Facebook hat sich zum Prediger des Datenschutzes gemausert. Doch mit den Daten, die seine neue Libra-Währung generieren wird, will der US-amerikanische Internetgigant nicht einmal etwas zu tun haben. Ein Versprechen, das der Konzern kaum halten wird. Denn Daten sind sein Geschäft.
Natürlich ist Vertrauen wichtig. Besonders wenn es um Geld geht. Aber ist diese Binsenweisheit ein Problem für die neue Währung? Wahrscheinlich nicht. Zwar hat Facebook das Vertrauen seiner Nutzer mit immer neuen Skandalen strapaziert; an deren Verhalten aber änderte sich nichts. Für über zwei Milliarden Menschen sind Facebook, Whatsapp und Instagram unentbehrlich. Weil diese Dienste alle nutzen. Weil sie leicht zugänglich und kostenlos sind. Dass der Preis die Weitergabe der persönlichen Daten ist, nehmen Nutzer in Kauf.
Auch die angekündigte Facebook-Währung Libra wird leicht zugänglich und kostenlos sein. Milliarden, die bis jetzt keinen Zugang zu Finanzdiensten haben oder in Ländern mit maroden Währungen leben, werden die Chance nutzen. Die Datenschutzfrage dürfte für sie zweitrangig sein. Aber sie stellt sich trotzdem.
Facebook will wissen, wer wem wie viel zahlt
Zwar hat Facebook angekündigt, es werde eine Trennung zwischen Facebook und Libra, zwischen sozialen und finanziellen Daten geben. «Aber das Datenschutzproblem ist damit nicht gelöst, denn verschiedene Datensätze lassen sich auch nachträglich zusammenführen», sagt Dirk Helbing (54), ETH-Professor für Computational Science. «Vor allem haben sich ähnliche Beteuerungen von Facebook in der Vergangenheit als falsch herausgestellt.»
Warum steigt Facebook sonst ins Internet des Geldes ein, wenn nicht der Daten wegen? Aleksander Berentsen, Professor für Wirtschaftstheorie an der Uni Basel: «Auch in diesem Fall sind die Daten die Goldgrube. Facebook will wissen, wer wem wie viel zahlt.»
Daran zweifelt auch David Chaum (64) nicht. Der Mitgründer der Kryptowährung Bitcoin zu SonntagsBlick: «Ein Klub etablierter Konzerne, der die Privatsphäre des traditionellen Bankings verspricht und gleichzeitig Profit aus der Masse derjenigen zieht, die keinen Zugang zu Banken haben, widerspricht sich selbst.»
Facebooks Einstieg in die Finanzwelt dürfte demnach keinen Abschied vom datenbasierten Werbemodell bedeuten, sondern dessen Erweiterung. Dass es Facebook nach wie vor um Daten geht, zeigt auch eine vermeintlich unscheinbare Randbemerkung in einem Papier zur Libra-Währung: «Wir glauben, dass ein dezentraler und portabler digitaler Identitätsnachweis eine Voraussetzung für finanzielle Inklusion und für den Wettbewerb ist.»
Mit anderen Worten: Facebook arbeitet an einer E-ID, die den Zugang zur digitalen Währung ermöglichen soll. Und im Gegen-satz zu Libra gibt das Unternehmen im Fall der elektronischen Identitätskarte nicht einmal das Versprechen zur Wahrung des Datenschutzes ab. Bern dürfte daher gut beraten sein, mit der Schweizer E-ID vorwärtszumachen. Denn die Facebook-ID kommt bestimmt.