Darum gehts
Für die Betreiber von Baumärkten ist derzeit gerade Weihnachten. Während der Dezember für Spielzeughersteller und viele andere Branchen die umsatzstärkste Phase des Jahres ist, bringt der Frühling den Höhepunkt für Gartenarbeiten und Heimwerkerprojekte. Das sorgt für volle Kassen – wenn die Voraussetzungen stimmen. Schlechtes Wetter oder eine gedrückte Konsumentenstimmung während der wichtigen Monate können das Jahresergebnis verhageln.
Und obwohl die Migros ihren Geschäftsbereich Do it+ Garden aufgibt, buhlen in der Schweiz weiterhin zahlreiche Anbieter um die Gunst der Hobby-Handwerkerinnen und -Handwerker: vom Discounter bis zum Spezialisten mit 15'000 Quadratmeter grossen Verkaufshallen.
Dabei hat der Sektor gerade schwierige Jahre hinter sich. Während der Pandemie waren die Verkaufszahlen in die Höhe geschnellt. 2021 erreichte der Branchenumsatz in der Schweiz laut Angaben des Marktforschungsinstituts GfK einen Rekordwert von 4,5 Milliarden Franken. Danach ging es bergab. Projekte wie die Sanierung des Badezimmers haben viele während Covid hinter sich gebracht. Der Bedarf an Renovationen im Eigenheim war erst einmal gedeckt. Die Hoffnungen auf eine Trendwende erfüllten sich nicht. Coop-Chef Philipp Wyss sprach mit Bezug auf die Auswirkungen des Regenwetters auf die Baumarkttochter Jumbo vom «zweiten himmeltraurigen Frühling in Folge».
Jumbo ist mit einem Umsatz von zuletzt rund 1,1 Milliarden Franken Schweizer Marktführer. Die Spitzenposition erreichte Coop 2021 durch die Übernahme der zuvor zur Familiengesellschaft Maus Frères gehörenden Jumbo-Fachmärkte. Aus dem Coop-Brand Bau+Hobby wurde ebenfalls Jumbo, womit die Kette auf über 100 Läden wuchs. Damit erreichte der Händler eine Grösse, um mit in der Schweiz aktiven Konkurrenten aus dem Ausland mitzuhalten. Um zusätzlich an Gewicht bei der Beschaffung zu gewinnen, schloss sich Jumbo einer internationalen Einkaufsgemeinschaft an, zu der unter anderen der deutsche Anbieter Hagebau gehört.
Grillverkäufe laufen heiss
Während das Logo mit dem blauen Elefanten längst vor allen Jumbo-Läden hängt, dauerte die Integration im Hintergrund länger. Das je nach Laden bis zu 80'000 Artikel umfassende Sortiment galt es zu harmonisieren, und eine einheitliche IT-Plattform sowie eine zentrale Logistik seien nötig gewesen, erklärt Daniel Stucker, Vizechef bei Coop und Verantwortlicher für die Fachmärkte des Unternehmens. «2025 ist das erste Jahr, in dem wir Jumbo genau so positioniert haben, wie es im Rahmen der Fusion geplant war», sagt er und blickt optimistisch auf das laufende Jahr. «Ich bin sehr zuversichtlich. Jetzt muss nur noch das Wetter mitspielen.»
Von April bis Juni macht die Branche bei Produktkategorien wie Pflanzen, Grills und Gartenmöbel rund 70 Prozent des Jahresumsatzes. Wenn an einem Samstag bei warmem Wetter die Sonne scheint, schnellen die Umsätze in die Höhe. Dann gilt es, reichlich Stiefmütterchen, Primeln und andere Gartenpflanzen im Laden bereitzustellen.
Die Bewirtschaftung des vielfältigen Sortiments sei anspruchsvoll, sagt Nordal Cavadini, Detailhandelsexperte des Beratungsunternehmens AlixPartners. In den Baumärkten besteht eine Auswahl von sperrigen Brettern über Schrauben bis zu rasch verderblicher Ware wie Blumen und Pflanzen. «Das Geschäft ist zudem personalintensiv, da die Kundschaft eine umfassende Beratung erwartet», sagt Cavadini.
