«Wir müssen jetzt herunterfahren»
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Unia-Chefin Vania Alleva:«Wir müssen jetzt herunterfahren»

Unia-Chefin verlangt wirtschaftlichen Stillstand – Arbeitgeber-Präsident Vogt warnt
«Shutdown wäre ein gefährliches Experiment»

In Italien ist alles dicht, was nicht lebensnotwendig ist. Ein derartiger Shutdown ist auch hierzulande salonfähig. Valentin Vogt vom Arbeitgeberverband wehrt sich dagegen. Die Gründe.
Publiziert: 22.03.2020 um 23:10 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2020 um 08:31 Uhr
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Italien: Nur noch die existenziellen Läden sind geöffnet.
Foto: keystone-sda.ch
Marc Iseli

In der Schweiz werden Stimmen laut, die einen Shutdown à la Italien fordern. Unia-Präsidentin Vania Alleva (50) gehört dazu. Sie wähnt auch die Arbeitgeber aus dem Tessin, der Waadt und dem Kanton Genf auf ihrer Seite. Die drei Regionen sind mit am schwersten von der aktuellen Corona-Krise betroffen.

Der Arbeitgeberverband hält aber dagegen. Präsident Valentin Vogt (59) spricht sich klar für die aktuelle Politik des Bundesrats aus. Diese ist darauf ausgerichtet, den Motor der Wirtschaft möglichst nicht abzuwürgen. Laut Schätzungen des Finanzministers Ueli Maurer laufen 70 bis 80 Prozent der Wirtschaft weiter – trotz Corona-Ausnahmezustand.

«Wir müssen funktionierende Wertschöpfungsketten erhalten», sagt Vogt. Die Industrie sei extrem verzahnt in der Schweiz. Zahlreiche kleinere und grössere Produktionsbetriebe seien in die Lieferketten von Gesundheitsunternehmen und Lebensmittelhändlern eingebunden. Die Verbindungen seien so komplex, dass ein Überblick kaum möglich sei.

«Unabsehbare Folgen»

«Wenn wir einen Shutdown beschliessen, kann das unabsehbare Folgen für die Versorgung des Landes haben», sagt der oberste Arbeitgeber. «Das wäre ein gefährliches Experiment für die Schweiz. Der Schaden wäre riesig und würde die Ansteckungsgefahr kaum weiter reduzieren.»

Ein Beispiel ist die Firma Hamilton in Bonaduz GR. Zu ihren Kunden zählen Spitäler und Kliniken. Sie stellt unter anderem Beatmungsgeräte her. Die Nachfrage danach explodiert förmlich, weil Beatmungsgeräte Mangelware auf Intensivstationen weltweit sind. Menschen sterben, weil zu wenige verfügbar sind!

Die Liste der Zulieferer von Hamilton ist lang. Ein kleines KMU aus der Waadt etwa liefert einen Motor. Fehlt dieser, weil der Kanton oder der Bund dem Unternehmen eine Zwangspause verordnet, können keine Beatmungsgeräte von Hamilton mehr ausgeliefert werden. Mit der Folge, dass noch mehr Menschen sterben.

30 Milliarden Lohn im Monat

Ein weiteres Beispiel: Die Firma Bühler in Uzwil SG produziert unter anderem Maschinen für die Lebensmittelindustrie. Die Kunden sind – gleich wie bei Hamilton – auf der ganzen Welt. Blockiert die Schweiz die Produktion der Maschinen, greift das Land auch in die Wertschöpfungskette der Food-Industrie anderer Länder ein. Die Folgen sind unabsehbar.

Vogt rät dazu, die Empfehlungen des Bundesamts für Gesundheit zu befolgen. Wo dies nicht möglich ist, muss der Betrieb schliessen. Diese Weisung gilt heute und wird auch konsequent von der Suva kontrolliert werden. Sie startet ihr Prüfmandat am Dienstag. «Damit werden wir einen weiteren Schritt bei der Umsetzung der Hygiene-Standards machen», sagt Vogt. Er spricht der Institution sein Vertrauen aus und stellt sich damit auch gegen Arbeitnehmer-Vertreterin Alleva. Ihr Vorwurf: Es werde zu wenig kontrolliert bei den Betrieben.

Vogt mahnt letztlich auch aus finanzpolitischen Gründen zu einem vorsichtigen Vorgehen. In der Schweiz werden monatlich 30 Milliarden Franken an knapp fünf Millionen Arbeitnehmer in Form von Löhnen ausbezahlt. Von der aktuellen Krise ist jeder fünfte Lohnempfänger betroffen – und damit eine Lohnsumme von sechs Milliarden Franken. 80 Prozent dieses Betrags zahlt die Arbeitslosenversicherung in Form von Kurzarbeitsentschädigungen – dank des Rettungspakets, das die Landesregierung in den letzten Tagen geschnürt hat. Im Falle eines landesweiten Shutdowns würde diese Summe massiv ansteigen. Die Höhe ist unklar. Klar ist aber, dass Bern dafür wieder in die Bresche springen müsste.


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