Millionenverluste! Stellenabbau! Investitionsstopp! Als die Schweizerische Nationalbank (SNB) am 15. Januar den Mindestkurs zum Euro aufhob, prophezeiten Wirtschaftsverbände und Politiker das nahe Ende des Werkplatzes Schweiz.
In Bundesbern war die Panik gar so gross, dass der Nationalrat eine Sonderdebatte einberufen hat. Sie findet heute statt und hat zum Ziel, dass der Bundesrat der Schweizer Wirtschaft unter die Arme greift.
Doch zwei Monate nach dem Frankenschock zeigt sich: Es war wohl nur ein Schöckli. Der Schweizer Aktienindex SPI hat die Verluste vom Januar schon wieder aufgeholt (siehe Grafik). Der Euro, die wichtigste Fremdwährung für die Exportindustrie, hat sich von 1.0 auf 1.07 Franken erholt. Der Dollar ist erneut mehr als einen Franken wert.
Die Rezession wurde verschoben. Die Konjunkturforscher des Bakbasel rechnen mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts von einem Prozent!
Eine Übersicht der wichtigsten Branchen zeigt, dass durchaus Optimismus angebracht ist.
Baubranche – Top
Frankenstärke und Negativzinsen treiben Anleger in die Immobilien. Davon profitiert der Wohnungsbau – die wichtigste Bausparte. «Die Frankenstärke hat kurzfristig kaum Auswirkungen auf die Bautätigkeit», sagt Silvan Müggler vom Baumeisterverband. Dramatisch werde es auch in den nächsten zwölf Monaten nicht. Einzige Ausnahme: «In den Bergregionen wird der Wohnungsbau einbrechen», sagt Müggler. Schuld daran sei aber nicht der starke Franken, sondern der Zweitwohnungsartikel.
MEM-Industrie – So lala
Drei Viertel der Produkte aus der Metall-, Elektro- und Maschinenindustrie (MEM) werden exportiert. Der grösste Teil ins Euroland. Seit dem Frankenschock ist die Wettbewerbsfähigkeit laut dem Verband Swissmem um weitere 15 Prozent geschrumpft. Doch mit dem Euro-Franken-Kurs erholen sich auch die Gewinnmargen. Und durch den Druck sind viele Betriebe effizienter geworden. «Zu hoffen bleibt, dass sich die Konjunktur nicht zusätzlich abschwächt», sagt ein Swissmem-Sprecher.
Tourismus – Flop
Keine Branche ist stärker betroffen. «Wir sind eigentlich eine Exportbranche, wobei die Leistungen im Inland bezogen werden», sagt Barbara Gisi, Direktorin des Schweizer Tourismus-Verbands. Man könne die Produktion nicht wie andere Branchen einfach ins Ausland verschieben. Für Hoteliers und Seilbahnen werde es aber erst im Sommer richtig schlimm.
Uhrenindustrie – Top
Nach dem Ende des Mindestkurses sprach Swatch-Chef Nick Hayek von einem «Tsunami», der die ganze Schweizer Industrie unter Wasser setzen werde. Inzwischen sieht er die Situation entspannter: «Die Uhrenbranche trifft das Ende des Mindestkurses kaum», sagte er letzte Woche. Bei der Swatch Group gehen nur 18 Prozent der Exporte in den Euroraum. Die grossen Uhrenmarken schauen eher auf den Dollar. Und der Greenback ist bereits wieder auf dem gleichen Stand wie Anfang Jahr.
Detailhandel – So lala
Beim Konsum erwarten die Ökonomen der CS keinen Einbruch in diesem Jahr: «Der starke Franken und die tiefen Weltmarktpreise für Rohstoffe sind veritable Stimulus-Programme für den Konsum», heisst es in einer gestern veröffentlichten Studie. Der Rückgang des Preisniveaus um 1,3 Prozent erhöhe die Kaufkraft der Löhne um rund fünf Milliarden Franken. Zudem würden Euro-Rabatte die Konsumenten zu Mehreinkäufen verführen. Die Preisdifferenzen zum Ausland treiben aber den Einkaufstourismus an. Die IG Detailhandel rechnet damit, dass die Auslandeinkäufe dieses Jahr auf elf Milliarden Franken ansteigen.
Pharma – Top
Die grossen Konzerne wie Roche und Novartis bekennen sich zum Werkplatz Schweiz. Die Aufhebung des Mindestkurses habe keinen Einfluss auf Investitionen in Infrastruktur und Arbeitsplätze, sagen deren Chefs. «Die Pharmabranche ist trotz starker Aufwertung des Frankens international wettbewerbsfähig geblieben», sagt CS-Chefökonom Oliver Adler.
Finanzbranche – Flop
Die Negativzinsen der SNB fressen den Banken die Erträge weg und treiben die Kunden in die Flucht. Besonders die Vermögensverwalter kommen unter die Räder. Dasselbe gilt für die Pensionskassen. Sie zahlen auf ihren Konti bei der Nationalbank neuerdings eine Strafgebühr. Sie machen nun Druck, dass ihnen die Nationalbank die Negativzinsen erlässt.