Transport
Ist Alitalia noch zu retten? - Umstrittener Sanierungsplan

Das Trauerspiel um die italienische Traditionslinie Alitalia nimmt immer absurdere Züge an. Ein Unglücks-Konzern soll bei der Sanierung helfen. Doch es gibt Zweifel, ob der Plan aufgeht. Nächsten Dienstag läuft eine Frist ab.
Publiziert: 10.10.2019 um 07:03 Uhr
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Aktualisiert: 10.10.2019 um 07:04 Uhr

Was haben Flugzeuge und Autobahnen miteinander zu tun? Ziemlich viel, wenn es in Italien um die Sanierung der Alitalia geht. In wenigen Tagen soll die krisengeplagte Fluggesellschaft neue Eigentümer bekommen und mehr als zwei Jahre nach ihrer Insolvenz im Mai 2017 wieder auf eigenen Beinen stehen.

Einer der neuen Gesellschafter soll der Infrastukturkonzern Atlantia werden, der über seine Tochter Autostrade per l'Italia rund die Hälfte des Autobahnnetzes des Landes betreibt. Darum gab es nun wieder Streit in Italien. Aber das ist nicht das einzige Problem rund um die Alitalia-Pläne. Experten sehen das ganze Konzept, bei dem der italienische Staat sozusagen mit im Cockpit bleibt, kritisch.

Seit der Insolvenz steht Alitalia mir ihren derzeit rund 12'400 Beschäftigten unter der Aufsicht staatlicher Konkursverwalter. Nun sollen die staatliche Eisenbahngesellschaft Ferrovie dello Stato (FS) und Atlantia als grosse Miteigner sowie die US-Fluggesellschaft Delta Air Lines und das italienische Finanzministerium als kleinere neue Gesellschafter einsteigen. Die Partner müssen bis zum 15. Oktober ein verbindliches Angebot auf den Tisch legen. Kurz vor der Deadline nun brachte Atlantia die italienische Politik mächtig in Aufruhr.

Atlantia, von der Benetton-Familie kontrolliert, ist ein weltweit tätiger Konzern mit mehr als 11 Milliarden Euro Umsatz. Er betreibt Flughäfen und Autobahnen in vielen Ländern und ist auch an der Hochtief AG beteiligt. Doch seit dem 14. August 2018 hat Atlantia ein Problem: In Genua stürzte eine Autobahnbrücke ein, 43 Menschen starben. Die Fünf-Sterne-Bewegung, stärkste Partei in Italiens Regierung, will Autostrade per l'Italia die Konzession entziehen. Die mitregierenden Sozialdemokraten wollen diese zumindest überprüfen.

In der vorigen Woche schickte die Atlantia-Führung einen Brief an Industrieminister Stefano Patuanelli, in dem sie den Einstieg bei Alitalia recht unverblümt von einer Verlängerung der Konzession für ihre Autobahn-Tochter abhängig machte. Ministerpräsident Giuseppe Conte reagierte verärgert, in den Medien war von «Erpressung» die Rede. Atlantia wolle nur Geld in das «schwarze Loch Alitalia» stecken, um sich den «goldenen Regen» der Autobahngewinne zu sichern, schrieb die Zeitung «La Repubblica".

Nach Ansicht des italienischen Luftfahrtexperten Andrea Giuricin ist Atlantia allerdings ohnehin kein geeigneter Partner zur Führung einer Fluggesellschaft. Er sieht das ganze Sanierungskonzept skeptisch und bezeichnet es als «eine Stand-alone-Strategie". Die kleine Alitalia mit einem Marktanteil von nur 1,7 bis 1,8 Prozent in Europa müsse sich mit einer grossen europäischen Fluggesellschaft zusammenschliessen, das sei die einzige Alternative. «Das Problem ist: solange der Staat die Hand mit drin hat, will keiner der grossen Player die Hand mit reinstecken», sagt Giuricin.

Die Lufthansa hatte nach der Insolvenz schon einmal Interesse an einer neu strukturierten Alitalia bekundet, allerdings kamen sich Deutsche und Italiener nicht näher. In Rom fürchtete man unter anderem zu hohe Jobverluste bei einer Übernahme durch die Lufthansa. Ein Lufthansa-Sprecher bekräftigte nun das grosse Interesse von Europas grösster Fluggesellschaft am italienischen Markt. Alitalia im jetzigen Zustand sei aber nicht interessant, und Lufthansa wolle nicht Partner des italienischen Staates werden. Um auf dem italienischen Markt zu wachsen, gebe es für die Lufthansa auch andere Optionen, etwa über ihre Tochter Air Dolomiti.

Nach Einschätzung Giuricins wird die neue Aliatalia auf schwachen Füssen stehen. Auch wenn die Verluste inzwischen reduziert wurden, werde die Airline erst in etwa vier Jahren schwarze Zahlen schreiben. Jetzt gibt es zudem wieder ein Liquiditätsproblem. Der Überbrückungskredit von 900 Millionen Euro, den die Regierung 2017 Alitalia gab, ist bald verbraucht. Rom muss wohl noch mehr Geld vorschiessen, und es ist ungewiss, ob Alitalia die Kredite tilgen kann. Die EU-Kommission hat den Fall Alitalia bereits im Blick, da nicht zurückgezahlte Kredite zu unerlaubten Subventionen würden.

«Wir werden alles tun, was möglich ist, um sicherzustellen, dass die nationale Fluggesellschaft wieder mit ausgebreiteten Flügeln fliegen kann», sagte Ministerpräsident Conte. Am Montag traf er die Atlantia-Führung, Details wurden nicht bekannt. Am Mittwoch streikte das Alitalia-Personal aus Protest gegen die ungewisse Zukunft. Unklar war bis Mitte der Woche noch die genaue prozentuale Aufteilung zwischen den neuen Anteilseignern. Giuricin sieht die Aussichten der neuen Alitalia wenig rosig: «Wir stecken weiteres Geld rein, und in einigen Jahren sind wir wieder in derselben Situation.»

(SDA)

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