Telekomfirmen stecken Milliarden ins Internet der nächsten Generation
5Geht vielen viel zu schnell

Die Schweizer Mobilfunkanbieter investieren Milliarden in den neuen Mobilfunkstandard 5G. Davon soll auch die Wirtschaft profitieren. Doch nicht alle können sich über das hyperschnelle Netz freuen.
Publiziert: 17.05.2019 um 22:58 Uhr
|
Aktualisiert: 20.05.2019 um 12:49 Uhr
1/11
Für die Wirtschaft und den Bundesrat ist 5G das Schlüsselprojekt, um die Schweiz an die digitale Weltspitze zu katapultieren.
Foto: Stefan Bohrer
Sven Zaugg

Noch nie wurde über einen Mobilfunkstandard so leidenschaftlich gestritten wie über das neue 5G-Netz. Für die Wirtschaft und den Bundesrat ist 5G das Schlüsselprojekt, um die Schweiz an die digitale Weltspitze zu katapultieren. 

Derweil die Gegner – eine lose Allianz aus linken und rechten Politikern, flankiert von besorgten Ärzten – vor gesundheitlichen Schäden durch die 5G-Strahlung warnen. Nun spitzt sich der Streit über das schnellste Netz der Welt zu.

Das grosse Geschäft

Daniel Graf (46), Gründer von Wecollect, kritisiert die Mega-Kampagne der Wirtschaft scharf. Mit seiner Onlineplattform sammelt er Unterschriften für politische Begehren. Er sagt: «In der ganzen Schweiz hängen Plakate von Telekomfirmen, die die Vorzüge von 5G preisen. Fragt man Menschen auf der Strasse, weiss aber kaum jemand, was hinter dieser neuen Technologie steht.» 

Fast wöchentlich erhält Graf Anfragen, ob Wecollect eine 5G-Volksinitiative unterstützen würde. «Die Gesellschaft hat ein Recht darauf zu wissen, welche Chancen und welche Risiken mit neuen Technologien verbunden sind», sagt Graf. «Darum wäre es nicht verkehrt, wenn das Volk das letzte Wort hätte.» Sicher sei heute nur: «5G ist ein grosses Geschäft!»

5G soll für Jobs sorgen

Dass es den Telekomunternehmen nicht schnell genug gehen kann, zeigt ein kürzlich veröffentlichtes Lobby-Papier von Asut, dem Schweizerischen Verband der Telekommunikation. «Eine Verzögerung von 5G führt zu Produktionsverlusten bei Unternehmen und bei der öffentlichen Hand», warnt der Verband. Umgekehrt führe eine rasche Einführung zu einer höheren Wertschöpfung.

5G als Wirtschaftsturbo? Schenkt man dem Papier Glauben, wird 5G bis im Jahr 2030 knapp 140'000 Arbeitsplätze schaffen und der Wirtschaft Milliarden einbringen. Denn bei 5G geht es nicht nur um eine schnelle Internetverbindung, sondern auch um eine vernetzte Wirtschaft.

«Branchen wie Maschinenbau, Präzisionsinstrumente oder auch Pharma und Medizinaltechnik können ihre Produktion mittels 5G vernetzen und intelligenter machen», sagt Kurt Lanz (47), Geschäftsleitungsmitglied beim Wirtschaftsdachverband Economiesuisse. Dadurch würden die Branchen deutlich produktiver. «Das ist entscheidend, damit Unternehmen und Jobs am vergleichsweise teuren Standort Schweiz bleiben oder neu angesiedelt werden können», sagt Lanz. 

Spitzenposition halten

Tatsächlich gehört die Schweiz global zu den Ländern, deren 5G-Netz am weitesten gediehen ist. «Wenn wir die Spitzenposition im internationalen Vergleich halten wollen, brauchen wir eine gute 5G-Infrastruktur», sagt Marianne Janik (54), Chefin von Microsoft Schweiz und Vorstandsmitglied des Branchenverbands ICT Switzerland. 

Ins gleiche Horn stösst Ivo Zimmermann (54), Sprecher des Industrieverbands Swissmem: «Wir gehen davon aus, dass es künftig in vielen Märkten ein entscheidendes Kriterium sein wird, dass Werkzeugmaschinen oder Fahrzeuge via 5G miteinander kommunizieren können.» Laut Zimmermann könnten Einschränkungen dieser Technologien zu Arbeitsplatzverlusten führen. 

Investitionen sollen zurückfliessen

Dass Swisscom und Co. bei der Einführung des neuen Mobilfunknetzes ein horrendes Tempo anschlagen, ist jedoch nicht nur den Bedürfnissen der Wirtschaft geschuldet. Es geht um Geld, viel Geld! Die Swisscom hat für 196 Millionen Franken 5G-Frequenzen gekauft, Salt für 95 Millionen und Sunrise für 89 Millionen. 

«Wir werden im laufenden Jahr insgesamt zwischen 252 und 292 Millionen Franken in der Schweiz investieren. Davon gehen rund 180 Millionen Franken in die Infrastruktur», sagt Sunrise-Chef Olaf Swantee (53). Der Löwenanteil der Investitionen fliesse in den Aufbau des 5G-Netzes. Insgesamt geht es um Milliarden-Investitionen über die kommenden Jahre, die sich dereinst lohnen sollen.

Bafu-Bericht kommt im Sommer

Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli (47) kritisiert den «chaotischen Wettlauf» um die 5G-Vorherrschaft. Er warnt davor, dass das gesetzlich verankerte Vorsorgeprinzip unter Druck gerät. «Bei Unsicherheiten über die Gesundheitsschädlichkeit muss der Schutz der Gesundheit stärker gewichtet werden als andere Interessen wie beispielsweise der Gewinn der Telekom-unternehmen», sagt Glättli.

Bis Mitte 2019 soll eine Arbeitsgruppe unter der Leitung des Bundesamtes für Umwelt Klarheit schaffen und einen Bericht mit Empfehlungen zum Bereich Mobilfunk und Strahlung verfassen.

Das müssen Sie über 5G wissen

5G soll in naher Zukunft den aktuellen Standard 4G ablösen und das Übertragen von Daten sehr viel schneller machen. Doch ist 5G wirklich eine Revolution? Wann geht es in der Schweiz los mit 5G? Was wird sich mit dem 5G-Netz für den Nutzer in der Schweiz ändern? BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

5G-Netze werden die Basis für viele Dienste sein, die mit dem heutigen Netz nicht umsetzbar sind. Sie sollen die Möglichkeit schaffen, irgendwann Autos autonom fahren zu lassen.

5G soll in naher Zukunft den aktuellen Standard 4G ablösen und das Übertragen von Daten sehr viel schneller machen. Doch ist 5G wirklich eine Revolution? Wann geht es in der Schweiz los mit 5G? Was wird sich mit dem 5G-Netz für den Nutzer in der Schweiz ändern? BLICK beantwortet die wichtigsten Fragen zum Thema.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.