Transporter-Flut wegen Online-Handel
Risikofaktor Lieferwagen

In den vergangenen zehn Jahren kamen in der Schweiz 100'000 Lieferwagen hinzu. Die Auslieferer sind oft gestresst. Gerade bei Transportern nehmen darum die Unfälle zu.
Publiziert: 07.07.2019 um 12:17 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2020 um 10:20 Uhr
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Drängeln von hinten, seitlich rein quetschen – Lieferwagen sind allgegenwärtig auf unseren Strassen. Eine regelrechte Flut.
Foto: Siggi Bucher
Tobias Marti

Sie drängeln von hinten, sie versperren vorne den Weg, sie quetschen sich seitlich rein – sie sind allgegenwärtig auf unseren Strassen: Lieferwagen.

Diese Flut, die jeder Autofahrer am eigenen Leib erlebt, belegen nun auch Zahlen. Allein in den vergangenen zehn Jahren kamen in der Schweiz 100'000 Lieferwagen hinzu. Jedes Jahr werden weit über 30'000 Transporter neu eingelöst, über 370'000 von ihnen fahren derzeit herum, wie Daten des Bundes belegen.

Die Lieferwagen seien ein Phänomen, das die New Economy widerspiegle. Das sagen nicht etwa Wirtschaftsphilosophen, sondern das Bundesamt für Strassen (Astra): «Die gesellschaftliche Entwicklung mit den Onlinebestellungen bewirkt, dass man heute bestellen und morgen die Ware im Haus haben will.»

Über tausend Unfälle mehr

Die ungeduldigen Kunden bedeuten Stress für die Auslieferer. «Die Lieferdienste sind gefordert und geraten unter Druck», warnt das Astra.

Druck und Stress auf den Strassen führen unweigerlich zu mehr Unfällen. Die Statistik ist deutlich: Von 2011 bis 2018 hat laut Astra die Anzahl Unfälle mit Lieferwagen um ein Viertel zugenommen. Das sind über die Jahre tausend Unfälle mehr. 5000-mal war letztes Jahr ein Lieferwagen im Spiel, wenn es irgendwo krachte.

«Demgegenüber hat sich die gesamte Anzahl der Unfälle auf Schweizer Strassen kaum verändert», so das Astra. Mit anderen Worten: Bei den Lieferwagen kracht es besonders oft. «Der zunehmende Zeit- und Leistungsdruck auf die Dienstleister könnte ein gewichtiger Faktor für diese ­Zunahme sein», so das Astra.

Ein Fakt ist aber auch: Lieferwagen sind im Güterverkehr nicht mehr wegzudenken. Mittlerweile werden doppelt so viele Fahrzeugkilometer mit Transportern wie mit richtigen Lastwagen gemacht.

Jeder mit normalem Führerschein darf fahren

Die Branche funktioniert nach dem Motto: Kleinere Ladung, dafür viele Fahrten. Richtiggehend explodiert ist der Anteil Lieferwagen, die mit weniger als einer Tonne Last herumfahren.

Und was genau wird herumgekarrt? Erstaunlicherweise dominieren Güter, die nicht direkt für den Markt bestimmt sind. Etwa Werkzeuge oder Arbeitsmaterial von Handwerkern. Danach folgen Nahrungsmittel, Abfälle und Metall. Erst an fünfter Stelle tauchen die üblichen Verdächtigen wie Post oder all die Paketdienste auf.

Lieferwagen unter 3,5 Tonnen darf jeder mit einem normalen Führerschein fahren. Die Anforderungen sind tief, Arbeits- und ­Ruhezeiten für Chauffeure gelten nicht. Es dominieren laut Statistik denn auch die privaten Halter. Danach ist es vor allem das Baugewerbe, das auf Lieferwagen setzt.

Die Lieferwagen-Flut betrifft vor allem das Inland. Im alpenquerenden Güterverkehr spielen sie laut Bund eine untergeordnete Rolle.Während an den Zählstationen Bern Forsthaus, Muttenz oder Würenlos jeden Tag weit über 100'000 Lieferwagen gezählt werden, sind es im Gotthard keine 20'000. Ein kleiner Trost für jene, die bald mit dem Auto in den Süden fahren.

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