Unicredit-Chef Andrea Orcel hält seine Ex-Kollegen von der Investmentbank der UBS auf Trab. Allerdings spielen jetzt beide Seiten in unterschiedlichen Teams: Orcel will die Commerzbank übernehmen. Die UBS-Banker dagegen beraten die neue Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp. Sie sollen ihr helfen, Orcels Avancen abzuwehren. Seitdem Unicredit sich ungebeten mit gut 20 Prozent ins Kapital der zweitgrössten Bank Deutschlands eingekauft hat, herrscht in Frankfurt und Berlin Panik.
Der umtriebige Römer, der gerne UBS-Chef geworden wäre, umkreist seine Beute. Freitag vergangener Woche hatte er einen ersten Videocall mit Orlopp zum höflichen Austausch. Orcel hatte zuvor per Interview versichert, keinen feindlichen Übernahmeversuch wagen zu wollen.
Aber er weiss: Orlopp wird ihren Aktionären kaum etwas Besseres bieten können als die Fusion der Nummer zwei des Landes, der Commerzbank, mit der Unicredit, deren Tochter Hypovereinsbank (HVB) die Nummer drei in Deutschland ist. Laut den Analysten der Citi geht daher der Markt zu 70 Prozent davon aus, dass die Unicredit die Commerzbank übernehmen wird.
Neues Potenzial im Private Banking
Das wirft aus Schweizer Sicht die Frage auf: Was würde der Banken-Merger für die UBS bedeuten? Wo käme Orcel mit seiner frisch erstarkten Unicredit dem UBS-Chef Sergio Ermotti in die Quere – ausser bei der medialen Beachtung? Denn mit einer grenzüberschreitenden Übernahme, die als ungleich komplexer gilt, würde Orcels Werk Ermottis Heimfusion zwischen CS und UBS überstrahlen.
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Der neue Bankenriese aus Unicredit und Commerzbank käme auf eine Bilanzsumme von 1300 Milliarden Euro und könnte ab 2025 pro Jahr gemäss den Analysten der Citi über 11 Milliarden Euro Gewinn abwerfen. 2023 kamen beide Banken zusammen auf 10,5 Milliarden.
Von der Aufstellung her bliebe die um die Commerzbank verstärkte Unicredit eine klassische Universalbank, die in Deutschland, Italien und Osteuropa vor allem im Retail- und Firmenkundengeschäft aktiv ist. Zwar sind auch Unicredit und ihre deutsche Tochter HVB sowie die Commerzbank im Private Banking aktiv, können dort der UBS aber nicht das Wasser reichen.
UBS droht schwererer Stand in Deutschland
«Die UBS als Konzern wäre von einer Übernahme der Commerzbank durch Unicredit nicht stark betroffen», urteilt Vontobel-Analyst Andreas Venditti, denn es gebe nur wenige Bereiche, in denen sich beide Häuser direkt konkurrenzieren. Dennoch: Wenn in Europa ein neuer Bankenriese entsteht, kann das der UBS nicht egal sein. So sehen Marktbeobachter durchaus einige Bereiche, in denen die um die Commerzbank verstärkte Unicredit der UBS das Leben schwerer machen könnte.
Allen voran in Deutschland. Dort hat die UBS ihr Europa-Geschäft in der UBS Europe SE gebündelt. Doch der Löwenanteil des Geschäfts der Europa-Tochter kommt aus Deutschland. So verdient die Europa-Tochter laut Geschäftsbericht 90 Prozent ihrer Zinserträge beim nördlichen Nachbarn.
Rein vom Volumen her würden die HVB und die Commerzbank zusammen die UBS in Sachen Kundenvermögen hinter sich lassen. Gemeinsam kämen sie rechnerisch auf rund 200 Milliarden Euro. Die UBS weist zwar keine Länderdaten aus, Hochrechnungen auf Basis des Geschäftsberichts der Europa-Tochter erlauben aber Schätzungen: Demzufolge dürfte das Volumen der in Deutschland gebuchten Gelder um die 80 Milliarden betragen. In diesem Wert ist allerdings nicht das in der Schweiz gebuchte Geld deutscher Kunden enthalten.
