Das Herz von Kuoni schlägt jetzt in Frankfurt (D). In einem lang gezogenen Grossraumbüro am Stadtrand stellen drei Männer und zehn Frauen Ferienangebote für Kuoni-Kunden in der Schweiz zusammen. Schweizerdeutsch spricht hier keiner. Dass der deutsche «Urlaub» bei uns Ferien heisst und das «Fahrrad» Velo, ist immerhin bekannt.
Wie und wo die Schweizer am liebsten Ferien machen, welche Angebote sich hierzulande verkaufen lassen, diese Informationen bezieht das Frankfurter Kuoni-Team aus Zürich.
Badeferien ab Stange
Vorteil: Die deutsche Kuoni-Mannschaft kann sich aus dem riesigen Einkaufstopf von DER Touristik bedienen. Die Kuoni-Mutter ist eine der ganz Grossen im europäischen Reisegeschäft – für Badeferien ab Stange wie für massgeschneiderte Traumreisen. Dank ihrer Einkaufsvorteile profitiert Kuoni von günstigeren Preisen für Flüge, Hotels oder Mietwagen.
Und günstigere Preise, die braucht Kuoni dringend. Neben vielen anderen Problemen hat der Reiseveranstalter vor allen eines: «Die Schweizer Kunden nehmen Kuoni als zu teuer wahr», sagt Dieter Zümpel (60), der die Kuoni Reisen AG seit November 2016 leitet: eine Firma, die sich ab Ende Juli «DER Touristik Suisse AG» nennen muss. Als der deutsche Einzelhändler Rewe 2015 das Reisegeschäft aus dem maroden Kuoni-Konzern herauskaufte, sicherte sich Rewe nur den Marken-, aber nicht den Firmennamen.
Nun soll die Marke Kuoni unter dem Dach der Rewe-Tochter DER Touristik in altem Glanz erstrahlen. «Tourismus wird bei Rewe ernst genommen», sagt René Herzog, Chef von DER Touristik. Kein Wunder, bei einem Anteil von fast 14 Prozent am Gesamtumsatz von Rewe sind das mehr als sieben Milliarden Franken!
Was heisst, günstiger werden?
Detailhändler und Reiseveranstalter unter einem Dach – das hat Tradition, man denke nur an Migros und Hotelplan in der Schweiz. Beide Unternehmenstypen arbeiten in Branchen, die für den Einkauf von Waren und Dienstleistungen immer wieder viel Geld im Voraus brauchen. Zum Beispiel, wenn der Detailhandel im Sommer das Weihnachtsgeschäft vorfinanzieren muss.
Sich dieses Geld beim Reisebüro in der gleichen Firma zu holen, das dank des Sommergeschäfts auf prall gefüllten Kassen sass, kam in den Hochzinszeiten der Vergangenheit viel günstiger als ein Kapitalgeber ausserhalb des Konzerns.
Was günstiger werden für Kuoni genau bedeutet, erfährt man auch durch hartnäckiges Nachhaken nicht. Zu dynamisch sei der Markt, zu unberechenbar die Anbieter! Es komme immer auf den Einzelfall an, heisst es bei Kuoni.
Die Schweizer nehmen Kuoni als zu teuer wahr
So allerdings wird es schwierig, vom Image des teuren Luxusreisen-Anbieters wegzukommen und den Umsatzrückgang zu stoppen. Das wäre bitter nötig, denn die Talfahrt dauert an. Kuoni-Chef Zümpel schildert die wirtschaftliche Situation knapp zwei Jahre nach dem Verkauf an die Deutschen: «Das Unternehmen ist 2015 mit der Verkaufsankündigung ins Rutschen geraten, dieses Rutschen haben wir zwar inzwischen gestoppt. Aber ich bin nicht zufrieden damit, dass wir auch 2017 kein ausgeglichenes Ergebnis haben werden.» Weiter ins Detail geht Zümpel nicht – doch selbst wenn sich der Verlust in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr halbieren sollte, bleiben die Zahlen tiefrot.
Kuoni hat nicht nur ein teures Image, viele Schweizer nehmen Kuoni überhaupt nicht mehr als Reiseveranstalter wahr. Zu den Unsicherheiten rund um den Verkauf kamen grosse IT-Probleme. Kuoni brachte zwar preislich attraktivere Angebote auf den Markt, nur waren die wegen der Probleme weder für Reisebüros noch für Ferienhungrige buchbar. Mit dem Wechsel auf eine neue IT-Plattform namens Phoenix soll das nun nicht mehr passieren.
Das Mutterhaus glaubt an Kuoni
Bei allen Schwierigkeiten gibt es auch Positives: Das Mutterhaus glaubt an Kuoni – und finanziert die Verluste. DER-Touristik-Chef Herzog: «Wir erwarten 2018 ein ausgeglichenes Ergebnis, ein Jahr später ginge auch noch – aber die Richtung muss schon stimmen!»
Ob die Richtung stimmt, wird sich ab Anfang August weisen. Dann erscheinen die neuen Kuoni-Kataloge, die derzeit in Frankfurt produziert werden. Parallel wird überprüft, ob alle Angebote auch wirklich in den Reisebüros beziehungsweise online zu buchen sind.
Phoenix aus der Asche oder Aschenputtel – welchen Weg die Reise-Traditionsmarke Kuoni einschlagen wird, dürfte sich schon in wenigen Monaten abzeichnen.