Steiler Aufstieg, brutaler Absturz
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Chefredaktor Christian Dorer:«Marcel Ospel war ein aussergewöhnlicher Typ»

UBS-Baumeister Marcel Ospel (†70)
Steiler Aufstieg, brutaler Absturz

Er setzte alles auf eine Karte und kam ganz nach oben: Der verstorbene Ex-UBS-Präsident Marcel Ospel (†70) war zeitweise einer der am meisten bewunderten Banker der Welt. Doch in der Finanzkrise verlor er Posten und Ehre.
Publiziert: 26.04.2020 um 23:14 Uhr
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Aktualisiert: 27.04.2020 um 14:38 Uhr
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Gezeichnet von der Krise: An der ausserordentlichen GV am 27. Februar 2008 muss Ospel den Aktionären die horrenden Verluste der UBS erklären.
Foto: Keystone
Guido Schätti

Und wieder steht die Welt in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit den 1930er-Jahren. Dabei ist es nur zwölf Jahre her, dass der Abgrund viel näher war: 2008 stand die Wirtschaft nicht still, weil die Regierungen das befohlen hatten, sondern weil sich das globale Finanzsystem im Lockdown befand. Keine Bank traute mehr der anderen, die angesehensten Geldhäuser hatten eben festgestellt, dass ihre Besitztümer zum Grossteil Schrott waren.

Einer stand mittendrin: Für Marcel Ospel (†70) wurde die Finanzkrise zum persönlichen Waterloo. Seine Bank, die UBS, galt als stockkonservativ, doch tatsächlich hatte sie sich so stark verspekuliert wie weltweit kaum ein anderes Institut. 70 Milliarden Franken setzte sie in den Sand.

Es habe ein bisschen reingenieselt, sagte Ospel nonchalant im Frühling 2007, als die ersten Verluste auftauchten. Zehn Monate später stand er mit dem Rücken zur Wand. Nach einer turbulenten, zehnstündigen Generalversammlung in der Basler St. Jakobshalle trat Ospel im Februar 2008 völlig erledigt vor die Presse. Niemand habe die Verluste sehen können, sagte er, sie seien wie eine Naturkatastrophe. Und wer, bitte schön, kann schon eine Naturkatastrophe voraussagen?

Damit war klar: Superbanker Ospel, der 26 Millionen Franken im Jahr kassierte, war so ahnungslos wie der Rest der Welt. Eine Welle hatte ihn hochgespült, jetzt begrub sie ihn unter sich. Er hatte einfach seinen Analysten vertraut, und die hatten ihm gesagt: alles im grünen Bereich. Dabei war die UBS längst auf einen Eisberg aufgefahren.

Nicht mal zurückgezahlte Boni konnten seinen Ruf retten

Ospels Karriere war beendet. Zwei Monate später, im April 2008, war er weg. Angeblich verzichtete er freiwillig auf die Wiederwahl als Verwaltungsratspräsident der UBS. Später wurde bekannt, dass ihn die Aufsicht zum Rücktritt gezwungen hatte. Wie andere gefallene UBS-Granden zahlte er später einen zweistelligen Millionenbetrag an Boni zurück. Doch seinen Ruf konnte Ospel damit nicht retten.

Marcel Ospel ist tot
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Im Alter von 70 Jahren:Marcel Ospel ist tot

Er war zwar noch immer steinreich, ihm gehörte eine protzige Villa mit Säulen zuoberst auf dem Reichenhügel im Steuerparadies Wollerau SZ, seine junge Frau hatte eben Zwillinge geboren. Doch gesellschaftlich war Ospel wieder an der gleichen Stelle, an der er angefangen hatte. Ganz unten.

Ospel wuchs in bescheidenen Verhältnissen in Kleinbasel auf, ging in einer Gegend mit schlechtem Ruf zur Schule, machte eine Lehre bei einer kleinen Börsenbank, später die HWV. Von da an ging es nur noch aufwärts. Mit seiner ersten Ehe heiratete er in die feine Basler Gesellschaft ein, plötzlich gehörte der Bäckerssohn zum Daig.

Ospel war der geborene Spekulant. Auch als er den Börsenring längst verlassen hatte, blieb er ein Zocker. Und meist setzte er auf die richtige Karte. Beim Bankverein kam er ganz nach oben, zusammen mit Mathis Cabiallavetta (75), seinem Pendant bei der Bankgesellschaft, zimmerte er 1997 die damals grösste Fusion der Schweizer Wirtschaftsgeschichte: der Zusammenschluss von SBV und SBG zur UBS. Nur ein Dreivierteljahr später war Cabiallavetta weg, gestolpert über die Verluste bei einem Hedgefonds. Ospel war Alleinherrscher der UBS.

