Der Zinsentscheid war klar, niemand hatte im Vorfeld der geldpolitischen Lagebeurteilung im Herbst mit einer Änderung der expansiven Geldpolitik gerechnet. Was viel mehr interessierte: Wie geht es Thomas Jordan (58), knapp fünf Wochen nach einer vorsorglichen Herzoperation? «Danke, gut», erklärt der SNB-Präsident auf die Frage von Blick. «Ich bin seit dieser Woche wieder in der Bank voll aktiv.»
Er habe sich mittlerweile gut erholt und könne seine Aufgaben und Verpflichtungen wieder voll wahrnehmen. «Ich habe selbstverständlich während dieser Zeit das eine oder andere in der Geldpolitik auch mitverfolgt», räumte Jordan ein.
«Die SNB hat in dieser Zeit immer bestens funktioniert», betonte der Chef der Schweizer Notenbank. Er sei ja auch hin und wieder eine Woche in den Ferien, relativierte er seine vorübergehende Absenz.
Verletztlicher Immobilienmarkt
Tatsächlich ist Jordan an der Telefonkonferenz nichts vom Eingriff anzumerken. Er führt souverän wie eh und je durch die Veranstaltung. Beantwortet in seiner nüchternen Art die Fragen der Journalisten.
Seine Sorge gilt nicht der Gesundheit, sondern dem Immobilienmarkt. Insgesamt habe die Verwundbarkeit des Markts weiter zugenommen, so Jordan. Denn die Hypothekarkredite und Wohnliegenschaftspreise seien in den letzten Quartalen stark angestiegen.
Trotzdem verzichtet die SNB darauf, den Bundesrat aufzufordern, den antizyklischen Kapitalpuffer wieder zu aktivieren. SNB-Chef Thomas Jordan und sein Team bleiben beim üblichen Mantra: Man prüfe regelmässig, ob der Puffer reaktiviert werden müsse.
Ist der Kapitalpuffer aktiviert, sind die Banken verpflichtet, ihr Eigenkapital aufzustocken, wenn sich Fehlentwicklungen am Kreditmarkt aufbauen.
Franken immer noch hoch bewertet
Die SNB belässt ihre Leitzins auf dem rekordtiefen Niveau von –0,75 Prozent. Als Grund gibt sie an, dass sie die Preisstabilität sichern und der Schweizer Wirtschaft bei der Erholung von der Corona-Pandemie unter die Arme greifen wolle.
Der Entscheid deckt sich mit demjenigen der US-Notenbank Fed vom Vortag. Auch das Fed führt seine lockere Geldpolitik weiter. Der Leitzins in den USA liegt zwischen 0 und 0,25 Prozent.
Neben den rekordtiefen Zinsen will die SNB auch ihre Interventionen am Devisenmarkt weiterführen, wie sie schreibt. Der Schweizer Franken sei nämlich weiterhin «hoch bewertet».
Die SNB geht für das laufende und das kommende Jahr von einer höheren Inflation aus als noch im Sommer. Dies wegen steigender Erdölpreise und weltweiten Lieferengpässen. Die SNB rechnet mit 0,5 Prozent für dieses und 0,7 Prozent Inflation für nächstes Jahr.
Die SNB betont in ihrer geldpolitischen Lagebeurteilung, wie wichtig die Entwicklung der Corona-Pandemie für die Weltwirtschaft und die hiesige Konjunktur ist. Im zweiten Quartal sei das Wirtschaftswachstum stark ausgefallen, weil viele Länder ihre Restriktionen gelockert hätten, so die SNB.
Wirtschaftswachstum dank Impffortschritt
Über den Sommer seien die Neuinfektionen in zahlreichen Ländern – so auch in der Schweiz – dann aber wieder deutlich angestiegen. Dennoch geht die SNB aktuell nicht davon aus, dass die Wirtschaft wieder mit strikten Massnahmen eingeschränkt wird. Dies dank der Impfkampagne. Sie rechnet daher mit einem weiterhin starken Wachstum.
Die SNB betont aber auch, dass ihre Prognosen aufgrund der Pandemie mit besonders viel Unsicherheit behaftet seien. Einerseits könnte sich die Pandemielage verschlechtern und die Konjunktur abermals beeinträchtigen. Andererseits könnten die seit Ausbruch der Pandemie getroffenen wirtschaftspolitischen Massnahmen die Erholung stärker stützen als im Basisszenario angenommen.
In der Schweiz nahm das Bruttoinlandprodukt (BIP), nach einem leichten Rückgang im Winterhalbjahr, im zweiten Quartal kräftig zu und lag nur noch leicht unter dem Vorkrisenniveau. Auch am Arbeitsmarkt verbesserte sich die Lage weiter. Zuletzt verlangsamte sich die Konjunkturdynamik allerdings etwas. In ihrem Basisszenario für die Schweiz geht die SNB davon aus, dass sich die wirtschaftliche Erholung fortsetzt.
Dahinter steht auch die Annahme, dass die Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie nicht erneut deutlich verschärft werden müssen. Vor diesem Hintergrund rechnet die Nationalbank für 2021 mit einem BIP-Wachstum von rund 3 Prozent. Im Juni war die Nationalbank noch von einem höheren Wachstum ausgegangen.
Die Abwärtsrevision ist vor allem auf die Entwicklung in konsumnahen Branchen wie dem Handel und dem Gastgewerbe zurückzuführen, die weniger dynamisch als erwartet ausgefallen ist. Das BIP dürfte in der zweiten Jahreshälfte sein Vorkrisenniveau erreichen. (SDA/koh/frs)