Sollten sich die Briten nächste Woche zum Austritt aus der EU entscheiden, käme dies die Schweiz teuer zu stehen. «Bei einem Ja ist mit Turbulenzen an den Märkten zu rechnen«, sagte Notenbank-Präsident Thomas Jordan (53) gestern in Bern. Konkret heisst das: Die Aktienmärkte und das britische Pfund würden verlieren, der Franken ginge durch die Decke.
Der Schweizerischen Nationalbank (SNB) müsste massiv Gegensteuer geben. «Wir würden unsere Politik anpassen, um den Turbulenzen zu begegnen.» Zwei Instrumente hat die SNB dafür: die Negativzinsen und Interventionen am Devisenmarkt. Die SNB müsste erneut Fremdwährungen in grossem Stil kaufen, um den Druck vom Franken zu nehmen.
Zuständig für die Operationen ist das Departement III der SNB unter Leitung von Andréa Maechler (47). «Wir verfolgen die Märkte rund um die Uhr», sagte sie.
Weitere Zinssenkung nicht ausgeschlossen
Ob nach einem Briten-Ja die Zinsen gesenkt würden, liess Jordan offen. Er betonte aber, dass die SNB Spielraum nach unten habe. Bis jetzt gebe es keine Anzeichen, dass die Leute ihr Geld bei den Banken abheben und zu Hause horten würden. Bis auf weiteres lässt die SNB den Zins aber bei -0,75 Prozent.
Stimmen, die sich vom Brexit einen Vorteil für die Schweiz versprechen, stellte sich Jordan entgegen: «Es läge im Interesse der Schweiz, wenn Grossbritannien in der EU bleiben würde.» Denn die Unsicherheiten nach einem Ja der Briten würden den Aufschwung in Europa abwürgen. Das bekäme auch die Schweizer Exportwirtschaft zu spüren.
Die Notenbank hält einen Verbleib der Briten in der EU für wahrscheinlicher als einen Austritt. In den letzten Tagen sei die Wahrscheinlichkeit für den Brexit aber gestiegen, sagte Jordan.
UBS und CS fehlen 70 Milliarden Franken
Vor allem Bankaktien stehen wegen der Brexit-Gefahr unter Druck. Auch gestern verloren die Aktien von UBS und CS. Die Grossbanken sind heute zwar stabiler als nach der Finanzkrise, die SNB fordert aber noch dickere Eigenkapitalpolster. Gemäss ihrem Stabilitätsbericht fehlen UBS und CS zusammen 70 Milliarden Franken, bis sie die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.
Je 10 Milliarden brauchen sie in Form von Zwangswandelanleihen, die bei einer Krise zu Eigenkapital werden. Je 20 bis 25 Milliarden müssen sie bereitstellen, damit nach einem Kollaps nicht der Staat eingreifen muss.
«Das ist eine Herausforderung für die Banken, aber es ist nötig», sagte Fritz Zurbrügg, der bei der SNB für die Finanzstabilität zuständig ist. Dickere Kapitalpolster seien auch im Interesse der Banken, so Zurbrügg: Im ersten Quartal seien erneut Diskussionen aufgeflammt, wie widerstandsfähig die CS sei.
Schweizer Banken rechnen ihre Risiken schön
Die SNB kritisiert im Stabilitätsbericht auch die UBS. Die Notenbank lässt durchblicken, dass sie der Methode, mit der die UBS ihre Risiken berechnet, nicht für koscher hält. In einem internationalen Vergleich schneidet die UBS schlecht ab: Im Schnitt weisen die Banken rund einen Drittel ihrer Gesamtschulden als risikobehaftet aus. Bei der UBS sind es nur gut 20 Prozent. Auch die CS liegt deutlich unter dem internationalen Durchschnitt.
Fazit der SNB: Das Kernkapital der Schweizer Grossbanken liege unter dem Durchschnitt von anderen global tätigen Banken.