Bern ist attraktiv. Darin sind sich alle einig, die angefragt werden. «Bern ist überschaubar,» sagt Michael Friedli, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Von Graffenried Liegenschaften. «Man kennt sich, es ist fast ein wenig familiär.» Die Mieten sind längst nicht so hoch wie in Zürich, auch die Eigenheimpreise nicht. Zumindest noch nicht.
Gemäss Berechnungen des Immobilienspezialisten Iazi stiegen hier die Preise für Eigentumswohnungen in den vergangenen fünf Jahren um 18 Prozent. «Was die Preissteigerungen angeht, ist Bern mittlerweile in der Champions League», sagt Donato Scognagmiglio, VR-Präsident von Iazi. Noch mehr erhöhten sich die Preise nur in Zürich mit 26 Prozent und in Basel mit 19 Prozent. Gleichzeitig sind die Steuern in der Stadt Bern hoch, was wiederum Immobilienkäuferinnen in die steuergünstigeren angrenzenden Gemeinden ziehen lässt.
Ruedi Tanner, Präsident der Schweizerischen Maklerkammer, spricht von einer gewissen Trägheit, die man in Bern vorfindet. «70 Prozent der Berufstätigen sind Beamte und Beamtinnen. Diese Trägheit wirkt sich auch auf den Immobilienmarkt aus. Es wird zu wenig gebaut, um die Nachfrage befriedigen zu können.» 77’000 Wohnungen zählt die Hauptstadt, für etwa 130’000 Einwohner und Einwohnerinnen.
Der Leerwohnungsbestand liegt bei 0,57 Prozent. Eine Zahl, die ungemütlich tief ist. Wohnungsinserate verschwinden nach nur zwei Stunden vom Netz, da Anbieter mit Anfragen überhäuft werden. Es gibt Szenen, die man sonst nur von Zürich her kennt. «Auch in Bern stehen die Interessierten mittlerweile Schlage für eine Wohnungsbesichtigung, nur weil es sich um eine bezahlbare 4,5-Zimmer-Wohnung handelt», sagt Michael Friedli.
Die Quartiere Neufeld und Felsenau sind gefragt
Ein beliebtes Quartier ist Neufeld, neben Oberbottigen das grösste Quartier Berns. Hier findet man das fast hundert Jahre alte Heimstadion des FC Bern, das Stadion Neufeld, nebst zahlreichen Sportmöglichkeiten und dem angrenzenden Naherholungsgebiet, dem Bremgartenwald. Die grün schimmernde Aare, direkt vor der Haustür, macht hier lang gezogene Bögen, wodurch das Wasser ruhiger fliesst und das Baden leichterfällt. «Im Neufeld gibt es vor allem eines: noch viel Platz», sagt Marc Balsiger, Geschäftsführer Dr. Meyer Immobilien. Zumal es dort noch Baulandreserven gibt. Ein grosser Teil der Stadtentwicklung in den nächsten Jahren soll im Neufeld erfolgen. Die Stadt Bern hat auf dem «Viererfeld» ein riesiges Entwicklungsprojekt in Planung. Ziel ist, ein urbanes, grünes Quartier entstehen zu lassen, mit rund 1200 Wohnungen für 3000 Menschen.
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Optisch anders präsentiert sich das Felsenau-Quartier. Dieses war einst Standort grosser Industriebetriebe, was sich natürlich noch heute auf das Quartierbild auswirkt. Hier finden sich zahlreiche Arbeiterhäuser, die ehemals von der Stadt Bern im Baurecht verkauft wurden. «Städtebaulich ist dieses Quartier nicht ganz so attraktiv wie andere», sagt Marc Balsiger. «Dafür findet sich in Felsenau alles, was Familien für den täglichen Bedarf benötigen: genügend Einkaufsmöglichkeiten, Kitas und Schulen.» Im Gegensatz zu Bethlehem und Bümpliz besteht die Einwohnerschaft hier vornehmlich aus Schweizerinnen und Schweizern. Felsenau hat mit 7,4 Prozent den zweittiefsten Anteil an Ausländern und Ausländerinnen.
Die Länggasse ist in
Im Trend sind der Breitenrain und die Länggasse. Die Länggasse zieht sich vom Bahnhof über die Universität, quer durch das Neufeld bis hin zum Waldrand und zur Autobahn. Das ehemalige Arbeiterquartier blühte auf, als es verkehrsberuhigt und öffentliche Plätze aufgewertet wurden. In der Folge kamen trendige Läden, vielfältige Restaurants und gemütliche Cafés in das Quartier. Eine Szene baute sich auf, ebenso ein Nachleben, das die vielen Studierenden im Quartier freut. «Früher wohnten Secondos in der Länggasse, heute der urbane Stadt Freak», sagt Ruedi Tanner von Wirz Tanner Immobilien AG. «Es ist hip, wenn man sagen kann, man wohne in der Länggasse», sagt Michael Friedli, Geschäftsleiter der Von Graffenried Liegenschaften. «Auch wenn viele vergessen, dass die Wohnqualität in den schönen alten Häusern nicht immer gleichermassen vorhanden ist.»
So entsprechen die zahlreichen 2,5-Zimmer-Wohnungen, die es dort gibt, mit ihren 50 bis 70 Quadratmetern nicht mehr den Bedürfnissen von heute. Früher lebten hier Büezer, weshalb nur kleine Wohnungen gebaut wurden; die Familien der Büezer wohnten auf dem Land. «Viele würden gerne in der Länggasse eine Wohnung kaufen, allen voran die Studierende und Dozierende, die dort leben», sagt Ruedi Tanner. «Nur sind keine Wohnungen auf dem Markt. Und wenn, dann die falschen.» Aktuell müssen für eine Hundert-Quadratmeter-Wohnung 1,1 Millionen hingeblättert werden.