Nach harzigem Start kamen ab 2004 die goldenen Jahre. Unter Präsident Ospel fuhr die UBS Rekordgewinn um Rekordgewinn ein. Weltweit war kein Institut damals profitabler. Der UBS flossen die Milliarden zu, sie wurde zur Bank der Superreichen. Doch das reichte Ospel nicht. Der Steuermann gab das Ziel heraus: Die UBS sollte auch die grösste Investmentbank der Welt werden, mindestens auf Augenhöhe mit Goldman Sachs und J.P. Morgan. Auch politisch wagte sich Ospel aus dem Dickicht: Zusammen mit SVP-Lenker Christoph Blocher (79) und dem Banker Martin Ebner (74) blies er zum Angriff auf den Staat.

Seine Freunde hielten immer zu ihm

Für Ospels Ehrgeiz zahlt die UBS einen horrenden Preis. Nach seinem Abgang 2008 musste sie zweimal vom Staat gerettet werden. Zuerst, weil sie sich im US-Immobilienmarkt verzockt hatte, dann, weil das Geld der Superreichen zum Teil Schwarzgeld war und die USA mit einer tödlichen Klage drohten. Per Notrecht rückte der Bund schliesslich die Namen von Steuersündern heraus. Das Ende des Bankgeheimnisses – es hat viel mit Marcel Ospel zu tun.

Letztlich blieb ihm nur seine geliebte Fasnacht. Seine Cliquen-Kollegen bei den Revoluzzern hielten zu ihm, egal, ob er nun der Herr der UBS war oder ein Geächteter. Sie schirmten ihn ab, als er mitten in der Finanzkrise an der Fasnacht auftauchte. Als er schon vor Jahren erstmals an Krebs erkrankte, hätten sie sich lieber die Zunge abgebissen, als mit der Geschichte zu hausieren.

Für die UBS war Ospel ein Verhängnis. Für seine Freunde muss er ein grossartiger Mensch gewesen sein.

Peter Kurer: «Marcel Ospel ist der Mann, der die moderne UBS gebaut hat»

Peter Kurer (70) löste mitten in der Finanzkrise Marcel Ospel (†70) im April 2008 als Verwaltungsratspräsident an der Spitze der UBS ab. Als Jurist und Wirtschaftsanwalt war er seit 2002 Mitglied der UBS-Konzernleitung. Er kannte Ospel gut, war ein enger Weggefährte von ihm – einer, der Ospel auch immer gegen alle Anfeindungen verteidigte.

Zu BLICK sagt Kurer nach Ospels Tod: «Das ist eine sehr traurige Nachricht. Ich habe ihn gut gemocht. Er war ein Topmanager, der vor allem auf Leistung und Verdienste geschaut hat und weniger auf Seilschaften. Gerade auch in der heutigen Zeit zeigt es sich, dass Krisen – wie auch damals die Finanzkrise – von aussen kommen. Marcel Ospel ist der Mann, der die moderne UBS gebaut hat. Eine Bank, die heute zu den stärksten in Europa gehört.»

Peter Kurer (links) im Gespräch mit Marcel Ospel während der ausserordentlichen Generalversammlung der UBS am 27. Februar 2008. Kurz darauf löste Kurer Ospel an der der Spitze der UBS ab.

Peter Kurer (70) löste mitten in der Finanzkrise Marcel Ospel (†70) im April 2008 als Verwaltungsratspräsident an der Spitze der UBS ab. Als Jurist und Wirtschaftsanwalt war er seit 2002 Mitglied der UBS-Konzernleitung. Er kannte Ospel gut, war ein enger Weggefährte von ihm – einer, der Ospel auch immer gegen alle Anfeindungen verteidigte.

Zu BLICK sagt Kurer nach Ospels Tod: «Das ist eine sehr traurige Nachricht. Ich habe ihn gut gemocht. Er war ein Topmanager, der vor allem auf Leistung und Verdienste geschaut hat und weniger auf Seilschaften. Gerade auch in der heutigen Zeit zeigt es sich, dass Krisen – wie auch damals die Finanzkrise – von aussen kommen. Marcel Ospel ist der Mann, der die moderne UBS gebaut hat. Eine Bank, die heute zu den stärksten in Europa gehört.»

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