Syngenta-Chef Erik Fyrwald über seine chinesischen Chefs und die Nachteile der Bio-Landwirtschaft
«Bio-Bauern brauchen mehr Schädlingsmittel»

Der Chef des Agrochemiekonzerns Syngenta ist voll des Lobes über die neuen chinesischen Besitzer des Basler Unternehmens. Anders als westliche Aktionäre seien diese nicht auf den schnellen Gewinn aus, sagt CEO Erik Fyrwald.
Publiziert: 08.10.2017 um 16:11 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 15:55 Uhr
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Syngenta-CEO Erik Fyrwald präsentiert eine neue Sprühdrone. Sie soll dafür sorgen, dass die Bauern weniger Gift versprühen.
Foto: Thomas Meier
Interview: Guido Schätti (Text) und Thomas Meier (Fotos)

Erik Fyrwald (58) kehrte gerade aus Peking zurück. Dort stellte er den chinesischen Besitzern sein Unternehmen vor. 43 Milliarden Dollar liessen sich die Chinesen Syngenta kosten. Damit ist die Übernahme des Basler Agrochemiekonzerns die teuerste in der chinesischen Geschichte. Nach Peking ist Fyrwald zu Besuch in Dielsdorf ZH am Schweizer Hauptsitz von Syngenta. Der stets freundliche Amerikaner erscheint in Turnschuhen und im Syngenta-Hemd. Das Machogehabe vieler CEO ist ihm fremd. Fyrwald begutachtet die neuste Entwicklung des Konzerns: eine Drohne, die Pflanzenschutzmittel versprüht. 

BLICK: Herr Fyrwald, was können Drohnen besser als Helikopter und Flugzeuge?
Erik Fyrwald: Ein Flugzeug oder ein Helikopter muss Distanz zum Boden halten. Dadurch ist der Abdrift, die ungewollte Verbreitung von Pflanzenschutzmitteln, viel grösser. Eine Drohne dagegen kann dank digitaler Steuerung Pilzkrankheiten, Ungeziefer und Unkraut im Tiefflug viel präziser und leiser bekämpfen. Und braucht daher weniger Schädlingsbekämpfungsmittel.

Das ist schlecht für Ihr Geschäft!
Kurzfristig mögen die Umsätze sinken, langfristig profitieren wir aber, wenn es den Bauern gut geht und weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. 

Wie stark lässt sich der Verbrauch von Spritzmitteln durch Drohnen reduzieren?
Bis zu 30 Prozent sollten möglich sein.

Die Schweiz will die Risiken von Pestiziden halbieren. Das ist also unrealistisch?
Nicht unbedingt. Aber wir sollten das Problem ganzheitlich betrachten: Wir wollen nicht nur den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, sondern auch den Energie- und Wasserverbrauch sowie den CO2-Ausstoss senken. Schliesslich verbraucht die Landwirtschaft weltweit 70 Prozent des Wassers und ist für 35 Prozent des Treibhausgas-Ausstosses verantwortlich. Unser Ziel ist es, die Umweltbelastung pro produzierter Menge an Nahrungsmitteln zu senken. 

Syngenta steht im Verdacht, Insektenvertilger zu verkaufen, die Bienenvölker schädigen. Können Drohnen Bienen schützen?
Wichtiger für die Bienen ist die direkte Behandlung des Saatgutes mit Insektenschutzmitteln. Diese Methode bringt im Gegensatz zu den Drohnen gar keinen Abdrift.

Die Behandlung erfolgt mit sogenanntenNeonikotinoiden. Die EU will diese verbieten.
Es gibt keine Daten, die beweisen, dass Neonikotinoide für den Bienenrückgang verantwortlich sind – im Gegenteil: Untersuchungen der EU belegen, dass Dutzende Faktoren Bienen schädigen können und Pestizide vergleichsweise unbedeutend sind. Und seit der Markteinführung von Neonics hat die Zahl der Bienenvöker zugenommen, wie die Uno schreibt. Ein Verbot wäre schlecht für die Umwelt. Denn die Bauern müssten ältere Insektenmittel versprühen, was nachteilig für die Umwelt und die Bienen ist. Daher sind sogar kritische Wissenschafter gegen ein Verbot der Neonikotinoide. Aber die Politik in Europa will das nicht wahrhaben: Die Regierungen und Umweltaktivisten verteufeln einzelne Produkte. Und niemand fragt nach den Folgen eines Verbots für das Gesamtsystem.

Die Alternative ist Bio-Landwirtschaft. Dann ist Syngenta aber aus dem Geschäft.
Das stimmt nicht. Wir verkaufen sehr viele Pestizide für Biobauern und forschen auch auf diesem Gebiet. Bio-Hilfsmittel enthalten vielfach Schwermetalle wie Kupfer und Schwefel. Aber das scheint unsere Kritiker nicht zu interessieren.

Warum?
Weil die Leute glauben, dass Bio ohne Pestizide auskommt. Dabei braucht die Bio-Landwirtschaft Pestizide. Unsere konventionellen Mittel sind in keiner Art und Weise schlechter für die Umwelt als biologische. Oft werden grössere Mengen von Bio-Schädlingsmitteln gebraucht, weil sie weniger effizient sind. Sie waren heute dabei, als der Erfinder der Drohne betonte, dass biologische Kulturen öfter gespritzt werden müssen – und dass er daher sehr gerne für Biowinzer arbeite!

