Was zu Jahresbeginn in Startup-Kreisen herumgeboten wurde, wird Realität: Das Schweizer Touristik-Jungunternehmen Getyourguide erhält eine halbe Milliarde Dollar Frischgeld.
Die Geldspritze sei für hiesige Verhältnisse enorm, urteilt Beat Schillig, Gründer und Präsident des Instituts für Jungunternehmen IFJ sowie von Venturelab: «Eine in dieser Höhe absolut aussergewöhnliche Finanzierungsrunde für ein Schweizer Jungunternehmen.» Getyourguide schaffe es damit in den Bereich der «ganz Grossen» in dieser Szene. Das Unternehmen steigt mit dieser Finanzrunde endgültig in den Olymp der sogenannten «Unicorns» auf, also in die Welt jener Firmen, die mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet werden.
Getyourguide-Chef: «Steile Sache»
Getyourguide-CEO Johannes Reck zeigt sich gegenüber der «Handelszeitung» hochzufrieden: «Selbst im Vergleich zu den Schweizer Bergen ist das eine richtig steile Sache.»
Der Alpenvergleich kommt nicht unbegründet. Getyourguide, das als Online-Plattform Tickets für touristische Touren und Attraktionen vermittelt, wurde 2009 von ETH-Studenten in Zürich gegründet. Und musste in frühen Tagen auch harte Zeiten überstehen. Zeitweise, erzählte Mitgründer Reck der «Handelszeitung» letztes Jahr, sei man «einmal im Jahr pleite» gewesen.
Titlis, Pilatus und Jungfraujoch beliebt
Heute hat Getyourguide seinen Hauptsitz zwar in Berlin, unterhält aber einen wichtigen Ableger in Zürich mit rund 50 Angestellten.
Zu den meist gebuchten Aktivitäten bei Getyourguide zählen 2018 unter anderem der Vatikan in Rom, Burj Khalifa in Dubai und die Sagrada Familia in Barcelona. In der Schweiz werden vor allem Ausflüge auf Titlis, Pilatus und Jungfraujoch stark nachgefragt.
Softbank, Temasek, Lakestar: Big Names investieren
Insgesamt 484 Millionen Dollar fliessen Getyourguide zu, hauptsächlicher Geldgeber ist der japanische Technologie-Investor SoftBank Vision Fund. Zur rekordhohen Finanzierungsrunde gehören auch grosse Namen wie der Singapurer Staatsfonds Temasek sowie die Venture-Capital-Unternehmen Lakestar und Heartcore Capital.
Auch der Werkplatz Zürich werde von der Finanzspritze profitieren, sagt Getyourguide-CEO Johannes Reck zur «Handelszeitung»: «Natürlich betrifft das auch den Standort Zürich. Wir haben hier bereits mehr Platz angemietet und werden die Belegschaft weiter aufstocken.»
«Holt so viele gute Köpfe, wie ihr kriegen könnt!»
Reck hält grosse Stücke auf die Limmatstadt: «Zürich und hier besonders die ETH ist führend bezüglich Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz.» Beim geplanten Ausbau gehe er zunächst ohne Limiten ans Werk: «Ich rechne bei der Aufstockung gar nicht so sehr mit einer gewissen Anzahl Menschen. Die Anweisung ans Talent-Management in Zürich lautet ganz einfach so: «Holt uns so viel gute Köpfe, wie ihr kriegen könnt!»
Die neuen Finanzmittel wolle man gezielt einsetzen, sagt Reck: Jetzt habe man die Kriegskasse, «um global mit den ganz Grossen der Touristik mitzuhalten.»
Jetzt geht es gegen Airbnb, Booking und Expedia
Konkret plant Getyourguide drei Offensiven, um auf Augenhöhe mit Airbnb, Booking.com und Expedia zu kommen: Das Frischgeld soll erstens helfen, die Firma über Europa hinaus erfolgreich zu positionieren: «Diese Mittel helfen uns, zu einer weltweit führenden Reisemarke zu werden. Im Visier haben wir dabei vor allem die USA und Asien» sagt Reck.
Zweitens wolle man nicht nur fremde Produkte vermitteln, sondern vermehrt auch eigene touristische Angebote prägen: «Wir bauen unsere eigenen Touren aus, also selbst gebrandete Führungen. Wir sind damit bereits erfolgreich in London, Rom und Paris gestartet – jetzt können wir das auf 25 weitere Städte weltweit ausrollen.»
GetyourGuide peilt den Transport-Sektor an
Drittens aber plant Getyourguide auch eine Ausweitung des geschäftlichen Radius: «Mit dem Frischgeld können wir unser Tätigkeitsgebiet über touristischen Touren und Attraktionen hinaus erweitern», sagt Reck, «neu hinzu kommen könnten Themen wie Transport, Restaurants oder Wintersport.»
Wobei ein Thema wie «Transport» nicht bedeute, dass Getyourguide zum Flugticket-Anbieter werden wolle. Vielmehr geht es Reck darum, das Angebot vor Ort auszubauen und quasi zum Champion am Boden zu werden: Man denke dabei an Bereiche «wie Transfers vom Flughafen in die Stadt, Tickets für den öffentlichen Verkehr und Restaurant-Reservationen. Einfach all das, was Reisende vor Ort brauchen.»
«Jetzt geht es erst richtig los»
In der jüngeren Vergangenheit war bei Getyourguide auch die Rede von einem allfälligen Börsengang. Das rücke nun etwas in den Hintergrund, sagt Reck: «Die neue Finanzierungsrunde verleiht uns noch einmal fünf bis zehn Jahre Zeit, um gross zu werden. Weltweit richtig gross.»
Während es Branchenbeobachter erstaunlich finden, dass ein zehnjähriges Unternehmen wie Getyourguide – eher ein Grownup als ein Startup – in diesem Stadium mit neuen Angeboten einen zusätzlichen Fokus sucht, sieht es Reck naturgemäss anders.
«Getyourguide ist zwar schon zehn Jahre alt. Aber jetzt geht es erst richtig los.»
Dieser Artikel wurde in der «Handelszeitung» veröffentlicht. Weitere spannende Artikel finden Sie unter www.handelszeitung.ch.
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