Trotz weltweiter Proteste
Klimaflaute bei Schweizer Firmen

In Deutschland engagieren sich mittlerweile auch Unternehmen in der Klimabewegung. In der Schweiz hingegen kann die Klimajugend kaum auf Unterstützung aus der Wirtschaft zählen.
Publiziert: 23.09.2019 um 11:22 Uhr
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Demo-Teilnehmerinnen in Zagreb (Kroatien) am globalen Klimastreik.
Foto: AFP
Dana Liechti und Danny Schlumpf

Der Druck von der Strasse zeigt Wirkung. Die Klimajugend hat es geschafft, ihre Anliegen in wenigen Monaten zum dominierenden Thema der Weltpolitik zu machen. Kein Politiker, der nicht mindestens ein bisschen grün geworden ist.

Doch wie sieht es in der Wirtschaft aus? Wie posi­tionieren sich die Unternehmen? Vorgestern Freitag erreichte die Klimabewegung ihren vorläufigen Höhepunkt. Millionen Menschen gingen weltweit auf die Strasse. In Deutschland schlossen sich den Demos auch zahlreiche Firmen an – immer mehr Unternehmen steigen auf den Zug der Klimabewegung auf. Flixbus etwa bietet seit neustem gratis Anreisen an die Demos an. Der Nutzfahrzeughersteller Scania stoppte am Freitag weltweit die Produktion für eine Stunde. Der Verlag Axel Springer ermöglichte seinen Mitarbeitenden die Demo-Teilnahme während der Arbeitszeit. Auch der Bio-Lebensmittelhändler Alnatura rief dazu auf, an den Demos teilzunehmen und verteilte gratis Früchte an Klimajugendliche. Und die deutsche Migros-Tochter Tegut hat sich offiziell der Fridays-for-Future-Initiative «Entrepreneurs for Future» angeschlossen.

Nichts als Lippenbekenntnisse

Und in der Schweiz? Fehlanzeige. Bei hiesigen Firmen herrscht Klima­flaute. Eine Umfrage von SonntagsBlick bei mehr als 40 der grössten Schweizer Unternehmen zeigt: Kein einziges stellt sich hinter die Klimajugend und die Forderungen, die sie in der Klima-Charta fixiert hat.

Wenn überhaupt, gibt es Lippenbekenntnisse. Es sei grundsätzlich zu begrüssen, dass sich Jugendliche kritisch mit dem Thema auseinandersetzen, schreibt der Stromkonzern Axpo. Die Post teilt mit: Sich für die mit den Demos verbundenen Klimaziele einzusetzen, sei wichtig und richtig. Und die SBB lassen wissen, dass die Anliegen der Klimademos auch ihnen wichtig seien.

Die meisten Unternehmen – darunter Roche, Credit Suisse, Swisscom, Migros, Coop und Nestlé – verweisen auf ihre eigenen Projekte im imagefördernden Bereich «Nachhaltigkeit». Die Verantwortung wälzen sie auf die Politik ab. Die Forderungen der Klimajugend seien politisch und dazu äussere man sich nicht, so der Tenor.

Die grössten Gegner der Klimajugend, die Rohstoffkonzerne Glencore und Vitol, reagieren gar nicht erst auf die Anfrage von SonntagsBlick.

Mitarbeiter dürfen streiken – unbezahlt

Worin sich alle angefragten Firmen einig sind: Ihre Mitarbeiter dürfen sich an den Demos beteiligen – ­allerdings unbezahlt. Auf ­Unterstützung der grossen Player darf die Schweizer Klimajugend, die zusammen mit der Klimaallianz am kommenden Samstag zur nationalen Klimademo aufruft, also kaum zählen. Aber: Von Gratisfrüchten von Alnatura profitieren auch sie. Hinzu kommt: Die SBB bieten vergünstigte Tickets für die Anreise an die Demo an und die Schweizer Jugendherbergen gewähren Demo-Teilnehmer ­Rabatt auf Übernachtungen.

Und die Restaurant-Kette Tibits, die zwar nicht zu den grössten Unternehmen gehört, aber in vielen Städten Ableger hat, gibt der Klimajugend dann doch als erste Firma Rückendeckung und schreibt: «Wir stehen als Unternehmen klar hinter den Forderungen der Klima­bewegung.»

Das ist erst der Anfang der Klimabewegung

Die Klimajugend steckt in der Krise. Ihr geht die Puste aus. So liest und hört man immer wieder. Zum Beispiel, wenn Klima­jugendliche nach stundenlangen Diskussionen weinend aus Sitzungszimmern fliehen, wie kürzlich am Klimagipfel in Lausanne. Tatsächlich stossen die Klimajugendlichen immer wieder an ihre Grenzen. Das räumen sie selbst ein. Mittlerweile gibt es für überanstrengte Klima­jugendliche in der Stadt Bern sogar Massagegruppen.