Die Migros konnte diese Herausforderungen nicht meistern. Mit über zehn Genossenschaften zu verzettelt, verteilten Läden in unterschiedlichen Grössen deren Angebot. Mit einem Umsatz von rund 300 Millionen war der orange Riese in diesem Geschäft zudem eher ein Zwerg. Für den zum Verkauf gestellten Geschäftsbereich Do it + Garden fand sich denn auch kein Käufer. Nur um drei grossflächige Filialen buhlten verschiedene Konkurrenten. Den übrigen Läden droht die Schliessung. Höchstens einzelne Standorte könnten für Konkurrenten wie Jumbo interessant sein. Die Kundschaft kann sich erst einmal über Schnäppchen im Schlussverkauf freuen.
Die soften Anbieter Coop und Landi
Danach wird die Konkurrenz profitieren. Im Fall von Coop dürften nicht nur die Jumbo-Filialen, sondern auch die Supermärkte in Einkaufszentren Marktanteile hinzugewinnen. «Man macht den Grosseinkauf eher dort, wo der gesamte Bedarf gedeckt werden kann. Fehlen bestimmte Fachgeschäfte neben den Supermärkten, sinkt die Attraktivität des Standorts», sagt Nordal Cavadini. Wer im Frühling neben Eiern und Bananen auch noch Setzlinge für den Garten sucht, lässt das Shoppingcenter der Migros in Zukunft wohl eher links liegen und fährt zu Coop mit einem Abstecher zu Jumbo.
Noch ein zweiter Schweizer Anbieter gehört zu den Schwergewichten im Do-it-yourself-Markt (DIY). Landi hat vom Winkelschleifer über Akkusägen bis zum Rasendünger ein breites Angebot an Heimwerker- und Gartenutensilien zu Niedrigpreisen in den Läden. Umsätze in diesem Segment gibt das Unternehmen nicht bekannt. Marktbeobachter schätzen, dass Landi rund 60 Prozent der gesamten Einnahmen von 1,5 Milliarden Franken mit solcher Ware macht. Der Ertrag von Landi war 2024 leicht rückläufig. «Das nasse Wetter hatte einen negativen Einfluss auf das Kaufverhalten», kommentierte das Unternehmen.
Pflanzen und Gartenzubehör machen einen wichtigen Anteil des Geschäfts der beiden Schweizer Anbieter Jumbo und Landi aus. Sie sind deshalb besonders den Launen des Frühlingswetters ausgesetzt. Brancheninsider nennen dieses Geschäft der lokalen Platzhirsche «Soft DIY».
Die Deutschen mischen vorne mit
Für die «harten» Arbeiten rund ums Haus sind die deutschen Anbieter Hornbach und Bauhaus bekannt. Deren einzelne Standorte sind jeweils etwa so gross wie zwei Fussballfelder und bieten von Zementsäcken bis hin zu Badewannen alles, was man für das nächste Renovationsprojekt benötigt. Zur Kundschaft zählten nicht nur Heimwerker, sagt Christoph Theler, Geschäftsführer von Bauhaus Schweiz. «Professionelle Handwerksbetriebe sind ein bedeutendes Kundensegment von Bauhaus.» Ab einem gewissen Jahresumsatz können die Betriebe ihre Ware auf Rechnung anschreiben lassen. Den Hobby-Handwerkern wiederum stehen Profis zur Seite. «Bei Bauhaus beraten gelernte Handwerker aus verschiedenen Bereichen die Kunden», sagt Theler, der in der Schweiz fünf Läden betreibt. Beim Einkauf profitiert das Unternehmen, das sich im Besitz der deutschen Familie Baus befindet, von seinem internationalen Netzwerk. «Wir kaufen gemeinsam mit 18 anderen Ländergesellschaften ein.»
