Der neue Fernverkehr-Doppelstockzug der SBB "FV-Dosto" ist in den Augen der Behindertenorganisationen gesetzeswidrig. (Archivbild)
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Swissrail zweifelt an versprochener Swissness bei Bombardier-Doppelstöckern
«Aluminiumprofile in China statt im Wallis hergestellt»

Bahnhersteller Bombardier sagte zu, die neuen Doppelstockzüge würden zu 60 Prozent in der Schweiz produziert. Das sei nicht geschehen, kritisiert die Chefin des Bahnindustrieverbands Swissrail.
Publiziert: 17.02.2019 um 00:25 Uhr
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Aktualisiert: 28.05.2019 um 11:57 Uhr
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Vergangenen Montag in Bern: SBB-CEO Andreas Meyer (57) trabt mit Bombardier-Managern bei der Verkehrskommission des Nationalrats an. Sie müssen Rede und Antwort stehen wegen des Fernverkehr-Doppelstockzugs – kurz: FV-Dosto –, der aufgrund jahrelanger Verspätungen, Softwareproblemen und Schüttelanfällen die Bahnnation Schweiz in Aufruhr versetzt.
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Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Vergangenen Montag in Bern: SBB-CEO Andreas Meyer (57) trabt mit Bombardier-Managern bei der Verkehrskommission des Nationalrats an. Sie müssen Rede und Antwort stehen wegen des Fernverkehr-Doppelstockzugs – kurz: FV-Dosto –, der aufgrund jahrelanger Verspätungen, Softwareproblemen und Schüttelanfällen die Bahnnation Schweiz in Aufruhr versetzt.

Auch Stéphane Wettstein (59), Chef von Bombardier Schweiz, ist im Bundeshaus mit dabei. Er verspricht: «Wir werden bald nicht mehr über die Probleme  reden, sondern über diesen ­guten Zug.»

Es ist nicht das erste Versprechen, das Wettstein abgibt, seit Bombardier im Mai 2010 den 1,9-Milliarden-Auftrag erhielt. Kurz nach dem Zuschlag für den kanadischen Grosskonzern wurde er von der «Basler Zeitung» gefragt, wie gross der Wertschöpfungsanteil des Zugs in der Schweiz sein werde. Wettsteins Antwort: «60 Prozent sind garantiert. Allenfalls werden es noch mehr.»

Viele Zulieferer gingen leer aus

Der Mann von Bombardier gab sein Versprechen nicht zufällig. Zu jener Zeit wurde in der Schweizer Öffentlichkeit heftig darüber diskutiert, warum die grösste Bestellung der SBB-Geschichte an einen Hersteller mit Sitz in Montreal geht – und nicht etwa an die Stadler Rail AG von Peter Spuhler (60) mit Sitz in Bussnang TG.

Jetzt, fast neun Jahre später, stellt sich die Frage: Hat Bombardier Wort gehalten? Wurde der Zug tatsächlich zu 60 Prozent in der Schweiz produziert?

Nein, sagt Michaela Stöckli (56), Direktorin des Schweizer Bahnindustrieverbands Swissrail: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass der neue Doppelstockzug den versprochenen Schweizer Wertschöpfungsanteil von 60 Prozent erreicht. Viele Schweizer Zulieferer, die auf Bombardier-Aufträge gehofft hatten, gingen leer aus.»

Stöckli nennt auch konkrete Beispiele: «Die grösste Enttäuschung aus Schweizer Sicht war, dass die Aluminiumprofile in China und nicht bei Alcan im Wallis hergestellt wurden.»

Bombardier: «Wir sind auch eine Schweizer Firma!»

Bombardier wehrt sich gegen den Vorwurf des Wortbruchs: «Wir haben immer gesagt, dass der Wertschöpfungsanteil in der Schweiz 50 bis 60 Prozent beträgt», so Sprecher Andreas Bonifazi. Diese Marke habe man erreicht. Es seien sogar viel mehr Arbeitspakete im waadtländischen Villeneuve abgewickelt worden als geplant. «Wir haben über 50 Schweizer Lieferanten und auch viele regionale Lieferanten aus der Westschweiz berücksichtigt. Zudem hatte jeder Schweizer Lieferant ein Last-Call-Recht.» Die Kritik von Swissrail sei deshalb schlicht falsch.

Aussage steht gegen Aussage. Klarheit schaffen könnte nur eine genaue Auflistung der Kosten sowie der gewählten Zulieferbetriebe. «Eine solche Aufstellung hat Bombardier jedoch nie geliefert», kritisiert Swissrail-
Direktorin Stöckli.

Daran ändert sich auch jetzt nichts. «Wir können leider keine Kostenaufstellung liefern», so Bombardier-Sprecher Bonifazi. Er weist aber darauf hin, dass der Zug vollständig in Villeneuve endausgebaut und in Betrieb gesetzt werde. Und weiter: «Bombardier hat in der Schweiz 1150 Mitarbeitende, die jeden Tag mit grossem Einsatz ihr Bestes geben. Wir sind dementsprechend auch eine Schweizer Firma!»

Nationale Wertschöpfung darf nicht Vergabekriterium sein

Darüber lässt sich streiten. Die SBB indes wollen sich in diesen Streit nicht einmischen. Auch zum Schweizer Wertschöpfungsanteil schweigen die Bundesbahnen. Medien­sprecher Daniele Pallecchi weist einzig darauf hin, dass der Vergabe an Bombardier ein Ausschreibungsverfahren nach internationalen Verträgen und Schweizer Gesetzgebung vo­rausgegangen sei. «Und diese schreibt strikt vor, dass eine ­nationale Wertschöpfung kein Vergabekriterium sein darf.»

Das stimmt. Den Schweizer Zulieferbetrieben, die trotz Bombardiers Versprechen leer ausgegangen sind, nützt das ­jedoch herzlich wenig.

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