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Die Streiks sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Aktivisten sind noch viel aktiver, als es scheint. Über unzählige Chats sind die jungen Leute ständig miteinander in Kontakt. In zig Arbeitsgruppen landauf, landab stecken sie unzählige Stunden in Projekte. Ihr Terminkalender? Voll! Der kleine Coup im Nationalrat diese Woche war nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Aktionen, die kommende Woche im Rahmen der «Action Week» stattfinden und am Samstag in einer nationalen Demo gipfeln sollen.

Gerade erst wurden auch die Ergebnisse der sogenannten Klima-Charta veröffentlicht, in der National- und Ständeratskandidierende Stellung zu den Forderungen der Klimajugend beziehen. Und für ein «Klimablatt», das noch vor den Wahlen in möglichst viele Schweizer Haushalte flattern soll, sammelten die Aktivisten innert kürzester Zeit über 150 000 Franken.

Bei so vielen Projekten lässt sich nachvollziehen, dass die Nerven manchmal blank liegen. Ein Beweis dafür, dass die Bewegung lahmt, ist das aber nicht. Wo so viel läuft, kann von Stillstand nicht die Rede sein. Und: Wieso eigentlich legen wir unseren Fokus auf Ermüdungserscheinungen von Jugend­lichen, die für die Zukunft unseres Planeten kämpfen, während wir die Augen davor verschliessen, dass die Umweltzerstörer überall auf der Welt nach wie vor tagtäglich am Werk sind?

Eines ist sicher: Die Klimastreiks zeigen Wirkung. Der Druck auf die Politik steigt. Diese Woche etwa hat der Nationalrat einer Flugticketabgabe zugestimmt – noch im Dezember hatte er dies abgelehnt.

Nein, die Klimabewegung ist nicht am Ende. Sie fängt gerade erst an, richtig gross zu werden. Vorgestern Freitag gingen auf der ganzen Welt Millionen Menschen fürs Klima auf die Strasse. So viele wie noch nie. Dana Liechti

Die Klimajugend steckt in der Krise. Ihr geht die Puste aus. So liest und hört man immer wieder. Zum Beispiel, wenn Klima­jugendliche nach stundenlangen Diskussionen weinend aus Sitzungszimmern fliehen, wie kürzlich am Klimagipfel in Lausanne. Tatsächlich stossen die Klimajugendlichen immer wieder an ihre Grenzen. Das räumen sie selbst ein. Mittlerweile gibt es für überanstrengte Klima­jugendliche in der Stadt Bern sogar Massagegruppen.

Ein Blick hinter die Kulissen zeigt: Die Streiks sind nur die Spitze des Eisbergs. Die Aktivisten sind noch viel aktiver, als es scheint. Über unzählige Chats sind die jungen Leute ständig miteinander in Kontakt. In zig Arbeitsgruppen landauf, landab stecken sie unzählige Stunden in Projekte. Ihr Terminkalender? Voll! Der kleine Coup im Nationalrat diese Woche war nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Aktionen, die kommende Woche im Rahmen der «Action Week» stattfinden und am Samstag in einer nationalen Demo gipfeln sollen.

Gerade erst wurden auch die Ergebnisse der sogenannten Klima-Charta veröffentlicht, in der National- und Ständeratskandidierende Stellung zu den Forderungen der Klimajugend beziehen. Und für ein «Klimablatt», das noch vor den Wahlen in möglichst viele Schweizer Haushalte flattern soll, sammelten die Aktivisten innert kürzester Zeit über 150 000 Franken.

Bei so vielen Projekten lässt sich nachvollziehen, dass die Nerven manchmal blank liegen. Ein Beweis dafür, dass die Bewegung lahmt, ist das aber nicht. Wo so viel läuft, kann von Stillstand nicht die Rede sein. Und: Wieso eigentlich legen wir unseren Fokus auf Ermüdungserscheinungen von Jugend­lichen, die für die Zukunft unseres Planeten kämpfen, während wir die Augen davor verschliessen, dass die Umweltzerstörer überall auf der Welt nach wie vor tagtäglich am Werk sind?

Eines ist sicher: Die Klimastreiks zeigen Wirkung. Der Druck auf die Politik steigt. Diese Woche etwa hat der Nationalrat einer Flugticketabgabe zugestimmt – noch im Dezember hatte er dies abgelehnt.

Nein, die Klimabewegung ist nicht am Ende. Sie fängt gerade erst an, richtig gross zu werden. Vorgestern Freitag gingen auf der ganzen Welt Millionen Menschen fürs Klima auf die Strasse. So viele wie noch nie. Dana Liechti

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