Die Weltbevölkerung wächst und will ernährt werden. Um die begrenzte Anbaufläche konkurrieren Nutzpflanzen für die Nahrungsmittelproduktion mit solchen, die nicht für den Verzehr bestimmt sind. Baumwolle für Kleidung zum Beispiel.
Wie praktisch wäre es doch, wenn man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und aus einem Nebenprodukt der Lebensmittelproduktion auch noch Textilien gewinnen könnte? Diese Idee verfolgt ein internationales Forschungsteam um die Textildesign-Forscherin Tina Moor von der Hochschule Luzern - Design & Kunst.
Bananenstauden liefern eine Naturfaser, die mit Jute, Hanf oder Leinen vergleichbar ist. Anders als diese braucht sie jedoch keine extra Anbaufläche. Denn Bananenstauden tragen nur ein einziges Mal Früchte. Und mehr als 100 Millionen Tonnen Bananen werden weltweit pro Jahr geerntet. Das bedeutet jede Menge pflanzlicher Abfall, der sonst mitunter am Feldrand verbrannt wird.
In einem zweijährigen Projekt, das dieser Tage zum Abschluss kommt, haben Moor und ihr Team mit Partnern aus Indien das Potenzial dieser Faser untersucht. Als greifbares Resultat ging aus dem Projekt ein kleiner Teppich hervor, den die Forschenden auf einer Industriemaschine produziert haben.
Auch erprobten sie an der Hochschule Luzern verschiedene Techniken, um die recht raue Bananenfaser geschmeidiger zu machen. An einem Handwebstuhl produzierte Moor dabei verschiedene Stoffstücke, wie es in einem Artikel des Magazins der Hochschule heisst, in welchem das Projekt vorgestellt wurde.
Bananenfasern statt Baumwolle
«Wenn man die Bananenfasern für Kleidung verwenden möchte, bräuchte es eine Oberflächenbehandlung», erklärte Andrea Weber-Marin, ebenfalls an der Hochschule Luzern und an dem Projekt beteiligt, im Gespräch mit der Agentur Keystone-SDA. «Wir haben erste Ideen für Verfahren, um die Faser geschmeidiger zu machen.»
Ein weiterer Schritt im Nachgang des Projektes wäre zu prüfen, inwiefern man diese Verfahren hochskalieren und standardisieren könnte für die industrielle Produktion, sowie die Kosten abzuschätzen, so Weber-Marin weiter. «Weil es sich um ein Abfallprodukt aus der Nahrungsmittelproduktion handelt und somit nicht extra angebaut werden muss, bleibt die Faser wahrscheinlich trotz eines Veredelungsschritts kostenmässig konkurrenzfähig.»
Bananenfasern könnten künftig wohl zumindest einen Teil des Baumwollbedarfs decken und damit Anbaufläche für die Nahrungsmittelproduktion freigeben, hofft die Forscherin. «Sie wäre jedenfalls eine gute Ergänzung der Palette der Naturtextilien.» Färben liesse sie sich ähnlich wie Baumwolle, wäre dabei aber widerstandsfähiger, ähnlich wie Hanf- oder Leinenfaser.
Ohne Veredelungsschritt eignet sich das Bananengarn aber bereits sehr gut für Teppiche, sowie für textilverstärkte Verbundstoffe. Diese Anwendung nahm Kunal Masania von der ETH Zürich und der Fachhochschule Nordwestschweiz unter die Lupe, wie es im Magazinartikel hiess.
Achtung Fälschung!
Das von der Gebert Rüf Stiftung finanzierte Projekt, dessen Abschlussbericht im Frühjahr ansteht, hatte aber auch seine Rückschläge, wissen die Forscherinnen zu berichten. So untersuchten sie beispielsweise Produkte aus Bananengarn, die in Indien erhältlich sind. Laboruntersuchungen am National Institute of Design in Ahmedabad, der indischen Partnerhochschule, entlarvten die Bananenfaserprodukte aber als Fälschung. Mit Bananen hatten die Produkte nichts zu tun, auch wenn Banane drauf stand.
Zudem kämpften Moor und ihr Team mit sehr begrenztem Ausgangsmaterial, das für Spinnversuche aufzubereiten war: Der zweite indische Forschungspartner, die Navsari Agricultural University, stellte ihnen 50 Kilogramm an Fasern zur Verfügung. Die Industriepartner in der Schweiz und anderen europäischen Ländern, die gerne bereit waren, die Bananenfasern auf ihren Maschinen zu verarbeiten, besassen jedoch nur grosse Industriemaschinen, die auf deutlich mehr Material ausgelegt sind.
Um der Bananenfaser zum Durchbruch zu verhelfen, sind aber in erster Linie die Länder gefragt, in denen Bananen produziert werden. Dort seien starke Partner nötig, die bereit und fähig sein müssten, in einen neuen Geschäftszweig zu investieren und die nötige Infrastruktur vor Ort aufzubauen, liess sich Tina Moor zitieren.
In dieser Hinsicht ist das nun abgeschlossene Projekt nur ein erster Schritt. Viele weitere müssen folgen, bevor in europäischen Wohnungen und Büros Bananenteppiche liegen oder gar Bananenkleidung im Kleiderschrank hängt. (SDA/zas)