Trotz Aufschwung nimmt die Arbeitslosigkeit bei über 55-Jährigen zu
Die Älteren bleiben auf der Strecke

Die Arbeitslosigkeit sinkt. Doch nicht überall. Immer mehr Menschen über 55 sind ohne Job. Das besagt eine Auswertung des Arbeitsmarkts, die der Gewerkschaftsbund für BLICK machte.
Publiziert: 27.03.2017 um 23:52 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 19:14 Uhr
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Im ­Februar lag die Arbeitslosigkeit bei den über 55-Jährigen um 4,3 Prozent höher als im Vorjahr.
Foto: Keystone
Michael Bolzli und Bastian Heiniger

Die gute Nachricht vorweg: In der Schweiz gibt es weniger Arbeitslose. Ende Februar sank die Quote auf 3,6 Prozent, das sind 0,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Die schlechte Nachricht: Im Februar lag die Arbeitslosigkeit bei den über 55-Jährigen 4,3 Prozent höher als im Vorjahr.

«Diese Arbeitssuchenden spüren keinen Aufschwung», sagt Daniel Lampart (48). Der Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbunds hat für BLICK den Arbeitsmarkt der letzten zwei Jahre analysiert. Resultat: Während zwar die Wirtschaft brummt und Jobs schafft, zieht die Zahl der älteren Arbeitslosen überdurchschnittlich an. «Dieses Phänomen zeichnete sich in den letzten drei Jahren verstärkt ab», sagt Lampart.

Diese Entwicklung der letzten zwei Jahre gilt für fast alle wichtigen Branchen, wie folgende Beispiele zeigen:

  • In der Maschinenindustrie stieg in den letzten zwei Jahren die Zahl der Arbeitslosen insgesamt um fünf Prozent, bei den älteren Arbeitnehmern um zwölf Prozent. «Sie haben nach Entlassungen viel grössere Probleme bei der Stellensuche als junge», sagt Lampart.
  • Ähnlich die Entwicklung in der Landwirtschaft: Dort nahm in den letzten zwei Jahren die Zahl der Arbeitslosen zwar um ein Prozent ab. Nicht aber bei den über 55-Jährigen, dort stieg sie um 20 Prozent.
  • Gleicher Effekt in der Informatik: Die Zahl der Arbeitslosen in den letzten zwei Jahren stieg um drei Prozent, die der älteren Semester um zwölf Prozent. Lampart: «In dieser Branche haben wir schon lange ein Problem mit der Diskriminierung von Älteren.»
  • In der Vorzeigebranche Pharma ist die Lage nicht besser: Während die Zahl der Stellensuchenden im Schnitt um acht Prozent stieg, schoss jene der über 55-jährigen um 29 Prozent in die Höhe.

Zu den wenigen Ausnahmen gehört die Telekombranche. Hier stieg in den vergangenen zwei Jahren die Zahl der Arbeitslosen um zwölf Prozent, bei den älteren Semestern beträgt das Plus elf Prozent.

Samuel Stalder (35) hat im letzten Jahr eine Vermittlungsplattform für Stellensuchende über 50 Jahre lanciert: «Viele Unternehmen haben grosse Vorurteile. Sie denken, ältere Angestellte seien weniger lernbereit und weniger motiviert. Und dass sie eher wegen Krankheit öfter ausfallen. Das muss aber nicht so sein.»

Die Arbeitgeber bestätigen: «Generell sind ältere Arbeitnehmer fit für den Arbeitsmarkt», sagt Fredy Greuter vom Schweizerischen Arbeitgeberverband. Die Unternehmen zählten durchaus auf ältere Arbeitskräfte. Sie seien auch im Vergleich mit jüngeren konkurrenzfähig. Greuter hält der Analyse des Gewerkschaftsbunds entgegen und beruft sich auf die Arbeitslosenquote als Richtgrösse: «Die Arbeitslosigkeit der Ü55 hat innerhalb der letzten zwei Jahre marginal und nicht stärker zugenommen als in den anderen Altersgruppen», sagt er.

Einige Kantone haben den Anstieg der älteren Arbeitslosen erkannt und geben Gegensteuer. Der Kanton Zug etwa will mit Plakaten, Foren und Gesprächsrunden Arbeitgeber sensibilisieren. Im Kanton Aargau läuft eine Plakatkampagne. Seit 2011 habe der Anteil Stellensuchender über 50 um 22 Prozent zugenommen, sagt Projektleiter Urs Schmid (63). «Mehrheitlich sind sie von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen oder mindestens gefährdet, es zu werden.»

Aktiv ist auch der Kanton Zürich. «Um der Ü50-Herausforderung zu begegnen, braucht es ungewöhnliche Massnahmen», sagt Volkswirtschaftsdirektorin Carmen Walker Späh (59). Der Kanton startete deshalb ein Mentoring-Programm für erfahrene und hochqualifizierte Arbeitssuchende. Sie erhalten Unterstützung von 300 freiwilligen Mentoren, die ihr berufliches Netzwerk zur Verfügung stellen.

Die Arbeitgeber appellieren aber auch an die Eigenverantwortung. Fredy Greuter sagt: «Es ist im Interesse der älteren Arbeitskräfte, sich stetig weiterzubilden, um konkurrenzfähig zu bleiben.»

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