Genau gleich läuft das beim börsennotierten Konkurrenten Hornbach, der schweizweit acht Filialen führt und damit laut eigenen Angaben zuletzt Marktanteile gewonnen hat. Die Expansion der beiden deutschen Baumarktketten ist allerdings ins Stocken geraten. Der Grund dafür ist simpel: Es gibt kaum noch freie Flächen, um die für das Geschäftsmodell notwendigen riesigen Hallen aus dem Boden zu stampfen. Entsprechend gross war das Gerangel um die drei bedeutenderen Standorte der Migros-Tochter Do it + Garden in der Romandie und im Tessin.
Firmen aus weiteren Branchen signalisierten Kaufabsichten. So berichtete die «Lebensmittel Zeitung», dass Bauhaus, die Drogeriekette Rossmann und der Non-Food-Discounter Action interessiert gewesen seien. Den Zuschlag bekam dann aber die deutsche Baumarktkette OBI. Sie hat bereits die zehn von der Migros zuvor als Franchisenehmerin betriebenen OBI-Märkte übernommen und betreibt sie in Zukunft in Eigenregie. OBI liegt mit einem Schweizer Umsatz von bisher rund 200 Millionen Franken beim Sortiment sowie bei der Ladengrösse irgendwo zwischen Jumbo und Bauhaus/Hornbach. Mit der Übernahme zusätzlicher Filialen machte OBI-CEO Sebastian Gundel klar, dass er auf Wachstum im Schweizer Markt setzt. Das zeigt OBI auch mit einer jüngst gross ausgerollten Werbekampagne.
Discounter spielen mit
Doch nicht nur Fachmärkte mischen im Geschäft mit. Auch die deutschen Discounter haben Hobby-Handwerkerinnen und -Handwerker als lukratives Kundensegment entdeckt. In den Regalgängen neben dem Lebensmittelangebot, von den Briten scherzhaft «Aisle of Shame» genannt, finden sich zunehmend Bohrmaschinen, Stichsägen, Hochdruckreiniger und ähnliche Produkte. Besonders aktiv zeigt sich Lidl. Seit 2023 lässt der Harddiscounter Arnold Schwarzenegger für die Heimwerkereigenmarke Parkside als Testimonial antreten. Der ehemalige Actionfilmstar wirbt in Fernsehspots oder als lebensgrosse Pappfigur auch in Schweizer Filialen für Werkzeug- und Gartenartikel – mit Erfolg: Parkside gilt mittlerweile europaweit als eine der grössten Marken im Einstiegspreissegment.
Wer keine Beratung benötigt, wird neu auch in den Läden des niederländischen Non-Food-Discounters Action ein Sortiment in diesem Bereich finden. Seit dem 5. April bedient Action die Schweizer Kundschaft in Bachenbülach im Kanton Zürich im ersten Laden. Es folgt etwas später die Eröffnung einer Filiale Martigny VS. Den Schweizer Markteintritt des Unternehmens, das europaweit bereits 2900 Filialen betreibt, beobachten die Akteure im Markt genau. In Ländern wie Deutschland sorgen die Niederländer für heftigen Wirbel und jagen der Konkurrenz Marktanteile ab. So sah sich Lidl in Deutschland genötigt, die Parkside-Produkte in einem Preisvergleich entsprechenden Pendants von Action gegenüberzustellen. Der Kampf um die preisbewusste Heimwerker-Kundschaft spitzt sich zu.
Wobei hier auch Onlinehändler wie Amazon oder Galaxus eine Rolle spielen. Allerdings ist deren Bedeutung im Do-it-yourself-Segment im Vergleich mit anderen Branchen deutlich geringer. So liegt der Onlineanteil des Umsatzes mit Heimelektronik in der Schweiz bei 54 Prozent. Im DIY-Segment liegt der Prozentsatz laut Marktschätzungen zwischen 10 und 15 Prozent. Unter den Baumarktbetreibern in der Schweiz gibt es dabei deutliche Unterschiede. Für Hornbach und Bauhaus mit ihren vielen Businesskunden ist das Onlinegeschäft wichtiger als für Jumbo. Der Onlinehandel wachse, sagt Daniel Stucker. «Doch nur ein Teil des Sortiments eignet sich für den Onlineversand.» So machen die Versandkosten für einen 40-Liter-Sack Pflanzenerde bei Jumbo ein Vielfaches des Produktpreises aus.
