Der Bundesrat hat seine Strategie bei den Verhandlungen mit der EU am Mittwoch auf den Kopf gestellt. Statt wie bisher mehrgleisig über einzelne Dossiers zu verhandeln, will der Bundesrat jetzt alle Themen bündeln.
Die Schweiz habe ein Interesse daran, mit der EU über alle Themen gleichzeitig zu sprechen – alle Themen miteinander zu «verheiraten», begründete Aussenminister Didier Burkhalter gestern. So öffne sich vielleicht wieder neuer Spielraum.
Die EU werde auf solche Gespräche einsteigen! Da sind sich mit den Dossiers vertraute Personen sicher. Mehr noch: Die EU habe eine solche Paketverhandlung quasi gefordert.
In der Tat liessen EU-Funktionäre stets verlauten, ohne ein Rahmenabkommen, das die künftige Übernahme von EU-Recht regelt, bekommt die Schweiz keine weiteren Marktzutritte. Also etwa kein Stromabkommen. Die EU betonte auch bei jeder Gelegenheit, dass es ohne eine Einigung bei der Personenfreizügigkeit kein Rahmenabkommen gibt.
Vieles hängt in den Augen der EU also zusammen – und muss folglich parallel verhandelt werden. Ein Kenner der diplomatischen Szene, der anonym bleiben will, sagt deshalb zu Blick.ch: «Die Bündelung der Dossiers hat die EU der Schweiz quasi aufgezwungen». Die EU zwinge die Schweiz zum Glück.
Denn für den Experten ist klar: Nur so kommt man einen Schritt weiter. Themen miteinander zu verbinden, sei absolut notwendig, um blockierte Verhandlungen zu beleben.
Konkret könnte die Schweiz beispielsweise bei der unterschiedlichen Besteuerung von Unternehmen einen Schritt auf die EU zumachen. EU-Staaten kritisieren diese Praxis seit längerem. Oder beim von der EU geforderten Mechanismus bei Streitigkeiten der beiden Seiten. Im Gegenzug kann die Schweiz der EU Zugeständnisse bei den Zuwanderungsfragen abverlangen.
Ob tatsächlich eine Lösung gefunden wird, ist selbstverständlich offen.
Doch wieso hat der Bundesrat so viel wertvolle Zeit mit Einzelverhandlungen verstreichen lassen? «Die Schweiz hat Hemmungen, sich auf einen Kuhhandel einzulassen, obwohl dies international allgemeine Praxis ist», sagt der Experte. Ein weiterer Grund für die Zurückhaltung sei das politische System der Schweiz. Die gleichberechtigten Departementschefs möchten ihre Dossiers selber verhandeln. «Gut, dass sie sich nun zusammenraufen.»