BLICK: Die EZB hat entschieden: Für 60 Milliarden Euro will sie Staatsanleihen und andere Wertpapiere aus den Euro-Ländern aufkaufen. Ein guter Entscheid?
Daniel Kalt: Es liegt in dem Bereich, den wir erwartet haben. EZB-Chef Mario Draghi war unter Druck, etwas ganz Grosses anzukündigen. Das hat er gemacht. Der Entscheid ist sicher positiv aufgenommen worden. Ein Wehrmutstropfen hat der Entscheid: Deutschland hat sich offenbar durchgesetzt, indem die EZB nur 20 Prozent der Anleihen kauft und damit dafür haftet. Das kann als negatives Signal gedeutet werden in Bezug auf den Euro. Alles in allem jedoch ist es ein Kompromiss.
Was heisst das für den Euro-Franken-Kurs?
Wir sehen, dass der Kurs sich unter einem einem Franken für den Euro eingependelt hat. Es ist gut möglich, dass dies eine bestimmte Zeit so bleibt. Vieles hängt davon ab, wie Griechenland übers Wochenende entscheiden wird. Kommt die linke Syriza an die Macht, kann der Euro schon noch schwächer werden. Meiner Meinung nach bleibt es in nächster Zeit ziemlich volatil, der Kurs kann also stark schwanken.
Was heisst das für die Schweizer Wirtschaft?
Firmen, die viel in den Euro-Raum exportieren, leiden und stehen vor grossen Herausforderungen. Ich gehe davon aus, dass Investitionspläne zurückgestellt werden. Unter anderem deshalb haben wir unsere Prognosen für dieses Jahr schon zurückgenommen. Wir gehen nur noch von einem Wachstum von 0,5 Prozent statt 1,8 Prozent aus.
Was heisst das für Schweizer Konsumenten?
Auf der einen Seite steigt die Kaufkraft der Schweizer. Denn die Preise sinken, das haben wir in der letzten Woche ja schon gesehen. Die Konsumenten haben also höhere Reallöhne. Auf der anderen Seite nimmt die Angst vor Arbeitslosigkeit tendenziell zu, je länger die Unsicherheit dauert. Wir gehen aber davon aus, dass die Konsumentenstimmung in der Schweiz robust bleibt.
Warum sinken jetzt die Börsen?
Die Bewertungen der Firmen sinken, weil ihre Gewinne wegen des Euro- und Dollarkurssturzes weggefressen werden. Wir dürfen nicht vergessen, dass gegen 90 Prozent der Gewinne der börsenkotierten Schweizer Firmen im Ausland erwirtschaftet werden. Auch weil neben dem Euro auch der US-Dollar gefallen ist, gehen wir davon aus, dass 13 bis 14 Prozent der Gewinne in der Schweiz auf einen Schlag weg sind.
War der Entscheid der Schweizerischen Nationalbank (SNB) also richtig, den Mindestkurs aufzuheben?
Rückblickend wohl schon. Bedenkt man die Aussagen, die SNB-Direktionsmitglied Fritz Zurbrügg heute im BLICK gemacht hat, dass die SNB allein im Januar für rund 100 Milliarden Franken hätte intervenieren müssen, kann man sich ausrechnen, was ein Beibehalten des Mindestkurses in den nächsten Monaten gekostet hätte. Streiten kann man sich sicher über den Zeitpunkt des Schritts. Es wäre für die SNB sicher einfacher gewesen, den Schritt im letzten Sommer zu vollziehen.