Auf einen Blick
- Lehrling verschuldet sich durch «Später bezahlen»-Funktion von Twint
- Swissbilling beruft sich auf Ausnahme im Konsumkreditgesetz
- Innerhalb von drei Monaten gab der Lehrling über 3000 Franken aus
Als der Briefkasten vor Mahnungen überquillt, kann es Eric da Silva nicht mehr verbergen. Da Silva, der kürzlich volljährig geworden ist und tatsächlich anders heisst, muss seiner Mutter beichten, dass er Schulden hat.
Am Anfang seiner misslichen Lage steht ein Button auf dem Handydisplay, den er von links nach rechts gewischt hat, wie er dem Beobachter erzählt. «Später bezahlen» heisst die Funktion, die man auf Twint aktivieren kann. Für Einkäufe erhält man so einen Zahlungsaufschub von 30 Tagen.
Gefährliche Funktion
Verlockend, auch für da Silva. Sonst muss er mit seinem Lehrlingslohn haushalten. Nun gönnt er sich McDonald’s und shoppt online. Er vertraut darauf, dass am Monatsende noch genug Geld übrig ist.
Das ist ein Beitrag aus dem «Beobachter». Das Magazin berichtet ohne Scheuklappen – und hilft Ihnen, Zeit, Geld und Nerven zu sparen.
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Innert drei Monaten bezahlt der Lehrling rund 50 Mal mit Twint und gibt über 3000 Franken aus. Zu viel für ihn. Swissbilling, eine Gesellschaft der Cembra Money Bank, die den Dienst via Twint anbietet, schlägt auf jede offene Forderung happige Mahngebühren drauf.
Wer auf Pump lebt, riskiert, sich zu verschulden. Das will das Konsumkreditgesetz (KKG) verhindern. Firmen, die Geld leihen oder Überziehungskredite gewähren, müssen abklären, ob sich der Betroffene das leisten kann. Wer keine solche Kreditfähigkeitsprüfung durchführt oder dabei schwere Fehler macht, verliert den Kredit. Und das Recht, das Geld zurückzuverlangen.
Aber: Das KKG ist nicht anwendbar, wenn der vorgestreckte Betrag innert weniger als drei Monaten zurückgezahlt werden muss. Darauf stützt sich Swissbilling. «Die Funktion ‹Später bezahlen› mit Twint entspricht einem Kauf auf Rechnung. Mit einer Frist von 30 Tagen fällt das Geschäft nicht unter das KKG», sagt Mediensprecherin Nicole Bänninger.
Konsumkreditgesetz nicht anwendbar?
Anwältin Rausan Noori sieht das kritisch. Im beschriebenen Fall sei zu prüfen, ob Swissbilling das Gesetz umgehe. «Wenn der Lehrling über drei Monate die Funktion nutzen konnte, sich verschuldete und dann nicht blockiert wurde, wäre das KKG aus meiner Sicht anwendbar.» Eine bloss formale Regelung in den AGB, wonach die Schulden innert 30 Tagen zurückzuzahlen seien, reiche nicht aus.
Zum konkreten Fall nimmt Swissbilling keine Stellung. Der Dienst werde aber gesperrt, wenn eine Zahlung auch 30 Tage nach Fälligkeit ausbleibe. Bei Eric da Silva scheint das allerdings nicht passiert zu sein.
Twint: «Keine gesetzeswidrigen Dienste»
Und was sagt Twint? Man habe den Dienst intern sowie extern durch ein Gutachten einer Kanzlei prüfen lassen. «Selbstverständlich gibt es in der App keine gesetzeswidrigen Dienste.»
Da Silva hat sich an eine Schuldenberatung gewandt. Seinen Vorschlag für einen Abzahlungsvertrag hat Swissbilling abgelehnt.