Also ist Bio-Landwirtschaft gar nicht ökologischer?
Ich will nicht das eine gegen das andere ausspielen. Die Konsumenten sollen selber entscheiden, was sie wollen. Aber man sollte das gesamte System betrachten und dann entscheiden, was wirklich nachhaltig ist. Die Erträge im biologischen Landbau sind durchschnittlich 35 Prozent niedriger – was bedeutet, dass zusätzliche Flächen von der Grösse der gesamten EU beackert werden müssten, wenn Bauern nur noch biologisch anbauen würden. Natürlich kann man Pestizide verbieten. Dann fallen die Erträge aber um 40 bis 100 Prozent. So kann man die wachsende Weltbevölkerung nicht ernähren.

Syngenta ist seit knapp fünf Monaten in chinesischem Besitz. Wie gut sind Ihre Chinesischkenntnisse?
Leider noch bescheiden. In den letzten Monaten war ich enorm viel unterwegs. Ich hoffe, dass ich in Zukunft mehr Zeit habe, um Chinesisch zu lernen.

Sie haben einen chinesischen Chef. Ren Jianxing ist Präsident des Verwaltungsrats von Syngenta. Wann haben Sie ihn zuletzt getroffen?
Letzte Woche in China. In drei Tagen haben wir mehr als 1000 chinesischen Beamten, Wissenschaftlern, Kunden und Bauern unsere Technologien und Produkte vorgestellt. Das Echo war hervorragend.

Die Chinesen zahlten 43 Milliarden Dollar für Syngenta. Das ist die teuerste Übernahme eines ausländischen Unternehmens überhaupt. Was erwarten die Chinesen als Gegenleistung?
Unsere Aufgabe ist es mitzuhelfen, die chinesische Landwirtschaft zu modernisieren. Das bedeutet, die Erträge zu steigern, aber auch die Umwelt besser zu schützen. China hat eine unglaubliche Entwicklung hinter sich. Das ging aber oft auf Kosten der Umwelt. Das soll sich nun ändern.

Sie sind Amerikaner, haben Ihre ganze Karriere in der Privatwirtschaft verbracht, nun sind Sie Chef eines staatlich kontrollierten chinesischen Konzerns. Wie geht das zusammen?
Wir sind noch immer ein Schweizer Unternehmen. Unser globaler Firmensitz ist und bleibt Basel. Unser Verwaltungsrat hat zwar einen chinesischen Präsidenten, gleichzeitig sitzen aber vier Schweizer, ein Schwede und ein Franzose im Gremium. Unsere Kultur hat sich nicht verändert. Und wir investieren weiterhin in der Schweiz. Vor zehn Tagen haben wir ein neues Forschungszentrum im Wallis eingeweiht, in das wir 6,7 Millionen Franken gesteckt haben.

Begeisterter Schwimmer

Erik Fyrwald (58) ist seit Sommer 2016 Chef des Agrochemiekonzerns Syngenta. Der Amerikaner mit norwegischen Vorfahren ist studierter Chemiker, hat eine Zusatzausbildung in Management und verbrachte seine ganze Karriere in der Chemieindustrie. Zuletzt war er Chef der Chemie-Handelsfirma Univar. Fyrwald ist Vater von drei erwachsenen Töchtern und lebt in Basel. Zur Arbeit fährt er mit dem Tram. Das Schwimmen im Rhein hat er bereits für sich entdeckt. Golf spielt er ebenfalls – aber nur, wenn es die Arbeit erfordert.

Erik Fyrwald (58) ist seit Sommer 2016 Chef des Agrochemiekonzerns Syngenta. Der Amerikaner mit norwegischen Vorfahren ist studierter Chemiker, hat eine Zusatzausbildung in Management und verbrachte seine ganze Karriere in der Chemieindustrie. Zuletzt war er Chef der Chemie-Handelsfirma Univar. Fyrwald ist Vater von drei erwachsenen Töchtern und lebt in Basel. Zur Arbeit fährt er mit dem Tram. Das Schwimmen im Rhein hat er bereits für sich entdeckt. Golf spielt er ebenfalls – aber nur, wenn es die Arbeit erfordert.

Walliser Erfindung

Früher hätten die Menschen gestaunt, wenn Helikopter über die Walliser Rebberge geflogen und Pflanzenschutzmittel versprüht hätten, sagt Frédéric Hemmeler, Chef der Firma Agrofly. Heute würden sie wütend, zückten ihr Smartphone und schickten die Fotos BLICK zur Veröffentlichung. Deshalb hat Hemmeler eine Sprühdrohne entwickelt. Sie soll den Einsatz von Pilz- und Insektengiften im Rebberg verringern. Die Entwicklung der Drohne wird von Syngenta wissenschaftlich begleitet und mitfinanziert. Syngenta-Chef Erik Fyrwald sagt ihr eine grosse Zukunft in der Landwirtschaft voraus. Nächstes Jahr soll die Drohne in Serienproduktion gehen.

Früher hätten die Menschen gestaunt, wenn Helikopter über die Walliser Rebberge geflogen und Pflanzenschutzmittel versprüht hätten, sagt Frédéric Hemmeler, Chef der Firma Agrofly. Heute würden sie wütend, zückten ihr Smartphone und schickten die Fotos BLICK zur Veröffentlichung. Deshalb hat Hemmeler eine Sprühdrohne entwickelt. Sie soll den Einsatz von Pilz- und Insektengiften im Rebberg verringern. Die Entwicklung der Drohne wird von Syngenta wissenschaftlich begleitet und mitfinanziert. Syngenta-Chef Erik Fyrwald sagt ihr eine grosse Zukunft in der Landwirtschaft voraus. Nächstes Jahr soll die Drohne in Serienproduktion gehen.

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