BLICK: Sie verlangen eine flächendeckende Lohnerhöhung von 0,5 bis 1,5 Prozent. Ist das nicht ein Hohn gegenüber jenen, die jetzt wegen des Frankenschocks um ihre Stelle zittern?
Martin Flügel: Man muss differenzieren. Einigen Branchen geht es sehr gut. Dort sind Lohnerhöhungen angebracht. Wo es echte Schwierigkeiten gibt, akzeptieren wir auch Nullrunden.
Wenn die Preise sinken, müssen doch auch die Löhne nicht steigen.
Es geht nicht nur um die Teuerung. Die Angestellten leisten viel mehr und sind stärker unter Druck. Die Firmen profitieren davon. Das muss man mit mehr Lohn ausgleichen.
Sie sagen, die Lohnschere habe sich geöffnet. Die Ökonomen von BAK Basel behaupten das Gegenteil.
Das ist eine verkürzte Sicht. Von 2007 bis 2012 wurde der Bonirausch durch die Finanzkrise gedämpft. Aber wenn man die letzten 15 Jahre anschaut, hat sich die Schere massiv geöffnet. Das zeigen alle seriösen Untersuchungen.
Sie sagen, dass höhere Löhne den Konsum ankurbeln und der Gesamtwirtschaft helfen. Was macht Sie so sicher, dass die Leute das zusätzliche Geld nicht sparen, anstatt es auszugeben?
Sparen kann sich nicht jeder leisten. Sehr viele Familien sind froh um jeden zusätzlichen Franken im Portemonnaie. Wenn sie mehr Lohn erhalten, geben sie auch mehr aus.
Ohne Forderung nach mehr Lohn würden Sie sich der Kritik aussetzen, Sie würden Ihren Job nicht machen. Richtig?
Falsch. Wir setzen uns auch für höhere Kinderzulagen, mehr Vaterschaftsurlaub und besseren Zugang zu Weiterbildung ein. Man kann uns nicht vorwerfen, es ginge uns nur um den Lohn.
Bei der Lohngleichheit zwischen Mann und Frau kommen Sie nicht wirklich vom Fleck.
Das Problem liegt bei den Unternehmen. Man kann die Gleichberechtigung nur durchsetzen, wenn man sie genau ermittelt. Da machen aber viele Unternehmen nicht mit.