Familien im Murifeld
An der äusseren Grenze Berns findet man das Murifeld. Das Quartier grenzt zum einen an das schicke obere Kirchfeld, zum anderen an die steuergünstige Gemeinde Muri, in der zahlreiche Vermögende ihren Sitz genommen haben, um Steuern zu sparen. Das Quartier ist gepflegt, die Bausubstanz werthaltig. In Windeseile ist man im angrenzenden Naherholungsgebiet und an der Aare. Nur Cafés und Lädeli findet man fast keine – im Gegensatz zur Lorraine, zum Breitenrain oder zur Länggasse. «Im Murifeld lebt man anonymer als in den anderen Quartieren», sagt Marc Balsiger von Dr. Meyer Immobilien. «Aber gleichzeitig sicherer, durch die nahtlosen Überwachungen der Botschaften, die im Umkreis sind.»
Das Murifeld hat mit einer Preissteigerung von 50 Prozent innert fünf Jahren alle anderen Quartiere abgehängt. Was zum Grossteil daran liegen dürfte, dass grössere Überbauungen erstellt wurden. «Zahlreiche Stadtbernerinnen standen in der Poleposition, um sich dort eine Wohnung zu kaufen», sagt Marc Balsiger. «Viele, die schon lange gesucht und nichts gefunden hatten, waren bereit, einen erheblichen Aufpreis zu bezahlen, um endlich zu Wohneigentum zu kommen.»
Luxus in der Schosshalde
Eines der ältesten Quartiere Berns ist die Schosshalde. Erstmals 1288 urkundlich erwähnt, hat man von der Schosshalde aus eine fabelhafte Aussicht auf die ferne Alpenkette und die nahe Altstadt. Die Schosshalde ist ein ruhiges Wohnquartier. Hier wohnt man einfach – wer es sich leisten kann. Es gibt weder Industrie noch Einkaufszentren, dafür viele altehrwürdige Villen und Residenzen, ein Naherholungsgebiet und sogar einen See, den Egelsee. Gleich nebenan liegt das noch teurere Kirchenfeld, mit all seinen ausländischen Botschaften, Sicherheitsbeamten und hohen Thujahecken. In der Schosshalde lebt es sich exklusiv und teuer.
«Diese Toplage können sich nur wenige Spitzenbeamtinnen und Wirtschaftskapitäne leisten», sagt Ruedi Tanner von Wirz Tanner Immobilien AG. «Teurer als die Schosshalde sind nur das Kirchenfeld und die Innenstadt». Michael Friedli, Geschäftsleitungsvorsitzender der Von Graffenried Liegenschaften verdoppelt: «Wer hier etwas finden will, muss viel Zeit, Glück oder Vitamin B mitbringen, zumal auch sehr selten Objekte auf den Markt kommen.» Pech für all diejenigen, die im Quartier bleiben möchten und eine Wohnung suchen. «Hier erhält man regelmässig Flyer von jungen Familien ins Haus geschickt, die im Quartier bleiben möchten und eine grössere Wohnung zu bezahlbaren Preisen suchen.»
Bethlehem: Noch unterentwickelt
Und dann gibt es da noch Bethlehem. Und Bümpliz. Zwei Quartiere, geprägt von Wohnblöcken und Hochhäusern, dazwischen der eine oder andere Bauernhof, gefolgt von wenig attraktiven Plattenbauten aus den 1950ern und 1970ern, die städtebaulich geschützt sind. «Diese Blöcke wurden mit Fertigelementen gebaut, um günstig neuen Wohnraum zu ermöglichen, entsprechen aber heute nicht mehr den heutigen Erwartungen der Mieterinnen und Mieter», sagt Marc Balsiger von Dr. Meyer Immobilien. «Die Blöcke zu erneuern, ist eine Herausforderung.» Noch immer ist Bethlehem ein Arbeiterquartier. Hier wohnen finanziell schwächere Mieterinnen und Mieter – verdichtet und damit eng aneinander. Mit 35 Prozent ist der Ausländer- und Ausländerinnenanteil in diesem Quartier der grösste der gesamten Stadt.
«Wer hier auf Wohnungssuche ist, findet sicher etwas», sagt Ruedi Tanner von Wirz Tanner Immobilien AG. «Im Gegensatz zu allen anderen Quartieren gibt es hier einen hohen Leerstand.» Die Preise für Eigenheime sind zwar in den vergangenen fünf Jahren um 19 Prozent gestiegen, aber noch immer vergleichsweise günstig. Eine 3,5-Zimmer-Wohnung bekommt man unter 1000 Franken. «Viele Bernerinnen und Berner würden nicht freiwillig nach Bethlehem ziehen», sagt Tanner. «Doch es gibt auch sympathische Ecken und Plätze.» Der Schlossgarten etwa, das Standesamt oder das nahe gelegene Weyerli, das grösste Freibad der Schweiz, in dem sich an heissen Tagen ganz Bern-West tummelt. Michael Friedli von Von Graffenried Liegenschaften bläst ins gleiche Horn: «Bethlehem hat einen schlechteren Ruf, als es tatsächlich ist», sagt Friedli. «Um ein In-Quartier zu werden, braucht es wohl noch viel Zeit.» Doch raumplanerisch sei einiges angedacht.