Ein Vormittag am Zürcher Bahnhofplatz: Taxifahrer Ali Aryantash (54) führt mit betrübter Miene durch die Stellplätze. «Hier geht alles drunter und drüber», sagt er. Zu wenig Platz, zu hohe Bordsteine aufgrund der verbreiterten Bushaltestelle und eine zu enge Ausfahrt.
Der Hauptbahnhof Zürich ist der Taxi-Brennpunkt der Stadt. Die Tarife sind hoch, die Stellplätze umkämpft – und die SBB sowie die Stadt wünschten sich eigentlich schon längst weniger motorisierten Personentransport vor den Bahnhofseingängen. Dazu kommt: Ab dem 1. Januar gilt im Kanton ein neues Taxigesetz.
Messerscharfe Bordsteine, verkratzte Karosserie
Das lässt die Emotionen hochkochen. Die selbständigen Taxifahrer am Bahnhofplatz sehen sich nach der Renovation des Hauptbahnhof-Südtraktes übergangen. Denn als danach die Stadt die Taxistellplätze wieder instand setzte, fehlte plötzlich einer. Aus zwölf wurden elf. Baulich sei dabei laut zahlreichen Taxifahrern vieles völlig misslungen.
«Die Bordsteine sind messerscharf», sagt Fahrer Amad Zuber (41). Er fährt bereits seit einem Jahrzehnt Personen von und zum Zürcher Hauptbahnhof. «Es gingen bereits Felgen kaputt.» Und wegen der engen Strassenbreite seien auch schon Spiegel abgebrochen.
Ein anderer Taxifahrer, der an diesem Tag am Bahnhofplatz auf Kunden wartet, kann davon ein Lied singen: Er zeigt an seinem Auto einen tiefen Kratzer quer über die linke Seite der Karosserie. «Vorgestern wollte hier eine Ambulanz durch», sagt er.
Der Vorfall sei symptomatisch, sagt Aryantash. Er wirft der Stadt vor, zu wenig an die Sicherheit der Taxifahrer gedacht zu haben. «Wenn hier etwas brennen sollte, kommt niemand mehr weg», sagt er. «An uns Taxifahrer wird nicht gedacht!»
Beim Stadtzürcher Tiefbauamt, das für die Neugestaltung der Taxiplätze verantwortlich war, versteht man die Bedenken nicht. «Auch in einem Notfallszenario kann der Bereich durch die normale Ausfahrt verlassen werden», teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit.
George Botonakis (52), Präsident des Taxiverband Zürich, ist erstaunt über die Beschwerden der Bahnhofplatz-Taxifahrer. «Uns sind bisher keine Probleme zu Ohren gekommen», sagt er. Er würde es jedoch selbst nochmals abklären, sagt Botonakis.
Preisabsprachen am Bahnhofplatz
Wenige Stunden später steht er mit Massband am Bahnhofplatz und misst nach. «Alles regelkonform», so sein Fazit. Nur in zwei Punkten gibt er den Taxifahrern recht: Erstens sei die Ausfahrt tatsächlich ein kleiner Schönheitsfehler. «Achtsame Fahrer meistern aber auch das problemlos», sagt Botonakis. Und zweitens würde es im Notfall durchaus etwas eng werden.
«Die Fahrer am Bahnhofplatz beschweren sich rasch und gerne», gibt Botonakis zu bedenken. Dabei würden genau sie durch ihre Preisabsprachen den Taximarkt in der Stadt negativ beeinflussen.
Ob tatsächlich der Bahnhofsumbau Grund für die Ausrufe der Taxifahrer ist, ist zu bezweifeln. Eher liegen die Nerven aufgrund des neuen Taxigesetzes blank. Ab dem neuen Jahr wird das Taxiwesen nicht mehr durch die Stadt verwaltet, sondern durch den Kanton. Neu können auch ausserstädtische Fahrer in Zürich Personen befördern. «Noch mehr Taxis!», befürchtet Aryantash. «Dabei haben wir schon jetzt kaum Platz in der Stadt.»
Neues Taxigesetz soll zu tieferen Tarifen führen
Dafür fallen eine Registrierungspflicht und ein strengerer Sprachnachweis für die Fahrer an. Auch Limousinenservices wie Uber oder Luxusanbieter sind endlich miteinbezogen.
Die Tarife werden neu kantonal einheitlich berechnet und müssen an den Fahrzeugen transparent ausgelobt werden. Der Taxiverband Zürich erwartet, dass durch das neue Gesetz die Taxipreise um 30 Prozent fallen werden. Für Aryantash unverständlich: «Alles wird teurer – und die Taxifahrer sollen jetzt noch weniger einnehmen.» Dabei seien die Einnahmen seit der Pandemie sowieso schon um rund die Hälfte eingebrochen.
Sowieso sei die Preissenkung eben vor allem eins: eine Empfehlung. Denn gleichzeitig fällt der bisher festgesetzte Höchsttarif weg. Es könnte also auch in die andere Richtung gehen. «Die einen senken die Preise, die andern betreiben Preiswucher – das wird ein grosses Chaos geben», sagt Aryantash.
Auch Botonakis ist sich dem Problem bewusst. Er sieht in den neuen Tarifen dennoch Potenzial. «Wir erwarten für die Fahrer, die die Preise senken, mehr Kunden und somit auch höhere Einnahmen», sagt er. Ab Januar wird sich zeigen, wer recht behält.