Die Alpwirtschaft liegt am Fuss des Pilatus. A. R.* hat alles für die warmen Tage vorbereitet. Doch Gäste wird er hier so rasch keine mehr verköstigen: Der Bundesrat hat die vorläufige Schliessung aller Gaststätten verfügt. Klagen mag der Wirt nicht: «Wir werden es überstehen, darum will ich nicht in der Presse jammern. Aber es wird nicht einfach!»
Bis vor wenigen Tagen glaubte R. fest daran, wirtschaftlich gewappnet zu sein. Auch gegen Seuchen: Im Herbst 2018 hatte er eine Versicherung bei der Helvetia abgeschlossen. Die Police liegt SonntagsBlick vor. Sie hält fest, dass ein Ertragsausfall «infolge Epidemie» bis zu einer Höhe von 1,3 Millionen Franken gedeckt ist. Als der Wirt diese Woche bei seiner Versicherung nachfragte, wie er seine Verluste geltend machen könne, beschied ihm die Helvetia-Beraterin per Mail: «Alles, was ab der Stufe Pandemie (ab 11. März) vorgefallen ist, ist ausgeschlossen.»
An jenem Tag hat die Weltgesundheitsorganisation WHO das Coronavirus zur Pandemie erklärt. Das heisst, zu einer weltweit auftretenden Epidemie. Für die Schweiz fiel der Beschluss nicht ins Gewicht: Angesichts steigender Infektionszahlen hätte der Bundesrat auch dann das öffentliche Leben eingeschränkt, wenn das Virus lediglich in Europa aufgetreten wäre.
Zweifelhafte Argumentation
Und ob nun auch Afrika und Amerika von Corona betroffen sind oder nicht: R.s Wirtschaft bleibt geschlossen. Offenbar sieht die Helvetia aber gerade hier ein Schlupfloch. Auf Anfrage von SonntagsBlick schreibt sie: «Pandemien gehören als Extremereignis zu den nur sehr beschränkt versicherbaren Ereignissen, da sie schwer kalkulierbar sind und weltweit mit grossem Ausmass auftreten.» In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen sei daher für den Fall einer Pandemie ein Ausschluss der Haftung festgehalten.
Ob dies juristisch haltbar ist, steht auf einem anderen Blatt. «Dass die Argumentation der Versicherung berechtigt ist, scheint mir zweifelhaft», sagt Volker Pribnow, Fachanwalt für Versicherungsrecht in Baden AG. «Wenn die Versicherer sich nun auf ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen berufen möchten, müssen diese dem Versicherten in Bezug auf unerwartete Deckungseinschränkungen erläutert worden sein. Dies dürfte in den meisten Fällen kaum zutreffen.»
Kein Einzelfall
Seine Beraterin hätte R. demnach vor dem Abschluss der Police auf die Pandemie-Klausel aufmerksam machen und sie ihm erklären müssen. R. betont, dies sei nicht geschehen.
Er ist nicht der einzige Wirt, dessen Versicherung sich im Ernstfall sperrt. Das sagt Casimir Platzer, Präsident des Branchenverbandes Gastrosuisse. «Ich habe Kenntnis von mehreren Fällen, bei denen mit solchen Spitzfindigkeiten argumentiert wird», so Platzer. Erst sammelten die Versicherer fleissig Prämien, dann aber, wenn der Notfall eintritt, stellen sie sich quer. «Das ist ein absolutes No-Go.» Für R. ist jedenfalls klar, dass er die Versicherung wechseln wird. «Wenn alles ausgestanden ist. Im Moment muss ich mich um meinen Betrieb kümmern.»
*Name der Redaktion bekannt