Gewerblern geht der Laden runter
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Grosse kriegen Vorsprung:Dämpfer für Schweizer Detailhandel

Unzufrieden mit Shopping-Kompromiss des Bundesrats
Gewerblern geht der Laden runter

Die Kleinen im Detailhandel hätten mehr gewollt: Auch nächste Woche schon aufmachen als nur eine Sortimentsbeschränkung für die Grossen. Doch die kleinen Läden müssen noch zwei Wochen warten, verlieren Geld und die Geduld.
Publiziert: 22.04.2020 um 23:16 Uhr
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Aktualisiert: 28.04.2020 um 17:27 Uhr
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Der Shopping-Kompromiss des Bundesrats: Die Sortimentsbeschränkung für die Grossverteiler, hier das Migros Wynecenter in Buchs AG, ...
Christian Kolbe und Ruedi Studer

Die Kleinen sind mächtig sauer auf die Grossen – und auf den Bundesrat. Denn dieser hat kein Gehör für all die kleinen Elektrogeschäfte, Papeterien und Modelädeli im Detailhandel, die nun noch zwei Wochen länger die Rollbalken unten lassen müssen – und keine Waren verkaufen dürfen. Während die Grossen ab nächster Woche mit Gartencentern und Baumärkten zusätzlich Geld scheffeln dürfen.

«Alle Geschäfte im Detailhandel hätten nächste Woche aufgehen sollen», wettert Gewerbeverbands-Direktor Hans-Ulrich Bigler (62) über den Bundesrat. «Unsere Öffnungskonzepte liegen seit Ostern auf dem Tisch.» Für die Kleinen zähle jeder Tag. «Verzweiflung, Fassungslosigkeit und Angst herrscht im Detailhandel. Die Gewerbler kämpfen um Arbeitsplätze, die Aufrechterhaltung ihres Betriebs.»

Bundesrat macht es sich einfach

Dabei hat der Bundesrat nur auf den Aufschrei der kleinen Detailhändler reagiert. Denn bei diesen sass der Frust tief, als der Bundesrat letzte Woche ankündigte, dass die bisherigen Sortimentsbeschränkungen in den Lebensmittelläden per 27. April aufgehoben werden sollen. Damit hätten Grossverteiler wie Migros und Coop plötzlich wieder Kleider, Spielsachen, Kosmetika oder Geburtstagskarten verkaufen dürfen, während die Fachgeschäfte ihre Türen weiterhin hätten geschlossen halten müssen.

Daraus wird nun nichts, der Bundesrat reagiert mit der einfachsten Lösung: Die Sortimentsbeschränkung bleibt bestehen, bis alle Läden – nach aktuellem Fahrplan am 11. Mai – wieder öffnen dürfen. «Wir haben festgestellt, dass das zu vielen Unsicherheiten geführt und viele Fragen aufgeworfen hat», begründet SP-Bundesrat Alain Berset (48) den Rückzieher. Wenn die Grossverteiler alles anbieten dürften und die Kleinen nichts, führe dies auch zu Wettbewerbsverzerrungen, zeigt er sich einsichtig.

Das sieht Bigler dezidiert anders: «Die Sortimentsbeschränkung ist weniger schädlich als die Wettbewerbsbeschränkung, dass die Kleinen noch weitere zwei Wochen warten müssen.» Und dann bricht aus dem Gewerbler Bigler der Politiker hervor: «Wir haben in dieser Krise ein Problem mit der fehlenden Gewaltenteilung. Es gibt keine Kontrolle der Regierung durch das Parlament!»

Leute müssen raus aus der Kurzarbeit

Nicht nur die kleinen sind sauer, auch mittelgrosse Geschäfte sind enttäuscht. Severin Pflüger (42) ist Geschäftsführer des Verbands Schweizerischer Filialunternehmungen. Er vertritt Firmen wie Dosenbach, Ikea, Qualipet oder Orell Füssli. Alles Fachmärkte, die nun noch länger dichtbleiben müssen. «Zwei Wochen sind eine verdammt lange Zeit. Da geht viel Geld verloren», klagt Pflüger.

Und zwar nicht nur bei den Läden, sondern auch bei der ganzen Wertschöpfungskette, die dahintersteht. Also etwas beim Produzenten oder dem Spediteur. «Das schadet der ganzen Wirtschaft.» Und nicht zuletzt fehle das Einkommen all der Menschen, die in diesen Branchen auf Kurzarbeit gesetzt sind und weiterhin nur 80 Prozent ihres Einkommens beziehen können.«Wir müssen die Leute so schnell wie möglich aus der Kurzarbeit holen, damit der Konsum angekurbelt wird», so Pflüger.

Die Grossen nehmens gelassen

Alle sind empört – ausser den Grossverteilern. Coop «freut sich, ab dem 11. Mai unseren Kunden wieder das gesamtes Sortiment anbieten zu können». Und Migros ist «froh, dass wir am Montag wie geplant die Fachmärkte öffnen können». Mit der Verlängerung der Sortimentsbeschränkung um zwei Wochen können beide gut leben.

Diesbezüglich hätte sich Dagmar Jenni (52), Geschäftsführerin der Swiss Retail Federation, noch mehr Klarheit gewünscht: «Wir hätten uns gewünscht, dass der Bundesrat die Güter des täglichen Bedarfs klarer definiert hätte. Damit die Diskussionen in den Kantonen endlich aufhören, ob Kerzen, Putzschwämmli oder Batterien dazugehören oder nicht.»

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