Tausende Jobs in der Schweiz könnten in den nächsten Jahren verschwinden
Wenn der Nachfolger fehlt

500’000 Jobs stehen auf dem Spiel: Gelingt es nicht, einen Kandidaten für den Chefposten zu finden, ist das Unternehmen in Gefahr.
Publiziert: 27.08.2017 um 19:01 Uhr
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Aktualisiert: 11.09.2018 um 23:27 Uhr
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Alter und neuer Chef: Markus Meierberger (l.) hilft Adrian Eberle, das Unternehmen weiterzuführen.
Foto: Philippe Rossier
Christian Kolbe

Die Bandschleifmaschine dröhnt, die Kreissäge kreischt, es riecht intensiv nach Farbe und Lack: Die Schreinerei Meienberger und Egger im thurgauischen Münchwilen ist ein typisches Schweizer KMU – und eine Erfolgsgeschichte in Sachen Unternehmensnachfolge.

Vor zweieinhalb Jahren hat Markus Meienberger (59) seine Schreinerei an die Mitarbeiter Adrian Eberle (34) und Pirmin Stillhart (40) verkauft. Meienberger wollte kürzertreten und begann frühzeitig mit der Nachfolgersuche: «Man muss seine Firma übergeben, wenn es gut läuft. Warten bis zur Pensionierung kann ein sehr grosses Risiko sein.»

Ein Drittel aller Firmen wird nicht übertragen

Ein Risiko für viele: Rund ein Drittel aller Firmen wird nicht übertragen, verschwindet aus dem Handelsregister und damit von der Landkarte der heimischen Wirtschaft. Dabei spielt die fehlende Nachfolge eine grosse Rolle.
Der Wirtschaftsinformationsdienst Bisnode D&B hat kürzlich ausgerechnet, dass 74’744 Schweizer Firmen in den kommenden fünf Jahren die Chef-Nachfolge regeln müssen. Denn die Pensionierungswelle, die in den nächsten Jahren auf die Schweiz zurollt, betrifft nicht nur Angestellte, sondern auch Patrons.

Besonders akut ist die Lage bei Kleinst- und Kleinfirmen mit bis zu 49 Mitarbeitern – den «K» unter den KMU. Rund eine halbe Million Arbeitsplätze steht auf dem Spiel.

Frank Halter (43), der an der Universität St. Gallen Familienbetriebe erforscht, sieht im bevorstehenden Generationenwechsel ein grosses Problem: «In Sachen Unternehmensnachfolge verschärft sich die Situation in der Schweiz zunehmend. Es gibt immer mehr ältere Leute, die nicht mehr mögen – und viele junge Leute, die Generation Y, die keine Lust haben, ein Unternehmen zu führen.»

Die Jungen haben andere Ziele als ihre Eltern

Nicht etwa, weil die Jungen faul sind. Aber weil sie einfach andere Ziele im Leben haben als ihre Eltern. Beat Unternährer (55) berät grössere Familienbetriebe in Nachfolgefragen. Er weiss: «Oft sind die Nachkommen abgeschreckt vom grossen Aufwand, dem grossen Engagement, das es braucht, um ein KMU erfolgreich zu führen.»

Fehlen geeignete und willige Kandidaten, kann man sich durchaus auch in der eigenen Firma umschauen, rät Halter: «Langjährige Mitarbeiter sind für Patrons oft wie ein Teil der Familie. Eine erfolgreiche Nachfolgeregelung hat auch viel mit Vertrauen zu tun – und das baut sich nur über Jahre auf.»

Ein Rezept, das 30 Beschäftigten bei Meienberger und Egger die Zukunft sichert: «Diese Nachfolgelösung ist ein voller Erfolg. Wir haben weder Kunden noch Mitarbeiter verloren, sagt Eberle, der nun die Geschäftsleitung mit seinem Kollegen Stillhart teilt. Und davon profitiert, dass sich der ehemalige Chef noch nicht ganz aufs Altenteil zurückgezogen hat. «Wir haben eine sehr gute unternehmerische Dreiecksbeziehung. Pirmin Stillhart und ich profitieren jeden Tag von der Erfahrung von Markus Meienberger.»

Auch ein Ex-Kunde als Quereinsteiger kommt in Frage

Wer im eigenen Unternehmen nicht fündig wird, kann es auch bei einem Kunden versuchen. Und stösst so vielleicht auf jemanden wie Lukas Duss (50), der vor zwei Jahren unverhofft zum Inhaber einer grossen Fahrschule in der Zentralschweiz geworden ist. «Die Angestellten des ehemaligen Besitzers wollten nicht Unternehmer werden. So kam die Chance für mich als Quereinsteiger.»

Duss arbeitete früher als ­Finanzchef eines Transportunternehmens, bezahlte also für die Kurse seiner Fahrer bei Stadelmann. Jetzt konnte er den lang gehegten Traum vom Unternehmer in die Tat umsetzen.

Fünf Fragen für Firmenchefs

Zukunftspläne
Was will ich mit meinem Leben noch anfangen, und wann ist der richtige Zeitpunkt, um loszulassen?

Finanzbedarf
Brauche ich den Verkaufs­erlös, um meine Rente zu sichern – oder kann ich dem Nachfolger im Bedarfsfall finanziell ein wenig entgegenkommen?

Bestandsaufnahme
Ist die Firma gesund und das Geschäftsmodell nachhaltig?

Szenarien
Was, wenn ich weder in der Familie noch in der Firma einen Nachfolger finde?

Dialog und Kritik
Bin ich bereit, mich den kritischen Fragen möglicher Nachfolger zu stellen?

Zukunftspläne
Was will ich mit meinem Leben noch anfangen, und wann ist der richtige Zeitpunkt, um loszulassen?

Finanzbedarf
Brauche ich den Verkaufs­erlös, um meine Rente zu sichern – oder kann ich dem Nachfolger im Bedarfsfall finanziell ein wenig entgegenkommen?

Bestandsaufnahme
Ist die Firma gesund und das Geschäftsmodell nachhaltig?

Szenarien
Was, wenn ich weder in der Familie noch in der Firma einen Nachfolger finde?

Dialog und Kritik
Bin ich bereit, mich den kritischen Fragen möglicher Nachfolger zu stellen?

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