Rüttelstampfer zur Miete
Der Onlinehandel kann den Anbietern nicht nur als Vertriebskanal dienen. Viele Kundinnen und Kunden suchen zwar in den Läden der Baumärkte Beratung, wollen sich aber bereits vorher informieren. Neue Tools können dies erleichtern. So hat Jumbo das AI-Hilfsmittel «Jumbot» eingeführt – eine auf Heimwerker-Fragen spezialisierte Anwendung. Sie beschreibt beispielsweise auf eine entsprechende Anfrage die erforderlichen Schritte zur Gestaltung eines neuen Gartenwegs und führt geeignete Materialien sowie die dafür benötigten Werkzeuge auf.
Im Laden gewinnen derweil Servicedienstleistungen an Bedeutung, wie die verschiedenen Anbieter bestätigen. Auch aus ökologischen Gründen liegen Wartung und Reparatur von Geräten im Trend. Zum Angebot gehörten unter anderem die Inspektion des Rasenmähers (Messer schärfen und auswuchten, Radachsen schmieren) oder die Wartung des Grills (Kontrolle des Flammbilds). Auch Mietgeräte sind stärker gefragt. Die Möglichkeit, grosse Geräte auszuleihen, rückt zunehmend in den Fokus – vom Fliesenschneider bis zum Rüttelstampfer zur Verdichtung von Böden.
Dabei liegt DIY generell im Trend. Viele empfinden handwerkliche Tätigkeiten als willkommenen Ausgleich zu ihrem Bürojob und schätzen es, ein greifbares Ergebnis ihrer Arbeit zu sehen. Wie sehr sie dazu motiviert sind, hängt nicht nur vom Wetter ab. Laut Detailhandelsexperte Nordal Cavadini spielt auch die Wirtschaftslage eine wichtige Rolle. «Das Umfeld bleibt schwierig. In unsicheren Zeiten verschieben viele ihre Heimwerkerprojekte.» Gemäss einer Ende 2024 durchgeführten Umfrage von AlixPartners unter 1000 Personen in der Schweiz gaben 39 Prozent an, ihre Ausgaben für den Bereich Heimwerken 2025 voraussichtlich zu kürzen. Nur 18 Prozent planen, mehr dafür aufzuwenden. Grosszügiger zeigen sich die Befragten in der Planung ihres Reisebudgets: 30 Prozent wollen es im laufenden Jahr erhöhen. Ferien geniessen bei vielen Schweizerinnen und Schweizern offensichtlich höhere Priorität als andere Anschaffungen.
Bauhaus-Chef Christoph Theler sieht derweil einen Nachholbedarf an Renovationsarbeiten bei Mietern und Eigenheimbesitzern in der Schweiz. Es bestehe aber angesichts der weltpolitischen Lage die Gefahr, dass die Leute dennoch in den Sparmodus schalten. Coop-Fachmärkte-Chef Daniel Stucker, der auch für den Möbelhändler Livique von Coop verantwortlich ist, sieht bei guter Witterung weniger Grund zur Sorge. «Das Heimwerkergeschäft ist weniger stark von der Konjunktur abhängig als zum Beispiel der Möbelhandel. Bei schönem Frühlingswetter zieht es die Menschen ohnehin in den Garten.»
Zumindest ist dabei die Vergleichsgrundlage wenig anspruchsvoll: Nach der rekordverdächtigen Anzahl an Regentagen im Frühjahr 2024 dürfte das Frühlingswetter diesmal wohl kaum noch schlechter ausfallen, könnte man meinen.