Tijana Soldo (24) ist überglücklich – und verzweifelt zugleich. Die alleinerziehende Mutter strahlt, wenn sie ihre Tochter Leyla (6 Monate) im Arm hält, aber kämpft mit den Tränen, wenn sie über den Job an der Shell-Tankstelle an der Zürcherstrasse in St. Gallen spricht.
Leyla ist viel zu früh zur Welt gekommen – in der 27. Schwangerschaftswoche (üblich sind 40). «Ich wurde mit dem Krankenwagen ins Kantonsspital St. Gallen gefahren. Leyla kam per Notkaiserschnitt zur Welt, wog nur 990 Gramm», erinnert sich Soldo. Zwei Monate hat sie jeden Tag an der Seite ihrer Tochter gewacht. «Ich wollte ihr die nötige Körperwärme geben, einfach für sie da sein.»
«Sie sagten, ich solle mir keine Sorgen machen»
In dieser Zeit war sie krankgeschrieben. «Immer wieder hat man mir versichert, dass man meine Stelle für mich freihält. Ich solle mir keine Sorgen machen und mich voll und ganz um meine Tochter kümmern.»
Auch ihre Chefin Kathrin Caluori beruhigt sie. Sie ist Geschäftsleiterin der Ganda Service GmbH in Landquart GR und betreibt in der Ostschweiz mehrere Shell-Tankstellen.
Doch dann kommt das böse Erwachen. Auf einem internen Whatsapp-Chat entdeckt die junge Mutter Mitte Februar, dass sie im März gar nicht mehr eingeteilt ist – ihr Name fehlt auf dem Plan. «Da wusste ich, dass etwas nicht stimmt, und habe um meinen Job gekämpft», sagt Soldo.
Erst sieht es gut aus. Am 21. Februar noch schreibt ihr Chefin Caluori: «Da ich von Ihnen keine Kündigung erhalten habe, gehe ich davon aus, dass Sie wieder im Arbeitsplan eingeteilt werden können wie vor der Geburt.»
Babysitterin gefunden
Soldo antwortet umgehend, dass sie eine Babysitterin gefunden habe. Und dass sie am Wochenende die Frühschicht, unter der Woche auch die Spätschicht bis 22 Uhr machen könne. «Mir ist dieser Job sehr wichtig, da ich ein Baby habe, das ich ernähren muss», schreibt sie. Die Antwort stimmt sie zuversichtlich: «Es wird sicher eine Lösung geben», schreibt Caluori.
Dann der Hammer – am 1. März, pünktlich zum Ablauf des Mutterschaftsurlaubs. «Als Erstes erhielt ich die Kündigung», sagt Soldo. Sie wird per sofort freigestellt. Die offizielle Begründung: «Wie Sie wissen, mussten wir unseren Betrieb einer Reorganisation unterziehen, bedingt durch die Absenz zweier Mitarbeiterinnen im Mutterschaftsurlaub und drei Abgängen von anderen Mitarbeitern, die sich beruflich neu orientiert haben», heisst es in der Kündigung.
Umzug in eine günstigere Wohnung
Die 24-Jährige, die an der Tankstelle 21 Franken die Stunde verdient hat, will arbeiten. «Lieber heute als morgen», sagt sie. «Hätte ich gewusst, dass ich nach dem Mutterschaftsurlaub entlassen werde, hätte ich mich noch vom Spital aus um einen neuen Job gekümmert. Ich bin gesund, kann jede Arbeit machen. Ich möchte selber für mich und meine Kleine sorgen. Ich will nicht auf Kosten des Staates leben.»
Soldo plagen grosse Existenzängste. «Ende Monat weiss ich nicht, wie ich meine Rechnungen bezahlen soll. Zum Glück unterstützt mich meine Familie!» Um Geld zu sparen, zieht sie um. In eine Wohnung, die im Monat 600 Franken weniger kostet.
Keine Antwort auf Fragen von BLICK
Der Ölmulti Shell wollte zum Fall keine Auskunft geben. «Die Tankstellenpartner von Shell Schweiz sind als rechtlich selbständige Unternehmen sowohl für den Betrieb der Tankstellen als auch für ihre Mitarbeitenden verantwortlich», sagt Sprecherin Karin Lodewick. BLICK hat Kathrin Caluori schriftlich mit allen im Raum stehenden Vorwürfen konfrontiert. Auch sie wollte keine Fragen beantworten.
Vor 25 Jahren wurde ich Mutter von Zwillingsmädchen. Ich arbeitete bis zur Geburt hundert Prozent als Beraterin bei einer renommierten Werbeagentur in Zürich. Es war die Zeit, in der die Branche boomte. Für Sitzungen flog ich nach Rotterdam, für Präsentationen nach Mailand, Kosten waren in keinem Bereich ein Thema. Nach meinem zweimonatigen Mutterschaftsurlaub – mehr war es zu der Zeit nicht – kehrte ich mit der Zusage eines 50-Prozent-Pensums zurück.
«Mir fehlte die Kraft zu kämpfen»
Am ersten Arbeitstag erhielt ich die Kündigung aus wirtschaftlichen Gründen und wurde freigestellt. Auf meine konkrete Nachfrage – denn wir hatten keinen Kunden verloren – hiess es, wir müssten sparen. Zwei Monate nach der Kündigung wurde meine ehemalige Stelle durch einen externen Angestellten besetzt. Mit zwei Babys zu Hause fehlte mir aber die Kraft zu kämpfen. So ergeht es vielen Müttern auch heute noch – ihre Situation wird vom Arbeitgeber schamlos ausgenützt.
Vor 25 Jahren wurde ich Mutter von Zwillingsmädchen. Ich arbeitete bis zur Geburt hundert Prozent als Beraterin bei einer renommierten Werbeagentur in Zürich. Es war die Zeit, in der die Branche boomte. Für Sitzungen flog ich nach Rotterdam, für Präsentationen nach Mailand, Kosten waren in keinem Bereich ein Thema. Nach meinem zweimonatigen Mutterschaftsurlaub – mehr war es zu der Zeit nicht – kehrte ich mit der Zusage eines 50-Prozent-Pensums zurück.
«Mir fehlte die Kraft zu kämpfen»
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