Der Elektrogeräte-Händler Dipl. Ing. Fust ist das Lebenswerk von Walter Fust (78). Sein Herz hängt daran. Obschon er das Unternehmen vor über zehn Jahren an die Coop-Gruppe verkauft hat, kann der Ostschweizer nur schwer loslassen. «Ich bin immer noch sehr verbunden mit der Firma», sagt er im Gespräch mit BLICK.
Fust tritt munter auf. Beige Hose, weisses Hemd, blaues Jackett und eine etwas aus der Mode gefallene Krawatte. Angereist ist er im Mercedes-Cabriolet mit St. Galler Nummernschild. An seiner Seite steht seine Partnerin Mathilde Baumann (72). Nichts deutet darauf hin, dass Fust vor kurzer Zeit aus gesundheitlichen Gründen kürzertreten musste.
Daumen gebrochen beim Wandern
Der ETH-Ingenieur hat einen angegrauten Bart, aber sonst wirkt er deutlich jünger. Er ist in den 40er-Jahren in Uzwil SG geboren, seit den 60er-Jahren ist er Vollblutunternehmer. Das Geheimnis seiner Jugendlichkeit: «Meine Partnerin und ich wandern gerne. Seit Jahrzehnten sind wir gemeinsam in der Natur unterwegs. In der Schweiz haben wir praktisch alle Flüsse von der Quelle bis zur Mündung abgelaufen.»
Die jüngste Wanderung führte die beiden ins jurassische Grenzgebiet. Fust und seine Liebste, die auch im hohen Alter und bei 18 Grad noch regelmässig in der Berner Aare schwimmt, hatten sich vorgenommen, die ganze Strecke von Schaffhausen nach Genf abzulaufen. Auf französischem Boden geschah aber ein Missgeschick: Fust stolperte und brach sich den Daumen. Er habe etwas daraus gelernt, so der ehemalige Kühlschrank-Händler. «Man geht nicht nach Frankreich zum Wandern.» Fust lacht.
«Das Dümmste, was Coop hätte machen können»
Der 78-Jährige spricht offen. Er ist bekannt dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen. Der Verkauf seines Lebenswerks an Coop sei eine «gute Lösung» gewesen, sagt er. Keines der drei Kinder wollte die Firma übernehmen. Fust fürchtete auch nie, dass Coop sein Vermächtnis mit den beiden anderen Formaten Interdiscount oder Microspot zusammenlegen könnte.
«Das wäre das Dümmste gewesen, was Coop hätte machen können», sagt er. «Ich habe die Firma so aufgebaut, dass Fust eine Marke ist. Nicht Miele, Electrolux oder so. Das Schweizervolk kennt Fust.»
Erste Million vor dem 30. Geburtstag
Den Grundstein für das Unternehmen legte er 1966. Seinerzeit eröffnete der ehemalige Helikopterpilot die erste Filiale am Berner Eigerplatz. Er startete mit zwei Angestellten und machte bereits im ersten Jahr mehr als 1 Million Franken Umsatz. 1967 folgte die zweite Filiale in Olten.
Die Waschmaschinen, Spülmaschinen und Küchengeräte des «Dipl. Ing.» waren ein Kassenschlager. Fust war noch keine 30 Jahre alt, als er die erste Million auf dem Konto hatte. Mittlerweile wird er vom Wirtschaftsmagazin «Bilanz» auf 850 Millionen Franken geschätzt. Stimmt die Vermutung? «Ich nehme nicht gern Stellung zu solchen Zahlen», sagt Fust. «Aber ich sage es so: Wenns richtig falsch wäre, würde ich intervenieren.»
«Wir sind stark im E-Commerce»
Die Firma habe «vom ersten Tag an super rentiert», sagt der Ostschweizer. Margen von fünf Prozent seien üblich gewesen. Am Anfang waren es sogar noch etwas mehr. Gilt das auch heute noch im Geiz-ist-geil-Umfeld, wo Rivalen wie Media Markt die Preise drücken? Wo der Online-Handel das stationäre Geschäft in Bedrängnis bringt?
Fust ist fest davon überzeugt. Er spricht in der ersten Person Plural, in der
Wir-Form – auch wenn er selbst nicht mehr beteiligt ist. «Wir sind stark im
E-Commerce», sagt er. «Und wir schreiben schwarze Zahlen, gute Zahlen.»
Neues XXL-Lager neben der Autobahn
Das ist nicht selbstverständlich. Der grösste Online-Händler der Schweiz, Digitec Galaxus, schreibt aktuell Verluste. Und Coop hat eben 70 Millionen Franken in den Ausbau der Fust-Logistik investiert.
Alleine im neuen Hochregal-Lager, das so gross wie 75 Einfamilienhäuser ist, sind 465 Tonnen Stahl und 158’000 Schrauben verbaut. Aus weiteren 387’000 Tonnen Stahl besteht das automatische Kleinteile-Lager. In der Summe ist das neue XXL-Logistikzentrum in der Ostschweiz nun doppelt so gross wie zur Zeit, als Walter Fust noch am Drücker war.
Fust als stolzer Ostschweizer
Der Ausbau kostet Geld. Und die Umsatzzahlen stagnieren seit Jahren. 2018 summierten sich die Verkäufe bei Fust auf knapp über eine 1 Milliarde Franken. Das ist kaum mehr als vor zehn Jahren. Das Filialnetz zählt nur noch rund 150 Ableger. Vor fünf Jahren waren es noch 166. Bei Fust wird also ganz genau geschaut, wo sich ein Investment lohnt.
Ist der Gründer zufrieden, was Coop aus seinem Erbe gemacht hat? «Sehr», sagt Fust. Und ist er als Ostschweizer stolz darauf, wie sich der einstige Fust-Sitz in Oberbüren neben der Autobahn entwickelt hat? «Ja, absolut», antwortet er. Ohne zu zögern.