Auf einen Blick
- Franzose klagt gegen Credit Suisse wegen angeblicher Spionage
- Ex-CS-Boss Thiam in romantischer Beziehung mit Ex-Frau des Klägers
- Schadenersatzforderung beläuft sich auf mindestens 15 Millionen Dollar
Gehört Spionage zum Werkzeugkasten eines CEO? Wenn es sich bei dem CEO um Tidjane Thiam (62) handelt, den Ex-Boss der Credit Suisse, dann liegt dieser Verdacht nahe – und er erhärtet sich einmal mehr.
Denn vor einem Gericht in den USA fordert ein französischer Geschäftsmann von der Credit Suisse – und damit von ihrer Rechtsnachfolgerin UBS – Schadenersatz in der Höhe von mindestens 15 Millionen Dollar. Weil er angeblich von der Bank im Auftrag von Thiam ausspioniert worden sei. Und das schon seit 2016 – lange, bevor in der Schweiz die CS-Beschattungsaffäre aufgeflogen ist.
Liebe, Geld und Luxus
Im Herbst 2019 wurde bekannt, dass die CS Iqbal Khan (48), ihren ehemaligen Chef der Vermögensverwaltung hatte überwachen lassen. Khan hatte die CS überraschend verlassen und heuerte wenige später bei der damaligen Konkurrentin UBS an.
Die Anklageschrift, die Blick vorliegt, liest sich wie ein Auszug aus einem Buch von John Le Carré (1931 - 2020), dem Altmeister des Spionagethrillers. Es geht um Liebe und Geld, Schauplätze wie Hongkong und Zürich, die Welt der Hochfinanz und der Luxusgüterindustrie, in der der französische Geschäftsmann ein erfolgreicher Unternehmer ist. Die Ex-Partnerin des Franzosen ist seit einigen Jahren die zweite Ehefrau von Thiam. Zuvor war der Ex-CS-Chef 21 Jahre lang mit Annette Thiam verheiratet, von der er sich 2015 getrennt hatte.
Der Ex-CS-Boss strebt derzeit eine Karriere in der Politik an. Thiam wurde Ende 2023 zum Vorsitzenden der Demokratischen Partei (PDCI) in seiner Heimat Elfenbeinküste gewählt und will dort 2025 Präsident werden.
Gehacktes Mailkonto
Exotisch ist der Gerichtsort. Die Klage wurde im letzten April am Bezirksgericht des King County im US-Bundesstaat Washington eingereicht. In diesem Bezirk liegt auch der Hauptsitz von Microsoft. Denn argwöhnisch wurde der Franzose erst im September 2019, als er bemerkte, dass sein Microsoft-Konto gehackt wurde.
Sein Verdacht: Dahinter müsse die CS stecken, die im Auftrag ihres damaligen CEO den Mailverkehr zwischen ihm und seinen Scheidungsanwälten ausspionierte. Denn Thiam war «in einer romantischen Beziehung» mit der Noch-Ehefrau des französischen Geschäftsmannes, wie es in der Anklageschrift heisst. Es sei also darum gegangen, ihre finanzielle Ausgangslage für die bevorstehenden Scheidungsverhandlungen zu verbessern.
Bestärkt in seiner Annahme wurde er durch die globale Berichterstattung über die CS-Beschattungsaffäre. Dabei wurde bekannt, dass die Bank ehemalige und aktive Mitarbeitende überwachen liess. Pikant: Gerade zum Vorwurf des Hackings fehlen in der Anklageschrift Beweise, während viele andere Vorwürfe mit Dokumenten untermauert werden.
Spionagepläne ausgeheckt
Alles begann im Jahr 2016: Im Oktober und November soll die CS interne wie externe Sicherheitsleute beauftragt haben, eine Spionage-Kampagne gegen den französischen Geschäftsmann zu starten. In Punkt 29 der Anklageschrift heisst es dazu: «Diese geheime Überwachungskampagne wurde persönlich von Mr. Thiam angeordnet.»
Das musste selbst die CS einräumen, da diese Anordung in einem internen Prüfbericht zuhanden der Finma vermerkt ist. Allerdings war die Begründung dafür ganz eine andere: «Gemäss den Erkenntnissen der Prüfbeauftragten dienten die geplanten Observationen dem Schutze von Tidjane Thiams Freundin», wie es in einem Schreiben der CS-Anwälte an den Kläger heisst.
Im Gegenteil – so die Anwälte – Thiam habe sich während eines Aufenthaltes in Hongkong bedroht gefühlt, worauf entsprechende Gegenmassnahmen eingeleitet wurden.
Auch in Zürich spioniert?
Weit kam die geplante Spionage-Aktion nicht, denn die Sicherheitsleute konnten ihre Auftraggeber in der Bank davon überzeugen, dass die Überwachung des prominenten Geschäftsmannes Reputationsrisiken nach sich ziehen könnte. Zudem gab es auch Zweifel an der Durchführbarkeit.
Im Jahr 2017 soll es in Zürich noch einmal zu einer verdeckten Überwachungsaktion gegen den französischen Geschäftsmann gekommen sein. Allerdings ohne Erfolg, die Überwacher konnten ihn nicht ausfindig machen. Als Beweis werden in der Anklageschrift Whatsapp-Nachrichten der Sicherheitsleute aufgeführt.
Zudem fühlte sich der Kläger im Juli 2017 kurz vor der Übergabe seiner Tochter an seine damals von ihm getrennt lebende Frau beobachtet und fotografiert.
Verfahren hängig
Das alles habe beim Kläger grossen emotionalen Stress ausgelöst, was auch seine Geschäfte beeinträchtigt habe. Deshalb fordert der französische Geschäftsmann eine Wiedergutmachung «nicht unter 15 Millionen Dollar» von der UBS, wie es am Ende der Anklageschrift heisst.
Noch ist das Verfahren hängig. Die UBS weist die Vorwürfe zurück und hat die Einstellung des Verfahrens beantragt. Diesen Antrag hat das Gericht im Oktober abgelehnt.