Urlauber zahlen oft Tausende von Franken für ihre Traumreise. Doch dieser Fall zeigt: Manchmal kommt nur ein kleiner Teil des Gelds bei der Person an, welche die Ferien zum unvergesslichen Erlebnis macht: dem Reiseleiter. BLICK liegt ein grenzwertiger Arbeitsvertrag vor, den der milliardenschwere Reisekonzern Tui für Christian Zühlke aus Bassersdorf ZH aufgesetzt hat. «Das grenzt an moderne Sklaverei!», sagt Zühlke.
Nach 15 Jahren bei Banken und Versicherungen will sich Zühlke neu orientieren. Im Internet sieht er ein Job-Inserat von Tui. Er meldet sich. Schnell wird klar: Er ist überqualifiziert. Man bietet ihm einen Job im Business Support Team in Dubai an. Zühlke überlegt nicht lange und bewirbt sich.
«Ich dachte, mich trifft der Schlag»
Eine Woche später erhält er den Arbeitsvertrag. Vom Bürojob ist im Dokument keine Rede mehr. Tui bietet Zühlke eine Stelle als Reiseleiter an. Auf drei Monate beschränkt. Der Lohn: 1133 Franken brutto. Dazu allfällige Provisionen, sollte er den Urlaubern Ausflüge verkaufen oder Mietautos vermitteln. Zühlke sagt über das Angebot: «Ich hab gedacht, mich trifft der Schlag.»
Er zahlt 350 Franken Krankenkasse im Monat und 1865 Franken Miete. «Wie soll ich da mit einem Nettolohn von weniger als 1000 Franken auskommen?»
Darum reklamiert Zühlke sofort. Die Antwort von Tui: «Sie haben einen Reiseleitervertrag erhalten, da dies unsere Standardverträge für Reiseleiter, Flughafenreiseleiter und für die Administration sind.» Auch im Büro in Dubai hätte Zühlke also für 1133 Franken arbeiten müssen – aber keine Aussicht auf eine Provision gehabt.
Vertrag verstösst gegen Obligationenrecht
Die Gewerkschaft Unia analysierte für BLICK die Klauseln im Arbeitsvertrag. «Weil der Grossteil des Lohns aus Provisionen besteht, hat der Arbeitnehmer kaum Kontrolle über dessen Höhe», sagt Regula Dick von der Rechtsabteilung der Gewerkschaft. Dass Zühlke weder bei Krankheit noch in den Ferien einen Provisionsausgleich bekommen soll, verstösst laut Dick gegen das Obligationenrecht. Es sei eine durchschnittliche Provision zu bezahlen.
Mit dem Vertrag hätte sich Zühlke zudem verpflichtet, dass ihn Tui jederzeit weltweit einsetzen und mit Sonderaufgaben betrauen kann. «Sonderaufgaben können unter Umständen unzumutbar sein», sagt die Rechtsberaterin. Zum Beispiel, wenn ein Reiseleiter regelmässig dazu herangezogen würde, Toiletten zu putzen.
Ob die Arbeitsbedingungen vor dem Arbeitsrecht standhielten, lasse sich aber erst sagen, wenn der Vertrag umgesetzt wird und die konkreten Arbeitsbedingungen klar sind.
«Freie Kost und Logis»
Tui Schweiz äussert sich nicht zum Fall, dafür meldet sich ein Sprecher aus dem Konzern-Hauptsitz in Hannover (D): «Der Reiseleiter erhält neben seinem Gehalt freie Kost und Logis.» Zudem erhalte er für die Zeit der Anstellung ein Fahrzeug am Arbeitsort.
Die weltweite Einsetzbarkeit werde in der Regel «sehr geschätzt». Zudem setze der Konzern seine Angestellten auch nicht ein, wie und wo es ihm gerade passt: «Es handelt sich um gleichwertige und zumutbare Aufgaben, die sich alle im Rahmen des Bereiches Reiseleitung bewegen.»
Zühlke kann hier nur den Kopf schütteln. Er will nichts mehr von Tui wissen.