Sprecher Schärli beschwichtig: «Auch mit der technischen Weiterentwicklung der Züge wird es in Zukunft gut ausgebildete Fachleute in den Zügen brauchen.»

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