Trotzreaktion der Pensionskassen-Branche
Ist der Umwandlungssatz von 6,8 Prozent wirklich zu hoch?

Die Vorsorge-Lobby behauptet, die Pensionskassen müssten jetzt ihre Leistungen reduzieren. Doch es gibt Kassen, die daran festhalten werden. Auch weil sie die Vorsorgegelder viel besser anlegen.
Publiziert: 29.09.2024 um 16:21 Uhr
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Lukas Müller-Brunner, der Direktor des Pensionskassenverbands ASIP, glaubt, dass die «allermeisten ins Überobligatorium gehen» werden.
Foto: Zvg

Auf einen Blick

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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Nach dem letzten Abstimmungssonntag ist klar: Der gesetzliche Umwandlungssatz bleibt bei 6,8 Prozent. Er wird nicht auf 6 Prozent gesenkt, wie es die Befürworter der BVG-Reform gefordert hatten. Die vernichtende Niederlage führte im Verliererlager zu Trotzreaktionen. FDP-Politikerin Regine Sauter (58) sagte am Sonntag vor laufenden Fernsehkameras: «Von uns kommt kein neuer Vorschlag für eine Reform. Ich wüsste auch nicht, wie ein solcher aussehen sollte.» Für Sauter ist klar: Die Kassen müssen die Probleme jetzt selbst lösen.

Lukas Müller-Brunner (42), der Direktor des Pensionskassenverbands ASIP, brachte einen Tag später auf den Punkt, was das konkret für die Vorsorgeeinrichtungen heisst. «Die allermeisten werden ins Überobligatorium gehen. Das heisst, sie gehen weg von der gesetzlichen Mindestvorsorge. Ich glaube, das ist nicht nur eine zeitgemässe, sondern auch eine sinnvolle Lösung», sagte er am Montag in der «Tagesschau» von SRF. 

Erhöhte Lohnabzüge

Weg vom gesetzlichen Minimum? Geht das überhaupt? Ja, das geht. Keine Kasse ist verpflichtet, ihren Versicherten das BVG-Obligatorium anzubieten. Pensionskassen können ihre Vorsorgepläne mit zusätzlichen Elementen ergänzen, die über das gesetzliche Minimum hinausgehen. Sie erhöhen beispielsweise freiwillig die Lohnabzüge. Zahlt der Arbeitnehmer mehr in die Pensionskasse ein als gesetzlich vorgeschrieben, so baut er überobligatorisches Kapital auf.

Der Clou: Dieses überobligatorische Kapital kann zu einem deutlich tieferen Satz umgewandelt werden. Theoretisch kann der Überobligatoriumssatz gegen null tendieren. Die Vorsorgeeinrichtungen nutzen dies, um die Umwandlungssätze auf dem gesamten Alterskapital deutlich zu senken – auf 5,5 Prozent, auf 5 Prozent oder darunter. 

Den wenigsten Arbeitnehmenden dürfte bewusst sein, dass Kassen die gesetzlichen Vorgaben bereits seit Jahren umkurven. Die Aussage von ASIP-Direktor Müller-Brunner, dass nun die Kassen ins Überobligatorium einsteigen werden, ist deshalb nur eine Bestätigung des eingeschlagenen Weges. 

Die grosse Frage ist, ob die Kassen den Ausstieg aus dem Obligatorium beschleunigen werden. Adrian Wüthrich (44), Präsident der Gewerkschaft Travail Suisse, glaubt nicht daran. «Ich erwarte nicht, dass die Kassen im grossen Stil BVG-Minimum-Vorsorgepläne streichen werden», sagt er zu Blick. Erstens habe das Volk klar entschieden, dass es keine Verschlechterung der Renten wolle. «Zweitens ist das in den meisten Fällen auch nicht nötig, da viele Kassen genügend dicke finanzielle Polster haben, um die Renten finanzieren zu können», sagt er. 

Letzte Bastionen mit hohem Umwandlungsatz

Tatsächlich gibt es in der PK-Landschaft auch Bastionen, die ihren Versicherten weiterhin einen hohen Umwandlungssatz anbieten können. Dazu gehören zum Beispiel die Branchenkassen, die der Sammelstiftung Proparis des Gewerbes angeschlossen sind. Das sind unter anderem die Kassen der Coiffeure, Bäcker oder Gärtner. Bei den Proparis-Kassen werden rund 75 Prozent der Altersguthaben nach dem gesetzlichen Umwandlungssatz verrentet. 

Warum können sie das? Die Proparis-Kassen verfügen über einen hohen Deckungsgrad und können es sich leisten, das Geld risikoreicher anzulegen. Das heisst, sie haben zum Teil einen Aktienanteil von bis zu 45 Prozent – deutlich mehr als eine durchschnittliche Kasse. «Weil wir mit unseren Anlagen eine höhere Rendite erzielen, tut uns der gesetzliche Umwandlungssatz kaum weh», sagt ein Kassenvertreter hinter vorgehaltener Hand. 

Um den Umwandlungssatz von 6,8 Prozent ohne Quersubventionierung durch die Jungen bezahlen zu können, müssen die Kassen eine Rendite von 4,5 bis 5 Prozent erzielen. Das gelingt nicht immer, aber in guten Jahren eben doch. Gerade grössere Kassen sind oft besser als die vielen kleinen, die de-facto von PK-Beratern gesteuert sind und konservative Strategien fahren, um ja nichts falsch zu machen. 

Auch Gewerkschafter Adrian Wüthrich kritisiert die Haltung der Vorsorgelobby. Er sagt: «Die Märkte geben deutlich mehr her, als die PK-Branche uns ständig einzubläuen versucht.»

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