BLICK: Fällt jungen Konsumenten das Verzichten leichter?
David Bosshart: Die jungen Menschen sind damit aufgewachsen, dass ihre Lieblingsprodukte fast alle umsonst oder zumindest billig verfügbar sind. Musik als Gratis-Download etwa, oder für 20 Franken in eine coole Stadt fliegen. Die Baby-Boomer und die Folgegeneration haben noch zwischen billig und teuer unterschieden. Sie lernten von den Eltern, dass zuerst sparen muss, wer sich etwas leisten will. Das Aufschieben der Bedürfnisse funktioniert heute nicht mehr.
Weshalb ist der Konsumverzicht so schwierig?
Menschen sind soziale Wesen, die sich durch Gruppenzugehörigkeit definieren. Wir steigen gern und schnell auf, Abstieg und Verzicht hingegen gelten als Versagen. Im Kopf mag der Einzelne durchaus einsehen, dass weniger mehr wäre. Aber bis das emotional verstanden wird, dauert es. Es ist paradox: Ich esse weiterhin zu viel Junkfood, obwohl ich weiss, dass das meinem Körper nicht guttut.
Ist der Konsumverzicht bei jungen Konsumenten etwas, das sich viele vornehmen, dann aber trotzdem nicht praktizieren?
Unsere Untersuchungen bestätigen die alten Erkenntnisse, dass Menschen Themen, die in weiter Zukunft liegen – Pensionierung, Vorsorge für das Alter, wenn man 25 ist –, auf die lange Bank schieben. Erst nach 55 machen sich die meisten Schweizer Gedanken über ihre Pensionierung und was sie dann tun. Wir sind Weltmeister im Hinausschieben von Fragen, die uns nicht unmittelbar betreffen.
Welche Motive sehen Sie für die Einschränkung beim Konsum?
Aktuell ganz klar: Die einst abstrakten Nachhaltigkeitsthemen konkretisieren sich. Plastik im Meer, zunehmende Abfallberge durch Convenience Food oder Klimawandel werden sicht- und spürbar. Fleischessen und Milchtrinken sind Luxus, wenn man die CO2-Bilanzen anschaut. Das Bewusstsein dafür, dass Handlungsbedarf besteht, steigt. Aber wo anzusetzen ist und wo es wirklich etwas nützt, ist diffus und oft widersprüchlich.
Marktforscher sehen bereits einen Anteil von 28 Prozent der Konsumenten, die sehr bewusst konsumieren und auch verzichten. Wird dieser Anteil weiter wachsen?
Trendsetter sind häufig die urbane, gut gebildete junge Mittelschicht. Wenn der Verzicht nicht wehtut und Substitution im Sinne der Nachhaltigkeit möglich ist, könnte der Anteil dieser Konsumenten durchaus wachsen.