Mit dem Wegfall der Credit Suisse wird die Bankenlandschaft in der Schweiz umgepflügt. Es gibt noch eine riesige Bank, wenige mittelgrosse und sehr viele kleine. Was das für die Schweiz bedeutet, wird sich erst in einigen Jahren zeigen. Doch schon jetzt – nur eine Woche nach der Löschung der Credit Suisse im Zürcher Handelsregister – ist klar, dass härtere Zeiten anbrechen.
Die Klagen von Schweizer Unternehmern sind unüberhörbar: «Seit einigen Monaten stellen wir eine Verschlechterung der Konditionen fest, die Zinsmargen werden nach oben geschraubt», sagt der Chef einer grossen Ostschweizer IT-Firma. Der Wettbewerb spiele nicht mehr so wie früher. «Zum Glück sind wir kaum von den Banken abhängig», sagt er.
Nicht allen geht es so. Ein Unternehmer aus dem Raum Zürich hat Bankkredite in dreistelliger Millionenhöhe ausstehend. Kürzlich teilte ihm sein UBS-Berater mit, dass die Bank die Marge auf dem Kredit von 1 auf 1,9 Prozent verdoppeln müsse. Als Gründe nannte er ein «verändertes makroökonomisches Umfeld», «gestiegene Zinsen» und «höhere Refinanzierungskosten».
Für den Firmenchef sind das Ausreden: «Um eine Margenerhöhung in dieser Höhe zu rechtfertigen, hätte sich unser Kreditrating deutlich verschlechtern müssen. Die Bonität ist aber immer noch die gleiche», sagt er. Die Bankbeziehung zu wechseln, sei für das Unternehmen nicht einfach, weil es einen «Riesenaufwand» bedeute. Eine neue Kreditstruktur aufzubauen, sei mühsam und zeitaufwendig.
Industrieller: «Es gärt»
«Es gärt», sagt ein anderer Unternehmer aus dem Anlagenbau. Da sein Unternehmen stark wachse, sei er auf eine eingespielte Zusammenarbeit mit den Banken angewiesen. Seine Firma habe in den letzten Jahren mehrere Firmen gekauft. Dafür brauche er regelmässig Überbrückungskredite, erläutert er. Zudem müsse er über eine grosszügige Kontokorrentkreditlinie verfügen, um Vorleistungen finanzieren zu können. «Für diese Kreditlinie verlangt die UBS plötzlich eine höhere Marge», sagt er.
Doch auch Immobilienfinanzierer sind betroffen. Eine grössere Privatinvestorin, die Hypothekarkredite von über 10 Millionen Franken ausstehend hat, klagt über eine Erhöhung der Marge auf dem Saron-Satz um 100 Prozent. Bei einem anderen Immobilieninvestor hat die UBS das Hypothekarvolumen halbiert.
Anfang Mai berichtete der SonntagsBlick erstmals über Unternehmen, die sich über eine Verschlechterung der Konditionen beklagten. Ein Innerschweizer KMU-Industrieller berichtete von einer Erhöhung der Kreditmarge um 40 Prozent, die «über Nacht» kam. Der Kundenberater habe ihm per E-Mail mitgeteilt, dass bei der UBS «eine neue Ära» angebrochen sei. Für den betroffenen Chef war das ein Schock, denn man hatte zuvor monatelang mit der UBS verhandelt, umso überraschender kam die Verschlechterung.
Ermotti sprach von «Neubewertung»
Dass die UBS an den Konditionen schraubt, ist bekannt. UBS-Chef Sergio Ermotti (64) selbst sagte im Februar zu den Folgen der Übernahme der Credit Suisse: Kurzfristig werde es zwar schwierig sein, die Spitzenrenditen zu erreichen, die die UBS in der Vergangenheit erzielt habe, aber sein Ziel sei es, die Lücke innerhalb eines vernünftigen Zeitraums zu schliessen. «Dies erfordert eine Neubewertung und/oder den Ausstieg aus Engagements mit niedrigen Renditen».
Allerdings, und das ist das Brisante: Die UBS bewertet nicht nur möglicherweise unrentable ehemalige CS-Kundenbeziehungen neu, sondern auch langjährige UBS-Beziehungen. Die oben erwähnten Beispiele stammen von Kunden, welche die UBS seit Jahren als Hausbank haben. Die Medienstelle der UBS wollte auf Anfrage keine Stellung nehmen.
Inzwischen ist der Befund auch in der Politik angekommen. Für den Zürcher Finanzdirektor Ernst Stocker (69) ist das Ende der Credit Suisse spürbar: «Ich habe schon das Gefühl, dass der Wettbewerb im Hypothekargeschäft weniger kompetitiv geworden ist», sagte Stocker diese Woche in einem Interview mit den Tamedia-Zeitungen. Auch von mittelständischen Unternehmen höre er, dass sich der «Wegfall der CS negativ auf die Vergabe von Firmenkrediten» auswirke.
Swissmem schläft
Man sollte meinen, dass die Aussagen des Finanzdirektors und die geschilderten Fallbeispiele die Wirtschaftsverbände in helle Aufregung versetzten. Doch weit gefehlt. Martin Hirzel (54), Präsident des mächtigen Industrieverbandes Swissmem, war diese Woche nicht für ein Gespräch zu haben. Er besuchte das von der UBS gesponserte Swiss Economic Forum in Interlaken BE.
Der Verband schickte Jean-Philippe Kohl, Vizedirektor und Leiter Wirtschaftspolitik, vor. Dieser sagt, es seien «zurzeit noch keine Anzeichen erkennbar», dass die UBS die Kreditkonditionen für Unternehmen der Tech-Industrie verschlechtert. «Wir beobachten die Entwicklung im Interesse unserer Mitgliedsfirmen aber weiter aufmerksam.»
Bei solchen Aussagen stellt sich die Frage, wie nah der Verband am Thema dran ist. Martin Hirzel (54) ist seit 2021 Präsident von Swissmem. Mit ihm wurde kein klassischer Ingenieur-Industrieller wie seine Vorgänger Hans Hess oder Johann Schneider-Ammann an die Verbandsspitze gewählt, sondern ein Manager mit kaufmännischem Hintergrund, der 2019 nach schwachen operativen Leistungen als CEO von Autoneum zurücktrat.