Neue Konkurrenz im Kampf um die Superreichen?
Die UBS ist spezialisiert auf das Geschäft mit den Superreichen, also auf Personen mit zweistelligen Millionenvermögen. Die deutsche Unicredit-Tochter HVB und die Commerzbank dagegen fokussieren sich auf den deutschen Mittelstand. Gerade die Commerzbank setzt darauf, ihr erfolgreiches Firmenkundengeschäft mit KMU als Einstiegstor für ihre Private-Banking-Leistungen zu nutzen. Laut Finanzkreisen funktioniert das bisher aber nur mässig.
Laut Marktbeobachtern würde der Verbund aus Commerzbank, HVB und Unicredit im Private Banking aber an Glaubwürdigkeit gewinnen. Gerade im Geschäft mit Superreichen könnte die neue Bankengruppe auch Investmentbank-Dienstleistungen anbieten. Schon jetzt will Orcel das Geschäft im Private Banking pushen. Denn das ist kapitalarm und spült stabile Provisionserlöse in die Kassen. «Unicredit würde durch die Übernahme ohne Zweifel gestärkt. Es stellt sich damit die Frage, wie die Bank die neue Stärke nutzt, um in Geschäftsfeldern wie beispielsweise dem Private Banking zu expandieren», meint auch Experte Venditti.
Auch im Firmenkundengeschäft könnte der neue Verbund eine Alternative zur UBS werden. «Das Firmenkundengeschäft der Commerzbank in der Schweiz würde im Verbund mit der Unicredit an globaler Strahlkraft gewinnen», sagt ein Kenner der Schweizer Bankenszene – auch hier dank dem Investmentbanking.
Denn die Commerzbank-Banker könnten ein breiteres Spektrum an Services anbieten. Damit wäre der neue Verbund eine interessante Adresse für Schweizer Multinationals. Und diese Unternehmen suchen nach dem Verschwinden der Credit Suisse verzweifelt nach einer Alternative. Wettbewerber wie die BNP Paribas und die Deutsche Bank wittern hier bereits ihre Chancen.
Tritt die Deutsche Bank als weisser Ritter auf?
Im Schweizer Firmenkundengeschäft umfasst das Kreditbuch der Commerzbank derzeit umgerechnet gut 10 Milliarden Franken. Das ist zwar nur ein Klacks gegenüber der UBS, deren Schweizer Kreditbuch ein Volumen von insgesamt (also inklusive privaten Hypotheken) 350 Milliarden Franken hat. In der Jagd nach lukrativen Kunden, die nicht nur Kredite nachfragen, sondern auch Wertpapiere emittieren oder eine Übernahme starten, könnte die um die Commerzbank gestärkte Unicredit der UBS aber Nadelstiche versetzen.
Schlaflose Nächte wird Ermotti wegen der Übernahmegelüste seines Ex-Kollegen Orcel aber nicht haben. Die haben eher das Commerzbank-Management und der deutsche Finanzminister Christian Lindner. Rein rechtlich hat dieser keine Handhabe, eine Übernahme zu verhindern. Und die EZB dürfte sich kaum in den Weg stellen, wenn eine von ihr beaufsichtigte Grossbank, die von Orcel in Topform gebracht wurde, eine andere übernimmt.
Möglicherweise kommt die Deutsche Bank als weisser Ritter ins Spiel. Die hatte zwar schon einmal eine Übernahme der Commerzbank abgelehnt, weil sie selbst genug Baustellen hat. Aber auch UBS-Chef Colm Kelleher hatte vor der CS-Krise seiner Bank einen Übernahmestopp verordnet. Aber wenn das Finanzministerium anruft und um Hilfe bittet, sieht die Welt ganz schnell ganz anders aus.